Helena Stollenwerk

Die 1852 in Rollesbroich/Simmerath geborene Nordeiflerin Helena Stollenwerk war die Tochter des Fuhrmanns und Ackerers Hans Peter Stollenwerk und dessen dritter Ehefrau Anna Maria Bongard. Bei Menschen mit einem solchen sozialen Hintergrund heißt es oft, sie kämen „aus einfachen Verhältnissen“. Hinter diesem Ausdruck verbirgt sich aber auch in diesem Fall eine höchst komplexe Lebenswelt, reich an Glück, aber auch an Leid. Bei der Geburt Helenas war ihr zweimal verwitweter Vater bereits 67 Jahre alt, die Mutter 28 Jahre jung. In der ersten Ehe waren dem Vater acht Kinder geboren worden, von denen drei taubstumm waren.

Nachdem seine zweite Frau früh verstorben war, wurde seine dritte Ehe außer mit Helena noch mit einer weiteren Tochter Carolina gesegnet. Deren frühen Tod als Vierjährige erlebte der tatkräftige und in seiner Gemeinde hoch angesehene Vater nicht mehr, da er wenige Monate zuvor im Mai 1857 verstorben war. Seine junge Witwe, Helenas Mutter, heiratete ein Jahr später den gleichfalls verwitweten Hufschmied Breuer, der aus seiner ersten Ehe drei kleine Kinder in die neue Familie mitbrachte. Die spätere Missionsschwester wuchs somit gewissermaßen in einer „Patchwork-Familie“ auf, deren Mitglieder durch Liebe und tiefe katholische Frömmigkeit verbunden waren.

Helena Stollenwerk war ein hilfsbereites und sehr mitfühlendes Kind, das sich ungewöhnlich früh zu einem geistlichen Leben hingezogen fühlte. Vor allem die Mission hatte es ihr angetan. Schriften über Missionare und Missionsschwestern ermutigten das zurückhaltende Dorfmädchen, sich selbst solche Tätigkeiten fern der Heimat zuzutrauen. So bereit sie innerlich dazu war – schon als Jugendliche legte sie das Gelübde immerwährender Keuschheit ab – , so schwierig war die äußere Umsetzung, da die damaligen deutschen Ordensgemeinschaften keine Schwestern als Missionarinnen entsandten.

Nach jahrelangem vergeblichen Warten und Suchen wandte sich die Eiflerin 1882 an den Priester Arnold Janssen (1837–1909), den Gründer des Ordens der Steyler Missionare (SVD). Pater Janssen, im Jahr 2003 heiliggesprochen, konnte der Dreißigjährigen zunächst nur eine Stelle als Gehilfin in der Küche, der Wäscherei und bei anderen Hausarbeiten für die Steyler Missionare anbieten. Ohne sich zu beklagen, verrichtete Helena jahrelang diese wenig geachteten, oft sehr anstrengenden Arbeiten. Nach und nach fanden sich weitere fromme Frauen ein, die von gleicher missionarischer Gesinnung und Begeisterung wie Helena Stollenwerk erfüllt waren. 1889 gründete Pater Arnold Janssen mit diesen Frauen die „Kongregation der Dienerinnen des Heiligen Geistes“ (SSpS, Steyler Missionsschwestern). In den folgenden Jahren wurde Helena Stollenwerk, die 1892 den Ordensnamen Maria annahm und zur ersten Oberin der Steyler Missionsschwestern gewählt wurde, zur prägenden Persönlichkeit beim Aufbau der neuen Kongregation.

Von ihrem Kindheitstraum, selbst als Missionarin in fernen Ländern Menschen für den katholischen Glauben begeistern zu können, musste sie jedoch nicht zuletzt aus gesundheitlichen Gründen Abschied nehmen. Obwohl ihr dies anfangs schwer fiel, nahm sie diese Änderung ihrer Lebensplanung schließlich mit dem für sie typischen Vertrauen auf Gottes Willen und Wege an. Erleichtert wurde ihr dieser Verzicht, als sich in der neuen Steyler Gemeinschaft andere Missionsschwestern fanden, die 1895 nach Südamerika aufbrachen und 1897 nach Afrika in die deutsche Kolonie Togo. 1896 gründete Pater Arnold Janssen als weitere Ordensgemeinschaft die „Kongregation der Dienerinnen des Heiligen Geistes von der ewigen Anbetung“ (SSpSAp). Diese auch als „Steyler Anbetungsschwestern“ bekannten Ordensfrauen hatten die Aufgabe, die Arbeit der Steyler Missionare und der Steyler
Missionsschwestern durch Gebet und Betrachtung unterstützen. 1898 wechselte Schwester Stollenwerk, die bisherige Oberin der Steyler Missionsschwestern, zu den Steyler Anbetungsschwestern. Bereits ein Jahr später erkrankte sie an unheilbarer tuberkulöser Hirnhautentzündung. Die letzten Worte vor ihrem Tod am 3. Februar 1900 waren ihr Lebensmotto: „Jesus, für dich lebe ich. Jesus, für dich sterbe ich.“

Schon früh hatten Zeitgenossen, die Helena Stollenwerk kennenlernten, das Gefühl, es mit einer heiligmäßigen Frau zu tun zu haben. Am 7. Mai 1995 wurde die Eiflerin in Rom von Papst Johannes Paul II seliggesprochen und als vorbildliche Pionierin christlicher Mission gewürdigt.

Verfasser: Gregor Brand

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