Aus Gotteshäusern werden Friedhöfe

Königswinter. Seit einigen Jahren werden immer mehr Kirchen in Deutschland als Bestattungsorte für Urnen genutzt. Die Beisetzungen in sakralem Ambiente erfreuen sich großer Beliebtheit. Bistümer und Kirchengemeinden profitieren: Sie können nicht mehr benötigte Gebäude angemessen nutzen und gleichzeitig Einnahmen generieren. Was in früheren Jahrhunderten Adligen und hohen Geistlichen vorbehalten war, ist mittlerweile für den Normalbürger möglich: die Beisetzung in einer Kirche. In mittlerweile rund 20 – meist ehemaligen katholischen und evangelischen – Kirchen finden die Urnen Verstorbener in speziellen Urnennischen ihre letzte Ruhe. „Das Konzept der Urnen- bzw. Grabeskirche hat in den letzten Jahren geradezu einen Boom erlebt“, weiß Christoph Keldenich, Vorsitzender der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur, Aeternitas. Damit werden Urnenkirchen in manchen Regionen zu einer ernsthaften Konkurrenz zu Lasten der traditionellen Friedhöfe – damit auch der kirchlichen.

In der 2009 eingerichteten Urnenkirche St. Elisabeth in Mönchengladbach zum Beispiel soll die Zahl der Bestattungsplätze von anfänglich 1.600 noch in diesem Jahr auf 2.500 Plätze aufgestockt werden. Auch in der 2006 eingerichteten St.-Josef-Kirche in Aachen sind fast alle Plätze belegt. In Köln richtet die Katholische Kirche derzeit in St. Bartholomäus ein Kolumbarium ein. Als Vorreiter fungierte 2004 die altkatholische Pfarrkirche „Erscheinung Christi“ in Krefeld. 2006 eröffnete mit St. Josef in Aachen die erste katholische Urnenkirche. Evangelische Gemeinden zogen nach.

Aufgrund des Mitgliederschwundes werden viele Kirchen nicht mehr für Gottesdienste benötigt. Mit den Urnenkirchen vermeiden Bistümer und Gemeinden Abriss, Leerstand oder eine vor dem christlichen Hintergrund nicht angemessene Nutzung der Gebäude. „Auch können Gebühreneinnahmen, die auf Friedhöfen aufgrund des Trends zur Feuerbestattung verloren gehen, so mitunter kompensiert werden“, weiß Keldenich. Gleichzeitig beinhaltet das Konzept der Urnenkirchen auch eine seelsorgerische Komponente: Die Kirche als Institution bzw. ihre Vertreter können den Trauernden wieder näher kommen, die sich im Rahmen des Bedeutungsverlustes der Kirchen zunehmend von diesen abgewandt hatten.

Urnenkirchen erfreuen sich auch deshalb großer Beliebtheit, weil sie eine Alternative zur anonymen Beisetzung bieten, aber dennoch keine Grabpflege erfordern. Darüber hinaus verströmen sie eine besondere geschützte Atmosphäre, die von der Architektur und der Spiritualität eines Gotteshauses profitiert. In den meisten Urnenkirchen können auch Konfessionslose beigesetzt werden, allerdings wird häufig ein christlicher Beisetzungsritus vorausgesetzt. Die Kosten für die Beisetzung im Gotteshaus schwanken – ähnlich wie bei Friedhöfen auch: Die Gemeinde „Heilig Kreuz“ in Mülheim an der Ruhr zum Beispiel bietet Einzel- und Doppelnischen für Urnen für Preise zwischen 1.500 und 5.000 Euro, je nach Größe und Lage.

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen