Peter Kaufmann

Staatswissenschaftler und Eifelvereinsgründer aus Virneburg

159_kaufmann_41_13Blicken wir zurück auf das Jahr 1904: Der Friedensnobelpreis geht an das „Institut für Völkerrecht“ – eine Würdigung des Ziels dieser aus höchstqualifizierten Rechtsgelehrten bestehenden „Weltakademie des Völkerrechts“, den Weltfrieden auf der Basis des Rechts zu sichern. Was damals schon vergessen war: Die nobelpreiswürdige Idee zu einer solchen Einrichtung war erstmals von einem Eifler Professor entwickelt worden. 1855 hatte der in Virneburg geborene Staatswissenschaftler Peter Kaufmann in seiner Schrift „Die Idee und der praktische Nutzen einer Weltakademie des Völker-Rechts“ vorgeschlagen, ein Gremium von zwölf der besten Experten auf dem Gebiet des internationalen Rechts zu bilden, um internationale Konflikte zu lösen und Kriege zu vermeiden. In ersten Reaktionen wurde zwar bezweifelt, ob aus dieser „wunderlichen“ Idee (Professor Kaltenborn von Stachau) sobald etwas werden möchte, aber bereits 1873 traten in Gent elf Rechtsgelehrte zusammen und gründeten mit dem genannten Institut eine bis heute bestehende Institution im Geist Kaufmanns. In Kaufmanns genialem Entwurf kann man zudem auch die Grundidee eines internationalen Gerichtshofs sehen, wie er im 20. Jahrhundert mit dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag geschaffen wurde. Ungewöhnlich für seine Zeit war Kaufmanns heftige Verurteilung des Krieges, die nicht bloß auf Gefühl beruhte, sondern auf wohldurchdachten Überlegungen. Kaufmann studierte die ökonomischen Kosten der Kriege und kam zu einer vernichtenden Bilanz: Krieg ist nicht nur grausam, sondern grundsätzlich auch eine wirtschaftliche und zivilisatorische Dummheit schlimmster Art. 1866 veröffentlichte er die Schrift „Die Wissenschaft des Weltfriedens im Grundrisse“, die ihn zu einem heute erst noch zu entdeckenden Vordenker der modernen Friedensforschung macht.
Fragen von Krieg und Frieden faszinierten Kaufmann von klein auf. Sein Vater, zur Zeit von Peters Geburt im Juni 1803 Bürgermeister (Maire) in Virneburg, war Offizier. 1811 zog er mit seiner Familie nach Koblenz, wo der Sohn 1821 mit Bestnoten Abitur machte. Schon damals befasste sich Kaufmann ausgiebig mit Militärtheorie und studierte die Werke der berühmten Strategen; später war er selbstbewusst genug, sogar den großen Clausewitz zu kritisieren. Kaufmann machte vermutlich als erster in Preußen auf die strategische Bedeutung der neu entwickelten Eisenbahn aufmerksam und versuchte vergeblich, den preußischen Generalstab von der strategischen Notwendigkeit einer schnurgeraden Eisenbahnverbindung von Berlin nach Köln zu überzeugen. Entschieden trat der Preußenfreund Kaufmann allerdings für eine defensive Ausrichtung seines Staates ein und entwickelte konkrete Vorschläge, durch technische Perfektionierung der Verteidigungsmittel Angriffskriege unmöglich zu machen.
Kaufmanns eigentliches Berufsfeld war jedoch die politische Ökonomie. Nach breit gefächertem Studium in Bonn und Heidelberg promovierte er 1827 mit einer Kritik des hochberühmten Ökonomen Adam Smith. Kaufmann war Befürworter von Schutzzöllen und sah Freihandel nicht zuletzt im Hinblick auf die Wirtschaft der Eifel als schädlich an. In den folgenden Jahren entwickelte er seine ökonomischen Auffassungen weiter. 1828 habilitierte sich Kaufmann in Bonn, ab 1832 lehrte er dort als außerordentlicher Professor Staatswissenschaften und Kameralistik. Seine Vorlesungen über Staatswirtschaft wurden vom späteren Gemahl der britischen Queen Victoria besucht, vermutlich auch von Karl Marx.
Bis heute am bekanntesten ist Peter Kaufmann als Gründer des ersten Eifelvereins. Bereits 1826 hatte er „Skizzen zur ökonomischen und kameralistischen Verbesserung der Eifel“ verfasst, 1832 trat er nun mit effektiven Vorschlägen zur Verbesserung an die Öffentlichkeit. Als Direktor des neuen Vereins und Herausgeber der Vereinszeitschrift gelang es ihm, wichtige Persönlichkeiten für die Notlage der Eifel zu interessieren. Ähnlich engagiert war Kaufmanns Einsatz für die Not der Winzer an Ahr, Mosel und Rhein, auf die er mit von der preußischen Zensur angegriffenen Schriften aufmerksam machte. 1837 wurde Kaufmann Direktor des landwirtschaftlichen Instituts der Universität Bonn und erwies sich als erfolgreicher Agrarpraktiker.
Familiär blieb Kaufmann in der Eifel verwurzelt. 1841 heiratete er die Tochter des Dauner Friedensrichters Ägidius Becker; der Jurist und Politiker Christoph Becker (1814–1886), Abgeordneter der Nationalversammlung, war sein Schwager. Die Familie Kaufmann bewohnte den „Waldenhof“ in Daun. Kaufmanns zwei Söhne wurden Offiziere; Otto von Goeldel (1886–1967), ein Sohn seiner Tochter, brachte es bis zum Generalmajor. Bald nach seinem 50. Lebensjahr setzten Krankheiten Kaufmann immer mehr zu. Schließlich machte ihn  eine „schwere seelische Erkrankung“ (K. L. Kaufmann) vollends arbeitsunfähig. Nach langjährigem Leiden verstarb Professor Kaufmann im Februar 1872. Mehr als anderthalb Jahrhunderte später wäre es an der Zeit, in ihm weit mehr als „nur“ den Gründer des ersten Eifelvereins zu sehen – obwohl auch das schon verdienstvoll genug war. Verfasser: Gregor Brand

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