Wenn der Berg ruft

Der Moselaner Tobias Treis und der Südtiroler Ivan Giovanett haben eine alte Steillage an der Mittelmosel rekultiviert
und sorgen mit ihrem Sorentberg-Projekt für Furore Text: Ilka Lindemann

„Mit diesem Projekt überschreiten wir Grenzen!“ Ivan Giovanett

Die frischgebackenen Absolventen der verschiedenen Wein-Unis strömen nach der Ausbildung in der Regel in die Weinwirtschaft oder bringen ihr Wissen in den elterlichen Betrieben ein. Manchmal wachsen während des Studiums auch Freundschaften, die später in gemeinsamen Projekten münden. Wie das länderübergreifende Joint-Venture von Tobias Treis und Ivan Giovanett: „Wir haben an der Uni mehr Blödsinn gemacht als studiert“, lacht Ivan Giovanett im Rückblick an die Zeit in Geisenheim. „Hat aber trotzdem geklappt“, grinst Tobias Treis. Beide sind nach dem gemeinsamen Studium 2005 in die elterlichen Betriebe eingestiegen. Tobias Treis’ Eltern bewirtschaften in Reil an der Mosel viereinhalb Hektar und das Weingut der Giovanetts, Castelfeder im Südtiroler Kurtinig, ist mit 50 Hektar ebenfalls ein angesehener Familienbetrieb, der von Günther und seiner Frau Alessandra Giovanett und ihren Kindern Ivan und Ines geführt wird.

Wir treffen die beiden „Grenzgänger“ im „Schöppchengarten“ des Reiler Weinguts Treis und fahren zusammen auf den Sorentberg. Nur auf Bildern haben wir die Lage schon gesehen. Vor allem gibt es Fotos von unwegsamem Gelände mit Dornen und Gestrüpp, das sich inzwischen nach viel harter Arbeit in Junganlagen verwandelt hat.

Also ab auf den Berg. Von Reil aus geht’s los. Unterwegs blicken wir auf die große Moselkurve hinter Pünderich und fahren dann über den Kamm und sechs Kilometer durch den Wald. Schon von weitem sieht man die roten Böden des Sorentbergs. „Das ist unser Alleinstellungsmerkmal, rotliegender Schiefer mit Muscheleinschlüssen – das hat hier sonst keiner“, berichten die beiden dynamischen Jungwinzer, die es kaum abwarten können, bis sie endlich ihren ersten Wein abgefüllt haben. Mit dem Projekt Sorentberg haben sie sich einen Traum erfüllt.

Altem Kartenmaterial zufolge wurde hier bereits um 1870 Wein angebaut, der Sorentberg wurde über 100 Jahre lang bewirtschaftet. Doch in den 1990er Jahren gab ein Weinbergsbesitzer nach dem anderen die Arbeit in dieser Steillage auf. Der Aufwand und der Ertrag standen in keiner Relation mehr.

Wegen heftiger Wildschäden hatten die Winzer extreme Ausgaben und Ertragseinbußen, von der vielen Arbeit ganz zu schweigen. Und so resignierte einer nach dem anderen. Auch das Weingut Julius Treis gab 1989 einen Hektar im Sorentberg auf. Irma Treis erinnert sich, dass zum Teil die Ausbeute eines Tages im „Sorent“ nur bei 400 Litern Most lag: „Davon haben wir nicht mal den Tag finanziert bekommen“, erzählt sie rückblickend. Kein Wunder, dass irgendwann die ganze Weinbergs-lage brach lag

Doch Tobias Treis bekam die Lage, die immerhin die größte zusammenhängende Südlage der Region ist, nicht mehr aus dem Kopf und als eines Tages sein ehemaliger Kommilitone Ivan anrief, weil der eine Frage zur Kerner-Ernte in Südtirol hatte, fragte er, ob er nicht Lust auf ein Riesling-Projekt hätte. Ivan hatte und kam eine Woche später an die Mosel gereist, um den Sorentberg zu begutachten, denn die Idee, einen guten Riesling zu erzeugen, hatte ihn auch schon bewegt. „Wir liefen einen Tag lang quer durch die Lage, haben uns vor Ideen fast überschlagen, und von der Idee bis zum Start der Realisierung dauerte es dann auch nur drei Monate.“

„Meine Eltern haben uns natürlich abgeraten!“, berichtet Tobias Treis, doch wir dachten „denen zeigen wir’s“. Inzwischen unterstützen die Eltern ihre Jungs mit Rat und Tat und sind mächtig stolz auf sie. Jeder allein hätte die Investition nicht getragen, aber zu zweit möchten die beiden sich nun etwas Eigenes aufbauen und ihr Wissen einbringen. So kauften sie nach und nach die Brachflächen, kämpften sich mühsam durch die Dornen und pflanzten erst mal zwei Hektar Riesling an … Und – sie zogen zwei Kilometer Wildzaun um die jungen Reben, um das Gelände vor gefräßigen Tieren zu schützen. 2012 war das. Was so locker klingt und auch auf den dokumentierten Fotos gar nicht richtig rüberkommen kann, wird einem erst klar, wenn man selbst in der Steillage steht. „Wir haben vorher in unserem Leben noch nie so viel geschafft!“, geben die zwei unumwunden zu. Und man glaubt es sofort. Allein fürs Pflanzen haben die beiden zehn Tage gebraucht. Jeder Schritt in der Lage, die eine durchschnittliche Neigung von 70 bis 80 Prozent hat, ist für Städter und Schreibtischtäter ein Abenteuer. Man macht zwei Schritte nach vorne und rutscht fünf Schritte zurück.

Tobias Treis und Ivan Giovanett erweisen sich derweil als geübte Kraxler, schnappen sich jeder eine Hacke und beginnen energiegeladen, damit den Boden zu bearbeiten. Der rote lockere Schieferboden macht es einem nicht einfach, ständig rutschen Steine den Hang runter, man hat Mühe, selbst nicht hinunterzurollen, deshalb halten wir uns vorsichtshalber am Treppengeländer fest, während die „Bergarbeiter“ einen Spruch nach dem anderen klopfen („Wir sind steinreich …“). Sogar die Treppe vom Zufahrtsweg ist übersäht mit Steinen und Geröll, so dass selbst das Treppensteigen zur Gymnastikübung wird. „Einmal habe ich die Treppe vom Geröll freigeschafft“, lacht Ivan Giovanett, „doch zwei Tage später war die wieder voll. Jetzt lassen wir’s!“ Beim Hacken finden die beiden Jungwinzer einige Steine mit Fossilien. „Hier ist die Urmosel vor zwei Millionen Jahren drüber geflossen, deswegen die Muscheleinschlüsse“, erfahren wir beim Fotoshooting im oberen Teil des Weinbergs. Wieder was gelernt. Und Untersuchungen ergaben, dass es sich bei dem Boden um den seltenen Wissenbach-Schiefer aus dem Mitteldevon handelt, der an der Mosel ausschließlich im Sorentberg vorkommt.

Bei traumhaftem Sonnenschein, den auch gefühlte 100 Eidechsen genießen, blauem Himmel und einem Wahnsinns-Ausblick, bekommen wir einen Eindruck, wie besonders die Lage ist und können die beiden gut verstehen Sie schaffen hier auf unverwechselbarem Terroir etwas sehr Individuelles und gehen neue Wege.

Die Pfähle zum Beispiel wurden aus Südtirol eingeführt; Edelrost-Pfähle aus Corten-Stahl, die nicht nur gut aussehen, sondern auch den Vorteil haben, dass sie keinen Zink an den Boden abgeben, was besonders für den Öko-Weinbau ein Problem darstellt. Corten-Stahl bildet unter der Rostschicht eine besonders dicke Sperrschicht, die den Pfahl vor weiterer Korrosion schützt. Außerdem sind die Pfähle besonders haltbar. Tobias Treis und Ivan Giovanett streben biologischen Weinbau an und überlassen nichts dem Zufall. Ausschließlich Riesling soll auf dem Sorentberg angepflanzt werden, die Rebfläche in den nächsten Jahren von 2,5 auf fünf Hektar angehoben werden. Die Reben wurden enger gepflanzt als früher üblich und werden niedriger erzogen, der Biegedraht wurde nicht auf den üblichen 90 Zentimetern gespannt, sondern auf 60 Zentimetern. „Wenn man mit den alten Winzern spricht, sagten die immer, dass in guten Jahren vom Sorent der beste Wein des Hauses kam“, berichtet Tobias Treis. Das beruhigt doch ungemein.

Als Erinnerung an die alten Zeiten wurde eine alte Rebe im oberen Teil des Weinbergs stehen gelassen, die im Jahr 1979 gepflanzt wurde. Und als Glücksbringer dient sie sicher auch. Jetzt fehlt nur noch der Wein und der soll ab dem Jahrgang 2014 auf die Flaschen gefüllt werden. Eins ist gewiss: Wenn zwei junge Männer gut zusammenpassen, dann Tobias Treis und Ivan Giovanett mit ihrem ungebremsten Elan. Mit ihrem länderübergreifenden Projekt stehen die beiden nicht nur für ein gelungenes Joint-Venture, das Projekt steht auch für die Revitalisierung einer brachliegenden Steillage, es ist eine Hommage an den Riesling, ein geniales Marketingkonzept (obwohl es noch keinen Wein gibt) und der Sorentberg – ja, der hat auch seine ganz eigene Ausstrahlung! FOTOS: Thomas Pothmann Quelle: MEININGERS WEINWELT

Projekt Sorentberg
Weingut Treis
Fischelstraße 26 · 56861 Reil
Tel. 06542 900202
www.sorentberg-riesling.de

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