Peter Wilhelm Joseph de Gynetti

Medizinprofessor und kurfürstlicher Leibarzt aus Münstereifel

Peter Wilhelm Joseph de Gynetti
Peter Wilhelm Joseph de Gynetti

Auch wenn er heute selbst vielen Medizinhistorikern unbekannt ist, so gehörte der Eifler Gynetti zu den bedeutenden Ärzten der Endphase des Heiligen Römischen Reiches. Als Medizinprofessor an den Universitäten Köln und Bonn sowie als Leibarzt der letzten Kölner Kurfürsten war der kurkölnische Geheimrat Gynetti eine der gefragtesten medizinischen Autoritäten des Rheinlandes.Gynetti wurde 1735 als fünftes Kind des Wundarztes Peter Wilhelm de Gynetti und dessen Ehefrau Johanna Maria Bollenrath in Münstereifel geboren. Die einige Generationen zuvor aus Italien eingewanderte Familie Gynetti hatte sich inzwischen im Nordeifler Raum ausgebreitet und und war vielerorts mit wohlgestellten alteingesessenen Familien verwandtschaftlich verbunden; die Ehefrau des Wundarztes Gynetti entstammte dem Münstereifler Patriziat. Nach Angaben des Heimatforschers Everhard Hendrichs, dem die ausführlichsten Angaben zu Gynetti zu verdanken sind, besuchte der Wundarztsohn von 1744 bis 1750 das heimische St. Michael-Gymnasium, das von Jesuiten betrieben wurde. Diese dürften es mit Wohlwollen gesehen haben, dass sich ihr Schüler anschickte, Geistlicher zu werden und als 15-Jähriger die ersten entsprechenden Gelöbnisse ablegte. Die jesuitischen Hoffnungen zerschlugen sich jedoch in den folgenden Jahren.

Ob der Widerstand gegen eine geistliche Karriere vom jungen Gynetti selbst ausging oder vielleicht vom Elternhaus kam, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Aus dem weiteren Verlauf von Gynettis Biographie kann man immerhin schließen, dass ein zölibatäres Leben nicht seine Sache war: Am Johannistag 1766 heiratete Gynetti in Köln seine Halbkusine Scholastica Tils; die Ehe war mit mehreren Kindern gesegnet. Zum Zeitpunkt seiner Heirat hatte Gynetti bereits ein erfolgreiches Medizinstudium an der Universität Köln hinter sich und verfügte zudem über praktische Erfahrung als Arzt in Köln. Die Eheschließung mit der Tochter des Kölner Stadtjuristen Tils dürfte seine Einbindung in die einflussreichen Netzwerke des Kölner Bürgertums gefördert haben. 1772 wurde Gynetti als Professor für Chirurgie an die Universität Köln berufen.

Damit geriet der Mediziner aus Münstereifel auch in den Weltanschauungskampf seiner Zeit, in denen es um die Vereinbarkeit von religiösen mit wissenschaftlichen Lehren ging. Professor Gynetti war kein Revolutionär, aber er distanzierte sich deutlich von manchen religiös geprägten medizinischen Auffassungen, auch wenn ihn dies in Konflikt mit christlich-konservativ gesonnenen Kollegen und sonstigen Zeitgenossen brachte. Deutlich wurde dies etwa bei Gynetti-Vorträgen um 1775, als er sich des medizinischen Fortschritts wegen für anatomische Untersuchungen an Leichen aussprach. Auf sein Drängen hin wurde in Köln ein neuer Hörsaal für Anatomie eingerichtet. Seine Vorlesungen waren gefragt und spätestens nach seiner Ernennung zum Professor Primarius im Jahr 1781 galt Gynetti als Kölns renommiertester Mediziner.

Umso schmerzlicher wurde in der Domstadt empfunden, dass er 1783 an die erst sechs Jahre zuvor von Kurfürsten Max Friedrich gegründete Akademie in Bonn wechselte. Obwohl Professor Gynetti vom Wechsel finanziell enorm profitierte – er verdiente in Bonn mit 1.300 Reichstalern mehr als viermal so viel wie seine Kollegen – spielten auch inhaltliche Gründe eine Rolle. Die Bonner Akademie, die 1786 zur Universität erhoben wurde, war vom aufklärungsfreundlichen Kurfürsten als Heimstätte des medizinischen Fortschritts konzipiert worden – da durfte der Aufklärer Gynetti nicht fehlen. Der Medizinhistoriker Walter Bruchhausen wies darauf hin, dass Gynetti gegenüber neueren medizinischen Theorien sehr aufgeschlossen war und sich deswegen von christlichen Gegnern dem Vorwurf einer materialistischen Weltsicht ausgesetzt sah. Gynetti seinerseits sparte nicht mit Kritik an den altmodischen Ansichten mancher Kollegen. In Bonn lehrte Gynetti nicht nur Physiologie und (medizinische) Semiotik, sondern auch Botanik. Die Einrichtung des ersten Bonner botanischen Gartens geht maßgeblich auf ihn zurück.

Die politischen Entwicklungen verhinderten ein längeres gedeihliches Wirken. Das Heranrücken der französischen Revolutionstruppen zwang den Kurfürsten 1794 zur Flucht, die Revolutionswirren brachten den Universitätsbetrieb zeitweise zum Erliegen. Gynetti nahm 1795 seine Vorlesungen zunächst wieder auf, war aber wie seine Kollegen nicht ohne weiteres bereit, den Eid auf die französische Republik zu leisten. Die Streitigkeiten endeten 1798 mit der Schließung der Bonner Universität durch die Franzosen. Professor Gynetti verbrachte anschließend seine letzten Lebensjahre zurückgezogen in Köln. Dort verstarb der große Mediziner 1804 infolge eines Schlaganfalls. Das überaus segensreiche Wirken seines Münstereifler Landsmannes Friedrich Joseph Haas (1780–1853), des weltberühmten „Heiligen Doktors von Moskau“, erlebte er nicht mehr. Es hätte ihn sicher mit Stolz und Freude erfüllt.

Verfasser: Gregor Brand

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