Rudolf Haubst

Cusanusforscher von Weltrang aus Maring

Rudolf Haubst
Rudolf Haubst

Obwohl der vor 550 Jahren verstorbene Philosoph, Universalgelehrte und Kirchenfürst Nikolaus Cusanus (1401–1464) zu den Meisterdenkern der europäischen Kultur gehört, ist es keine Selbstverständlichkeit, dass sein geistiges Erbe von Generation zu Generation weitergetragen und tiefer ergründet wird. Unter denjenigen Gelehrten, die diese erstrangige kulturelle Leistung im 20. Jahrhundert erbrachten, nimmt dessen Landsmann Rudolf Haubst einen Spitzenplatz ein. Rudolf Haubst wurde 1913 als Sohn der Winzerleute Matthias Haubst und Angela (geborene Lichter) nur wenige Kilometer vom Geburtshaus des Kardinals entfernt in Maring geboren. Zusammen mit dem späteren Pfarrer Josef Schmitt besuchte er die Volksschule Maring.

Von Pfarrer Peter Esch wurden die beiden aufgeweckten Dorfjungen auf den Wechsel zum Trierer Kaiser-Wilhelm-Gymnasium vorbereitet. 1932 machten Schmitt und Haubst ihr Abitur und studierten danach wieder gemeinsam Philosophie und Theologie am Trierer Priesterseminar, ehe sie am 1. August 1937 von Bischof Bornewasser zu Priestern geweiht wurden. Der 26-jährige Jungpriester Haubst trat daraufhin Kaplanstellen in Koblenz und Trier an, bevor er wie fast alle seiner Jahrgangskameraden in den Krieg musste, wo er von 1941 bis 1945 als Sanitäter eingesetzt wurde.

Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft im August 1945 war Haubst stärker denn je davon überzeugt, dass in Europa die christlichen Fundamente erneuert werden müssten. Die bald folgende Ernennung zum Religionslehrer und Rektor am franziskanischen Mädchengymnasium Nonnenwerth im Rhein bezeugte das Vertrauen seines Bischofs sowohl in seine pädagogischen Fähigkeiten als auch in seine sittliche Standfestigkeit. In jenen frühen Nachkriegsjahren fiel die endgültige Entscheidung Haubsts, seiner theologischen Berufung nicht primär als Seelsorger, sondern als Lehrer und Wissenschaftler zu folgen. An der Universität Bonn nahm er neben seiner Unterrichtstätigkeit ein neues Studium auf, das er 1948 erfolgreich mit dem Staatsexamen in Religion, Philosophie und Latein abschloss. Sofort ging es weiter mit Arbeit an der Dissertation.

Das Ergebnis war ein theologisches Glanzstück: Haubsts Doktorarbeit über „Das Bild des Einen und Dreieinen Gottes in der Welt nach Nikolaus von Kues“ erhielt die Bestnote summa cum laude und ließ die Cusanus-Experten aufhorchen: „Das Buch ist heute noch, mehr als 60 Jahre nach seinem Erscheinen, ein Standardwerk“, urteilte Prof. Walter Andreas Euler im Jahr 2013 bei einer Gedenkfeier anlässlich des 100. Geburtstages von Rudolf Haubst. Noch vor der Veröffentlichung der Arbeit war seinerzeit die Kunde von Haubsts cusanischem Fachwissen bis zu dem in Köln lehrenden Prof. Josef Koch (1885–1967) gedrungen. Der Münstereifeler Koch lud Haubst im Juni 1950 ein, im Rahmen der textkritischen Edition aller Cusanus-Schriften die Herausgabe von dessen gewaltigem Predigtwerk zu übernehmen.

Dies war der Beginn einer Lebensaufgabe, die erst nach dem Tod von Haubst mit der anfangs von vielen für unmöglich gehaltenen wissenschaftlichen Edition aller 293 erhaltenen Predigten (Sermones) des Cusanus abgeschlossen wurde. Auf die Initiative von Haubst, der 1955 mit einer Studie über „Die Christologie des Nikolaus von Kues“ habilitiert worden war und seit 1958 als Professor für Dogmatik und theologische Propädeutik an der Universität Mainz lehrte, ging die 1960 erfolgte Gründung des Cusanus-Instituts zurück. Es hatte seinen Sitz zuerst in Mainz, ehe es auf Drängen von Haubst 1981 offiziell nach Trier verlegt wurde. Haubst hielt diesen Umzug aus organisatorischen Gründen für sinnvoll, obwohl damit für ihn – er wohnte weiterhin bei seiner Nichte Mechthild Zenz in Mainz – zusätzliche Belastungen verbunden waren.

Die Arbeitskraft des Winzersohnes war allerdings enorm. Er stellte sie weitgehend in den Dienst der Cusanus-Forschung, auch wenn sein wissenschaftliches Interesse weiter reichte, wie etliche seiner über 200 Veröffentlichungen bezeugen. Haubst war Gründungsvorsitzender der Cusanus-Gesellschaft, deren international ausgerichtete Arbeit er jahrzehntelang wesentlich förderte. Auch wenn sein Lebensmittelpunkt im Umkreis der cusanischen Heimatregion verankert blieb, so erstreckte sich das Netzwerk seiner Kontakte bis nach Ostasien und in die USA. Der kluge Rat des Maringer Gelehrten wurde von japanischen Cusanus-Forschern wie K. Yamaki oder S. Oide ebenso geschätzt wie von dem amerikanischen Cusanus-Übersetzer Jasper Hopkins.

Professor Haubst wurde vielfach geehrt, sei es durch das Bundesverdienstkreuz I. Klasse oder die Ernennung zum päpstlichen Ehrenprälaten. Innerlich noch stärker bewegt hat ihn vielleicht eine andere seltene Würdigung: Anlässlich ihres Goldenen Priesterjubiläums am 1. August 1987 erhielt er zusammen mit Pfarrer Josef Schmitt, seinem alten Freund aus Kinder- und Studientagen, die Ehrenbürgerwürde seiner geliebten Heimatgemeinde Maring-Noviand. Fünf Jahre später verstarb Professor Rudolf Haubst in der Hitze des Jahrhundertsommers 1992 in Mainz.

Verfasser: Gregor Brand

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen