Blankes Entsetzen und Fassungslosigkeit in Kelberg

Flächennutzungsplan gekippt – Abstimmungsverfahren fragwürdig

Kelberg. In einer kurzfristig einberufenen öffentlichen Sitzung des VG-Rates am vergangenen Donnerstag sollten die Ratsmitglieder über die weitere Vorgehensweise und über eine Auftragsvergabe zur Fortschreibung des Flächennutzungsplanes (FNP) „Teilbereich Windkraft“ beraten und ab-
stimmen.

In der Erläuterung zum Beschlussvorschlag ist ausgeführt, dass aufgrund der eingegangenen Stellungnahme der Kreisverwaltung Vulkaneifel erhebliche Nachbesserungen beim Natur-, Arten- und Landschaftsschutz gefordert werden. Die Untere Naturschutzbehörde verlangt, die noch nicht untersuchten rund 200 Greifvogelhorste vor einer erneuten Offenlage auf der Grundlage des Leitfadens „Naturschutzfachlicher Rahmen zum Ausbau der Windenergie in Rheinland-Pfalz“ zu untersuchen und zu bewerten. Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung für die Naturschutzgebiete „Eifelmaare“, „Moselhänge und Nebentäler der unteren Mosel“ und der „Wälder um Bongard“ wird ebenfalls eingefordert.

„Aus den Forderungen der unteren Naturschutzbehörde ist somit zu schließen, dass eine vollständige Anpassung und Überarbeitung der Planunterlagen, sowie eine Änderung / Fortschreibung des Landschaftsplans notwendig wird“, so die Aussage der Kelberger Verwaltung.

Die VG folgert, dass sich aufgrund der Forderungen der Unteren Naturschutzbehörde die bisher geplanten Zeitvorgaben für die Beendigung des Genehmigungsverfahren bis Herbst 2017 nicht einhalten lassen und es inklusive weiterer Offenlagen erst im Jahr 2019 zu einem Abschluss des Verfahrens kommen würde.

Mit den nötigen Untersuchungen ergeben sich aus den geforderten Maßnahmen weitere Gutachterkosten im FNP-Verfahren von insgesamt rund 202.000 Euro. Der VG-Rat sei nun aufgefordert, über das weitere Verfahren abzustimmen und die beantragten zusätzlichen Finanzmittel zu genehmigen, heißt es in der Vorlage.

Der Fraktionsvorsitzende der „Wählergruppe Sturm im Wald e.V.“ (SiW), Markus Ewinger, vermutete bereits vor der Sitzung in dem Verfahrensvorschlag eine klare Taktik, die Mitglieder der Verbandsgemeinde zu einer Ablehnung der weiteren Planung zu bewegen, um nach einem Abbruch des FNP-Verfahrens „Teilbereich Windkraft“ die „Privilegierung im Außenbereich“ nach dem Baugesetzbuch zu erreichen. Damit wäre dem Wildwuchs und der Verspargelung der Landschaft Tür und Tor geöffnet.

„Der ganze Beschlussvorschlag ist so aufgebaut, dass wir befürchten, dass die Erteilung der Aufträge an das Planungsbüro über 202.000 Euro abgelehnt werden soll. Ein Ende der Flächennutzungsplanung in der VG Kelberg führt im weiteren Verlauf des Verfahrens zur Privilegierung. Bei einer Privilegierung können, laut Gesetz, fast überall und von jedem Windkraftanlagen in der VG Kelberg beantragt werden, die dann bis auf 1.000 Meter an die Wohnhäuser herangebaut werden können.

Er fragt sich: „Was geschieht mit den bisher im FNP durch Abwägung herausgenommen Flächen wie zum Beispiel der 2.000-Meter-Abstand zu den Ferienparks und welche Auswirkungen hat dies auf die kurz bevorstehenden Investitionen des Center Parcs Eifel in Gunderath. Welchen Einfluss hätte eine Schließung des Ferienparks auf die Gebührenkalkulation „Wasser und Abwasser“ der VG Kelberg und die weit über 200 Arbeitsplätze im Ferienpark?“ „Warum folgt die VG nicht den weiteren Hinweisen der Kreisverwaltung, indem man Flächen reduziert oder herausnimmt, die offenbar nicht genehmigungsfähig oder wirtschaftlich sind? Zum Beispiel Bereiche mit zu geringer Windhöffigkeit, mit hoher oder sehr hoher Bewertung im kulturlandschaftlichen Gutachten oder mit zu geringem Abstand zu den Naturschutzgebieten. Mit einem solchen Schritt könnten direkt enorme Kosten gespart werden und die Aussicht auf Genehmigung würde sich deutlich erhöhen“, so Ewinger.

Dr. Reinhold Jansen (SiW) „Das Planungsbüro Sprengnetter und Partner war seit 2012 beratend für die VG tätig, um einen rechtssicheren FNP zu erarbeiten. Für diesen Auftrag hat die VG Kelberg bis heute weit über 200.000 Euro bezahlt. Die notwendigen Nachbesserungen haben scheinbar auch mit erheblichen Mängeln in der abgelieferten Arbeit des Planungsbüros Sprengnetter und Partner zu tun. Wir fragen uns, warum die VG hier nicht die notwendige Nachbesserung eingefordert hat. Jeder Handwerkerbetrieb wird dazu verpflichtet seine Gewerke ohne Mängel auszuführen und muss ansonsten nachbessern.“

Auch die weitere Einbindung der VG in den Planungsprozess wie auch die Möglichkeiten der 33 Gemeinden der VG, auf den weiteren Verlauf der Planung Einfluss zu nehmen, ist ungeklärt. Aufgrund der vielen unsicheren Folgen bedarf eine solche Entscheidung der umfassenden Prüfung und Information über die Risiken eines solchen Schrittes. „Das ist bisher nicht durch die Verwaltung geleistet worden. Damit hätte sich eine Vertagung des Beschlusses und eine weitere umfassende Information der Ratsmitglieder vor der Abstimmung geradezu aufgedrängt“, so Dr. Jansen. Gleich zu Beginn der Sitzung überraschte SPD-Mitglied Berthold Engelhardt Ratsmitglieder und Zuhörer mit einem radikalen und kompromisslosen Antrag: Er beantragte das Flächennutzungsplan-Verfahren der Verbandsgemeinde Kelberg komplett einzustellen.

Werner Ritter (CDU) beantragte daraufhin, wie bereits im Dezember 2016 durch den VG-Rat beschlossen, nur die Artenschutzprüfung in Auftrag zu geben, damit könne die VG Gutachterkosten über rd. 180.000 Euro einsparen. Nach einer 3. Offenlage im Sommer könnte man dann im Herbst 2017 den FNP bei der Kreisverwaltung zur Prüfung und Genehmigung vorlegen. In diesem Zusammenhang stellte er auch die Frage an Bürgermeister Karl Häfner, ob die VG-Verwaltung Gespräche mit der Kreisverwaltung zu den geforderten Nachbesserungen geführt habe. Darauf erwiderte Häfner, dass die Kreisverwaltung ihn nicht kontaktiert habe.

Dr. Reinhold Jansen (SiW) stellte einen weiteren Antrag, dass ein pauschaler Schutzabstand von 1.500 Meter zu den Naturschutzgebieten in den FNP aufgenommen wird, um somit die Kosten um rd. 120.000 Euro zu reduzieren. Da der Antrag von Berthold Engelhardt (SPD) auf Einstellung der Flächennutzungsplanung der weitestgehende Antrag war, wurde über diesen zuerst abgestimmt:

Für die Windräder

Bürgermeister Karl Häfner (CDU) sowie zehn weitere Mitglieder der Verbandsversammlung aus den Reihen der CDU (Albert Berens, Franz-Josef Simon, Thorsten Krämer), Unabhängigen (Michael Hoffmann, Walter Eich, Tanja Kracht), SPD (Berthold Engelhardt, Peter Burggraf), sowie die zwei Abgeordneten der FDP (Reinhard Stein) und der FWG (Erich Mohrs) waren für die Beendigung des FNP „Teilbereich Windkraft“.

Gegen die Windräder

Gegen die Beendigung des FNP Verfahrens „Teilbereich Windkraft“ in Kelberg votierten acht Mitglieder von CDU (Josef Heimer, Markus Klasen, Thomas Grötz, Werner Ritter), Sturm im Wald (Manfred Borm, Markus Ewinger, Reinhold Jansen) und Peter Kühbach von den GRÜNEN.

„Entschuldigt fehlten die Ratsmitglieder Peter Burggraaff, Alois Kapell, Sarah Schlösser von der CDU und Martin Michels von der SPD. Hier stellt sich die Frage, ob der Antrag mit diesen vier Ratsmitgliedern evtl. keine Zustimmung erhalten hätte.“ so Markus Ewinger. Damit war die von Eigeninteressen belastete FNP Planung „Teilbereich Windkraft“ der letzten fünf Jahre in zwei Minuten vom Tisch gewischt.

Landschaftszerstörung durch Windkraftinvestoren

Dr. Reinhold Jansen (SiW) ist entsetzt: “Somit wurde der Ausverkauf der geschützten Kelberger Landschaft an die Windkraftinvestoren eingeleitet bevor dann demnächst die Kommunalreform das Schicksal dieser VG besiegelt. Wer unter dem Einfluss von Sonderinteressen, in den vergangenen Sitzungen mussten teilweise die Hälfte der Ratsmitglieder den Beratungstisch verlassen, die Steuerung der Windkraft aus den Händen gibt zugunsten einer planlosen Verspargelung dieser Region, der hat jedes Vertrauen der Bürger verspielt.“

„Wir halten die Rechtmäßigkeit dieser Abstimmung für fragwürdig. Wurde doch der ursprünglich vorliegende Abstimmungsantrag der Verwaltung übergangen und nicht berücksichtigt. Zu diesem Antrag wurden drei Ratsmitglieder von Bürgermeister Karl Häfner gebeten, wegen Sonderinteressen den Beratungstisch zu verlassen. Diese Ratsvertreter haben aber dann bei dem Antrag der SPD mitgestimmt. Es wurde auch nicht vor der Abstimmung überprüft, inwiefern einzelne Mitglieder der Verbandsversammlung aus einer Beendigung des FNP-Verfahrens persönliche Vorteile hätten und so in ihrem Abstimmungsverhalten befangen wären“, so Markus Ewinger. Damit ist für „Sturm im Wald“ eine Überprüfung der Abstimmung auf Verfahrensmängel angesagt. „Mit diesem Votum sollte sich die Kommunalaufsicht des Kreises befassen. Wir werden hier tätig werden.“

Bei den bis in den Flur stehenden Zuhörern herrschte nach der Abstimmung Sprachlosigkeit, Kopfschütteln und Ratlosigkeit. Robert van der Kas, Geschäftsführer des Center Park „Eifel“ in Gunderath: „Wir sind geschockt und machen uns große Sorgen. Wenn die bisher geplanten 2.000 Meter Abstand zu den Ferienparks wegfallen, wird sich das mit Sicherheit auf das Gästeaufkommen auswirken. Unsere Besucher kommen wegen der unberührten Natur. Die wollen im Urlaub keine Windräder sehen.“ Der Center Park hatte vor, ca. 30 Millionen Euro in den nächsten zwei Jahren in der Region zu investieren. „Wir waren kurz vor dem Abschluss der Verträge. Darüber müssen wir nun nachdenken.“

Landschaftsbildanalyse der VG Kelberg

Erste Stellungnahme zum Ratsbeschluss

Ich bin entsetzt, über die Entscheidung des VG-Rates Kelberg, die Aufstellung des Flächennutzungsplanes Windkraft einzustellen. Die VG hat damit die einzige Steuerungsmöglichkeit zum Bau von Windkraftanlagen aus der Hand gegeben und dies zu Gunsten der Grundstückseigentümer und der Windkraftindustrie. Die Kreisverwaltung Vulkaneifel hatte lediglich eine ordentliche Flächennutzungsplanung gefordert, welche jetzt vordergründig aus Kostengründen eingestellt wurde. Diese Begründung ist kaum erklärbar, da die Planungskosten durch spätere Windpachteinnahmen refinanziert werden.

Bedauerlich ist für mich auch die Tatsache, dass mein Antrag auf eine Bürgerbefragung vor zwei Jahren, durch eine Mehrheit des VG-Rates abgelehnt wurde. Ziel meines Antrages war es, die Meinung der Bürger zum Thema Windräder in der VG-Kelberg zu erfragen und damit den Ratsmitgliedern die Möglichkeit einer Entscheidung im Sinne der Bürger zu ermöglichen.

Nun ist zu befürchten, dass die Gier nach Windrad-Pachteinnahmen zu Wildwuchs, wie im Hunsrück führt und unsere Heimat in vielfältiger Weise geschädigt wird.

Bleibt zu hoffen, dass die Windräder hinter dem Ferienpark dennoch nicht gebaut werden und Schaden vom größten Ferienpark des Landes Rheinland-Pfalz, dem Center Parcs Park Eifel in Gunderath, abgewendet werden kann. Auch die circa 250 Mitarbeiter und die vielen Handwerks- und Zulieferbetriebe werden dies sicherlich hoffen. Immerhin wird durch die Gäste des Ferienparks eine jährliche Brutto-Wertschöpfung von weit über 35 Millionen Euro in der VG-Kelberg erwirtschaftet.

Werner Ritter, Geschäftsführer Touristik GmbH Oberes Elztal, Uersfeld

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