Johann Peter Brandenburg

251_brandenburg_35_15– Oberbürgermeister von Pforzheim aus Kronenburg

Die am Nordrand des Schwarzwalds gelegene badische Großstadt Pforzheim wurde nach dem 2. Weltkrieg fast zwei Jahrzehnte lang von dem 1905 in Kronenburg geborenen Juristen Dr. Johann Peter Brandenburg regiert. Diese „Ära Brandenburg“ stand stark im Zeichen des Wiederaufbaus – kein Wunder, dass der tatkräftige Nordwesteifler auch als „Wiederaufbaubürgermeister“ bezeichnet wurde. Was Wiederaufbau im Fall Pforzheims bedeutete, kann nur ermessen, wer um das fürchterliche Schicksal der wegen ihrer Schmuck- und Uhrenbetriebe so genannten „Goldstadt“ kurz vor Kriegsende weiß. Am 23. Februar 1945 griffen Bomber der Royal Air Force Pforzheim an. Bei dem gezielt ausgelösten Feuersturm verbrannten und erstickten über 20 000 Menschen – etwa ein Drittel der damaligen Einwohnerschaft; weithin war die Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Der Schriftsteller Alfred Döblin („Berlin Alexanderplatz“) schrieb in einem Brief: „Pforzheim kannst Du vom Atlas streichen.“ So war die Situation, als Brandenburg im Juni 1945 in Pforzheim ankam – in der Heimatstadt seiner Frau Annemarie Tritschler.

Brandenburg, dessen Familie in Kronenburg außer Landwirtschaft auch ein Kalkwerk betrieb, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine erfolgreiche juristisch-kaufmännische Karriere hinter sich. Der Erstgeborene der Eheleute Heinrich Brandenburg und Lucia Dederichs studierte nach dem Abitur 1927 Jura und Staatswissenschaften und schloss dieses – von einer mehrjährigen Krankheitspause unterbrochene – Studium 1934 mit dem Referendar-Examen und der Promotion ab. Anschließend arbeitete er bis 1941 für die Rhenania-Ossag Mineralölwerke AG in Köln, zuletzt als Leiter der Abteilung Verkauf. Die letzten drei Kriegsjahre verbrachte er in gleicher Funktion bei der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG an verschiedenen Standorten. Kurz nach der Ankunft in Pforzheim 1945 machte der von der US-Besatzungsmacht ernannte Oberbürgermeister Friedrich Adolf Katz den politisch unbelasteten Katholiken Brandenburg zum Sparkassendirektor. Bald darauf engagierte sich der Liberale Brandenburg, der sich zeitweise auch als Zeitungsherausgeber versuchte, in der Politik. 1946 kandidierte er mit Erfolg für die DVP bei der Wahl zum ersten frei gewählten Pforzheimer Stadtrat und wurde anschließend zum Stellvertreter des Oberbürgermeisters Katz und zum ersten Bürgermeister gewählt. Als Katz 1947 zurücktrat, wählte erst der Stadtrat, dann im Februar 1948 auch die Bevölkerung den Kronenburger zum Pforzheimer Oberbürgermeister. Nach sechsjähriger Amtszeit erfolgte 1954 die Wiederwahl für weitere zwölf Jahre. Mit großer Energie setzte sich OB Brandenburg für die Schaffung von Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten für die Einwohner der kriegsverwüsteten Stadt ein. Um Bebauungspläne und konkrete Vorhaben wurde lange gestritten; die Pforzheimer waren sich meist wenig einig darin, wie man beim Wiederaufbau am besten vorgehen sollte. Nach Angaben seiner Biographin Dr. Heide Hammel war Brandenburg offenbar kein überzeugter Anhänger des alten, traditionellen Pforzheim mit seinen oft dicht beinander stehenden Fachwerkbauten. Wie viele deutsche Kommunalpolitiker der Nachkriegszeit legte er weit weniger Wert auf Tradition als auf Modernität: „Von einem wissen wir uns frei: von Großvätertendenzen“. Dass der Jurist und Politiker allerdings kein geschichtsvergessener Technokrat war, zeigte sich vielfach: etwa bei seinem Engagement, die Erinnerung an das NS-Unrecht wachzuhalten oder an seinem Einsatz um das Gedächtnis an den großen Sohn Pforzheims, den Humanisten Johannes Reuchlin. Während sich anlässlich von Reuchlins 500. Geburtstag 1955 die Idee zur Stiftung eines Reuchlin-Preises schnell durchsetzen konnte, wurde um den Bau des von Brandenburg favorisierten Reuchlin-Hauses jahrelang erbittert gestritten. Als er nach heftigem Wahlkampf die OB-Wahl 1965 gegen den von der SPD unterstützten Willi Weigelt verlor, verlieh ihm der Rat die Ehrenbürgerwürde Pforzheims – nur eine von vielen Ehrungen Brandenburgs, dessen familiäres Glück 1957 in der Geburt einer Tochter gipfelte.

Wegen Brandenburgs Bedeutung für das Nachkriegspforzheim könnte übersehen werden, dass er von der Gründung Baden-Württembergs an auch eine gewichtige Rolle in der Landespolitik spielte. Für die DVP, später die FDP/DVP, saß er über mehrere Legislaturperioden im Landtag – keineswegs als Hinterbänkler, sondern zeitweise als Vorsitzender der FDP/DVP-Fraktion und lange als Landtagsvizepräsident. 1975 erklärte der spätere Ministerpräsident Lothar Späth, Brandenburg habe den Stil des Landtags geprägt. Der gebürtige Rheinpreuße war für seine Ernsthaftigkeit und Disziplin ebenso bekannt wie für seine gentlemanhafte Art – Eigenschaften, die in den siebziger Jahren allerdings vielen unzeitgemäß erschienen. 1976 schied der Altliberale Dr. Brandenburg, dem gesundheitlich eine Angina pectoris schwer zusetzte, aus dem Landtag aus. Der Eifler Jurist wurde zwar 1976 noch Verfassungsrichter am Staatsgerichtshof, er starb jedoch bereits ein Jahr später in seiner Wahlheimat Pforzheim.

Verfasser: Gregor Brand

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