Johannes Theis

– Bibelexeget und Altorientalist aus Oberweis

289_johannes_theis_21_16Das Westeifeldorf Oberweis mit seinen weniger als 600 Einwohnern musste mehrfach in seiner Geschichte enorme Bevölkerungsverluste hinnehmen. Während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges wurde das Bauerndorf fürchterlich vom Hexenwahn heimgesucht. Im 19. Jahrhundert wanderten unglaublich viele Oberweiser nach Amerika aus. Dass sich der Ort an der Prüm trotzdem zahlenmäßig gut behaupten konnte, lag am einst typischen Kinderreichtum der Westeifel, für den auch die Familie von Johannes Theis ein schönes Beispiel lieferte: Der 1878 geborene spätere Priester und Professor, Sohn eines Müllers, wuchs im Kreis von über einem Dutzend Geschwister auf. Die Theis-Sippe war in den Dörfern um Oberweis, die zum Eifler Stockerbengebiet mit seinem altertümlichen – möglicherweise auf altsächsische Ansiedlung zurückgehenden – Erbrecht gehörten, alteinheimisch. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde Michel Theis als Oberweiser Bürgermeister genannt.

Die Müllerfamilie schickte ihren sehr sprachbegabten Spross zur höheren Schule nach Prüm. Dort wohnte er im Bischöflichen Konvikt und besuchte das Gymnasium, das erst 1892 vom Progymnasium zum königlich-preußischen Vollgymnasium geworden war und seit 1926 den Namen von Abt Regino führt. Auf das Abitur folgte in Trier ein vierjähriges Studium von Theologie und Philosophie, ehe Johannes Theis am Josefstag 1904 im Trierer Dom zum Priester geweiht wurde – für Verwandte und das ganze Heimatdorf ein stolzer Festtag. Drei weitere Jahre verbrachte der Jungkaplan in Koblenz (St. Kastor), ehe er zu Ostern 1907 mit der Einschreibung an der Universität Berlin die Weichen für eine akademische Laufbahn stellte. Theis spezialisierte sich auf altorientalische Sprachen und die Exegese des Alten Testaments und besuchte Vorlesungen weltberühmter Gelehrter in diesen Bereichen. Zwei Dissertationen waren Früchte dieses Studiums: 1910 wurde Theis mit einer Abhandlung über „Geschichtliche und literarkritische Fragen in Esra 1-6“ Doktor der Theologie, im Dezember 1913 erwarb er mit einer 32-seitigen Abhandlung über „Altbabylonische Briefe“ zusätzlich den philosophischen Doktorgrad. Bereits zuvor war der Oberweiser Gelehrte im April 1913 zum Professor für Altes Testament und orientalische Sprachen am Trierer Priesterseminar ernannt worden. Johannes Theis lehrte und forschte fortan ein Vierteljahrhundert lang in Trier, ehe er 1938 in den Ruhestand trat. In diesem dramatischen – von Weltkrieg, Wirtschaftskrisen und Weltanschauungskämpfen geprägten – Zeitraum unterrichtete Theis „ganze Generationen von Trierer Bistumsklerikern in alttestamentlicher Exegese, aber auch in der aramäischen und hebräischen, bisweilen auch in der türkischen Sprache“, wie Martin Persch im Bautz-Kirchenlexikon berichtete. Persch (1948-2013), langjähriger Leiter des Trierer Bistumsarchivs, hatte den dort aufbewahrten Nachlass von Professor Theis erforscht und wies darauf hin, dass sich dort noch ungedruckte Arbeiten von Theis befinden. Von den vielen veröffentlichten Publikationen des Westeifler Altorientalisten ist bis heute besonders sein Buch über „Friedrich Delitzsch und seine ‚Große Täuschung‘ oder Jaho und Jahwe“ beachtenswert. Theis wendet sich darin scharf gegen Thesen seines einstigen Berliner Lehrmeisters, des berühmten Assyriologen und Kenners der semitischen Sprachen Professor Friedrich Delitzsch (1850-1922), der sich außerordentlich kritisch über den historischen und religiösen Wert des Alten Testaments geäußert hatte. Die Thematik war in mehrfacher Hinsicht hochbrisant.
Einerseits bedrohten die Argumente von Delitzsch eine Grundfeste sowohl der jüdischen als auch der christlichen Religion. Zum anderen konnten seine religionskritischen Darlegungen auch zur Waffe von Antisemiten werden. Theis waren diese Aspekte höchst bewusst und seine heftige Kritik an Delitzsch – die ihm wohl nicht leichtfiel – ist erkennbar auch von der Motivation getragen, mit den jüdischen Wurzeln das Christentum selbst zu verteidigen und den Gegnern gefährliche Waffen aus ihrem geistigen Arsenal zu entreißen. Theis befürchtete, dass Leser von Delitzsch Anregungen schöpfen könnten, „die dann zum Schaden des deutschen Volkes den Religionswirrwarr, Rassenhass und Parteihader vergrößern helfen“. Bilanzierend nennt Theis das Werk von Delitzsch „eine trostlose Arbeit in trostloser Zeit“, die darauf abziele, „das Christentum Christi und seiner Kirche zu zerstören“.

Trotz seines Ruhestands blieb Professor Theis aktiv seinem Priesteramt verbunden und half in den Notjahren von Weltkrieg und Nachkriegszeit von seinem Oberweiser Elternhaus aus – wo er wieder wohnte – vielerorts als Seelsorger. Diese geistliche Tätigkeit blieb ihm sehr wichtig, fiel ihm aber auch zunehmend schwer, da er neben den Beschwernissen des Alters vor allem von einem schweren Augenleiden geplagt wurde. Professor Theis, ein „treuer Sohn der Bitburger Heimat“ (so Hermann Ries 1952) starb im Mai 1949 in seinem Geburtsort, wo er auch beigesetzt wurde.

Verfasser: Gregor Brand

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