Kalte Progression abschaffen!

Im Jahre 2002 trat die 3. Stufe des von der damaligen Bundesregierung unter Gerhard Schröder verabschiedeten Steuerentlastungsgesetzes in Kraft. Leider wurde vor und danach die sogenannte kalte Progression nicht abgeschafft. Die Gesamtbelastung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber übersteigt bereits bei einem Bruttogehalt von 4.000 Euro pro Monat von über 50 %. Bei 4.000 Euro Brutto sollten aber inkl. Arbeitgeberbeiträgen fast 4.800 Euro aus der jeweiligen Firmenkasse fließen. Davon kommen dann nur etwa 2.365,00 Euro beim Arbeitnehmer an. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass gerade in den Großstädten eine Wohnung meist mehr als 1.000 Euro im Monat kostet. Deshalb muss das Thema der Abschaffung der kalten Progression von der nächsten Bundesregierung sofort angepackt werden. Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sagte am 11. Mai 2017 in einem Interview der Rheinischen Post vor 600 geladenen Gästen, dass das Thema der Abschaffung der kalten Progression von ihr angegangen wird.  

Kalte Progression:
Unter diesem Begriff versteht man die Steuermehrbelastung, die im zeitlichen Verlauf entsteht, wenn die Eckwerte eines progressiven Steuertarifes die Preissteigerungsrate (Inflation) nicht berücksichtigt.

Einer aktuellen Studie der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development – Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zufolge, die im April 2017 veröffentlicht wurde, gehört Deutschland bei der Belastung der Arbeitseinkommen durch Steuern und Sozialabgaben weiterhin zu den Spitzenreitern im Ranking der Industrienationen. Einzig in Belgien, so das Ergebnis, liegt die Steuerlast für einen alleinstehenden Durchschnittsverdiener noch höher.
Gegenübergestellt wurden in der Studie alle 34 zum OECD-Raum gehörenden Industrie-Länder aus fast allen Regionen der Erde. Das Staatenbündnis kommt auf eine Einwohnerzahl von 1,28 Milliarden Menschen – ca. 18 % der Weltbevölkerung.

Steuerlast in Deutschland
Vor der Steuerreform aus dem Jahr 2002 begann der Spitzensteuersatz beim 17-fachen, 12-fachen und später 7-fachen des Durchschnittseinkommens und lag bei 56 und später auch bei 53 Prozent. Das Bündnis aus Rot-Grün, welche die damalige Kohl-Regierung ablöste, beschloss in ihrer Steuerreform, den Spitzensteuersatz auf 42 % zu senken – und das bei einer wesentlich geringeren Einkommensgrenze. Diese liegt zurzeit bei 53.665,00 Euro und entspricht nur noch dem 1,2-fachen des Durchschnittseinkommens. Dies hat zur Folge, dass aus dem sogenannten ehemaligen Mittelstands- ein Arbeitnehmerbauch geworden ist – was nichts weiter bedeutet, als dass die Hauptlast der Steuerabgaben bei den unteren und mittleren Einkommen liegt.

Wie sich die Brutto- und Nettolöhne sowie die Arbeitgeberkosten zueinander verhalten und wie sich die kalte Progression auf die Gehälter auswirkt, wird in den untenstehenden Tabellen anschaulich dargestellt.

Quelle: Vivanty

Thema im Wahljahr 2017?
Es scheint, als würde das geltende Steuersystem wieder einmal Wahlkampfthema für einige Parteien werden – was aber im Falle eines Wahlsieges bzw. einer Regierungsbeteiligung nichts bedeuten muss. So liegt zum Beispiel bei der CDU seit fast 14 Jahren eine durchgreifende Reform der Lohn- und Einkommenssteuer in der Schublade, mit der die kalte Progression wieder abgeschafft werden sollte. Diese Reform sieht eben u.a. die jährliche Anpassung des Steuertarifs an die jeweiligen Eckdaten der Inflation vor.

In dem aktuellen Regierungsprogramm von CDU/CSU 2013 bis 2017 ist zu diesem Thema zu lesen: „Mittelschicht entlasten – die kalte Progression abbauen: Leistung muss sich lohnen. Wir wollen deshalb die Leistungsträger in der Mitte unserer Gesellschaft weiter entlasten. Dazu wollen wir die sogenannte kalte Progression abbauen. Das sorgt dafür, dass Lohnerhöhungen, die lediglich dem Ausgleich von Preissteigerungen dienen, nicht mehr von einem höheren Steuertarif aufgezehrt werden. SPD und Grüne wollen, dass der Staat weiter am Ausgleich der Inflation verdient. Wir aber meinen, das Geld gehört den Arbeitnehmern.“ Das aktuelle Wahlprogramm für die Bundestagswahl in diesem Jahr soll im Juni 2017 vorliegen. Ob dieser Passus dort wieder aufgenommen wird, scheint für die Zukunft unerheblich zu sein.
Die SPD als Schöpferin der aktuell gültigen Steuergesetzgebung schreibt in der Kurzfassung ihres Grundsatzprogrammes aus dem Jahr 2007:
„unter Punkt 30: ..Wir bekennen uns zur bewährten progressiven Einkommenssteuer. …“
„unter Punkt 31: Wir unterstützen Lohnzuwächse, die am Wachstum der Produktivität und an der Inflation orientiert sind. Wir wollen mehr Vermögen in Arbeitnehmerhand.“ Ein aktuelles Wahlprogramm für 2017 soll ebenfalls im Juni vorliegen.
Bei den Grünen findet man in dem aktuell vorliegenden Entwurf des Wahlprogramms 2017 im Text unter „Wir schaffen endlich Gleichberechtigung und Lohngleichheit“ folgende Zeilen: „Unser Ziel ist es Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umzuwandeln und dafür zu sorgen, dass die Beiträge durch Steuern und Abgaben sowie soziale Leistungen so aufeinander abgestimmt werden, dass sich Erwerbsarbeit immer rechnet. Dabei darf die Belastung mit Steuern und Abgaben nicht sprunghaft steigen.“ Eine weitere Einlassung zur Steuerpolitik lässt sich in dem Programm-Entwurf bisher nicht finden.

Der Bundesvorsitzende der FDP, Christian Lindner, tritt in einem Interview mit dpa für eine grundsätzliche Entlastung der Bürger von mindestens 30 Mrd. Euro jährlich ein. „Konkrete Maßnahmen, die wir ergreifen wollen“, so Lindner, „sind die Umsetzung der versprochenen Abschaffung des Soli, eine Linderung der kalten Progression und ein Abflachen des sogenannten Mittelstandsbauchs“. Ein Wahlprogramm ist auf dem letzten Bundesparteitag im April verabschiedet worden.

Einsamer Streiter

Peter Rauen

Glühender Verfechter für „Mehr Netto vom Brutto“ ist der ehemalige Bundestagsabgeordnete und zeitweilige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Peter Rauen. Er kämpft bereits seit vielen Jahren für die Abschaffung der kalten Progression und prangert diese – mittlerweile als Abgeordneter a.D. – an geeigneter Stelle immer wieder an.

In einem Interview mit dem Magazin Vivanty sagte Rauen im Hinblick auf den zu erwartenden, jährlichen Steuerausfall in Höhe von geschätzten 37 Mrd. Euro: „In der Zeit, wo die Menschen für ihr Erspartes keine Zinsen mehr bekommen, … , kann gleichzeitig der Staat langfristige Anleihen ohne Zinsverpflichtung aufnehmen. Für die Entlastung aller arbeitenden Menschen um 37 Mrd. Euro jährlich kann man in Kauf nehmen, dass vorübergehend die ansonsten richtige schwarze Null nicht erreicht wird.“ Und Rauen weiter: „37 Mrd. Euro mehr Kaufkraft in den Händen der arbeitenden Menschen würde fast ausschließlich die Binnenkonjunktur stärken und so mittel- und langfristig das Geld in die Staatskasse zurückbringen.“

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