Interview: Sicherheit in Freiheit

Ist die Innere Sicherheit im Land in Gefahr? Die Eifel-Zeitung sprach mit dem CDU-Landtagsabgeordneten des Landkreises Vulkaneifel, Gordon Schniede, über die Innere Sicherheit, die Angst der Bürger vor Kriminalität und die Ausrüstung unserer Polizisten.

EAZ: Am 19. Dezember des vergangenen Jahres fuhr der aus Tunesien stammende Anis Amri mit einem Lastkraftwagen in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin. Er tötete zwölf Menschen und verletzte viele schwer. Wie konnte es dazu kommen?

Gordon Schnieder: Die Bedrohung durch islamistische Terroristen besteht in der Form, in der wir sie heute kennen, spätestens seit dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001. Danach kam es in vielen europäischen Städten zu Anschlägen: In Madrid und London, Paris und Brüssel. Deutschland wurde bis zu dem Anschlag auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen verschont. Dort ermordete am 2. März 2011 der Islamist Arid Uka zwei Soldaten und verletzte drei weitere schwer. Im Jahr 2016 kam es dann zu den Anschlägen von Ansbach und Würzburg und wenige Tage vor Weihnachten zu dem Lkw-Attentat in Berlin.

Die Hintergründe des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt müssen restlos aufgeklärt und daraus dann Konsequenzen gezogen werden. In den Jahren zuvor konnten viele Anschläge in Deutschland verhindert werden. Ich möchte nur ein Beispiel nennen: Im Jahr 2007 plante die „Sauerland Gruppe“ einen Bombenanschlag in Deutschland, konnte aber rechtzeitig von der GSG 9 – das ist die Anti-Terror-Eliteeinheit der Bundespolizei – festgenommen werden. Die deutschen Polizisten in den Ländern und beim Bund und die Geheimdienste haben hervorragende Arbeit geleistet. Jedoch hat jeder verantwortungsvolle Politiker stets betont, dass es eine hundertprozentige Sicherheit für die Bevölkerung nicht geben kann. Man kann nur alles tun, was möglich ist.

EAZ: Wurde alles getan, was möglich ist?

Gordon Schnieder: Die Frage kann nicht mit Ja oder Nein beantwortet werden. Die Polizisten und die Mitarbeiter unserer Geheimdienste haben alles getan, was ihnen möglich und durch die Gesetze erlaubt ist. Aber sie haben nicht überall die gleichen Möglichkeiten. So gelten in den 16 Bundesländern unterschiedliche Polizeigesetze. Seit mehr als 40 Jahren wird um ein einheitliches Polizeigesetz gerungen, das für alle Polizisten eine gleiche Gesetzesgrundlage schaffen würde. Dieses Thema sollte, nein dieses Thema muss wieder aufgegriffen werden. Zudem müssen wir unseren Geheimdiensten mehr Möglichkeiten zum Handeln geben. Wir sind ein demokratischer Rechtsstaat, in dem unsere Geheimdienste nach rechtsstaatlichen Regeln handeln.

Wir dürfen der Arbeit dieser Frauen und Männer vertrauen, wenn es zu Ungereimtheiten kommt, dann werden diese aufgeklärt. Wie in allen anderen Staaten brauchen auch wir in Deutschland eine engere Zusammenarbeit zwischen Polizei und Geheimdiensten. Unter allen für die Sicherheit zuständigen Institutionen muss der Informationsaustausch verbessert werden. Es darf zum Beispiel nicht sein, dass der Verfassungsschutz in Kiel Erkenntnisse hat, von denen das Landeskriminalamt in München nichts weiß. Es müssen sich endlich alle in der Verantwortung stehenden Politiker darüber klar werden, was sie wollen. Für mich steht die Antwort fest: Der Staat muss für die Sicherheit seiner Bürger sorgen. Und es ist möglich, die beiden Bereiche Sicherheit und Freiheit miteinander zu verbinden.

EAZ: Das ist die Formulierung, die der Bundesvorstand der CDU bei der Tagung in Perl fand…

Gordon Schnieder: Die Bundeskanzlerin hat Mitte Januar in ihrer Presseerklärung nach der Sitzung des CDU-Bundesvorstandes deutlich herausgestellt, dass die CDU entschlossen für die Sicherheit und Freiheit der Bürger eintritt. Es trifft nicht zu, dass mehr Sicherheit zu weniger Freiheit führt. Und letztlich muss die Leitlinie der Politiker das sein, was die Bürgerinnen und Bürger berechtigt fordern. So begrüßen die meisten Deutschen seit Jahren mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Es ist somit die Aufgabe der Politiker, zu prüfen, wie das geschehen kann und sodann das umzusetzen, was möglich ist.

EAZ: Hier bei uns fürchten sich die Bürger in erster Linie vor einem Einbruch in ihre Wohnung oder in ihr Haus. Wird in diesem Bereich genug von der Polizei getan?

Gordon Schnieder: Bei unterschiedlichen Anlässen habe ich in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass es bei uns im ländlichen Raum im Bereich der Inneren Sicherheit andere Herausforderungen gibt als in den großen Städten. Bei uns ist seit Jahren die Angst vor einem Wohnungseinbruch sehr groß. Nach einer solchen Tat fühlen sich die Opfer in ihren eigenen vier Wänden nicht mehr sicher. Damit geht viel an Lebensqualität verloren. Um erfolgreich gegen diese Form der Kriminalität vorgehen zu können, braucht es neue Strategien und dazu ist mehr Personal erforderlich.

In Bayern setzt die Polizei seit längerer Zeit einen Schwerpunkt im Bereich der Einbruchskriminalität. Dadurch sind die Festnahmen deutlich gestiegen und es war möglich, viele Einbrüche zu verhindern. Das ist die Ideallösung: Zu verhindern, dass es überhaupt zu einem Einbruch kommt. Um solche Strategien umzusetzen, ist jedoch sehr viel Personal erforderlich. Daran mangelt es bei uns in Rheinland-Pfalz. Wir fordern seit Jahren, dass mehr Polizisten eingestellt werden, weil wir die geringste Polizeidichte in ganz Deutschland haben. Das bedeutet: Auf 100.000 Rheinland-Pfälzer kommen nach einer Erhebung aus dem vergangenen Jahr 224 Polizisten. Ganz andere Zahlen liegen zum Beispiel für Bayern (326) oder Mecklenburg-Vorpommern (366) vor.

EAZ: Seit Jahren klagen unsere Polizisten, dass sie immer öfter Opfer von Gewalt werden. Was muss in dieser Hinsicht getan werden?

Gordon Schnieder: Es ist richtig, dass die Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten stetig zunimmt. Auch im Kreis Vulkaneifel gibt es solche Fälle, kurz nach Weihnachten zum Beispiel in Gerolstein. Ein Mittel, um dem Einhalt zu gebieten, sind kleine Kameras, die die Polizisten im Einsatz an der Uniform tragen.

EAZ: Die Bodycams, die der Innenminister jetzt beschaffen möchte?

Gordon Schnieder: Diese Kameras wurden unter anderem in Koblenz und Mainz in einem Langzeitversuch erprobt. Man wusste aber schon vorher, zum Beispiel durch einen bereits vor Jahren in Hessen durchgeführten Test dieser Bodycams, dass sie auf viele Täter abschreckend wirken und es daher zu weniger Fällen von Gewalt gegen Polizisten kommt. Wir hier in Rheinland-Pfalz hatten mal wieder große Bedenken und wir gehen erst jetzt daran, weitere dieser Kameras zu beschaffen. Aber nur zögernd.

EAZ: Aber es steht doch bereits das Geld im Haushalt bereit, um die Bodycams zu beschaffen. …

Gordon Schnieder: Bisher gab es bei der rheinland-pfälzischen Polizei 100 solche Minikameras, es sollen weitere 150 beschafft werden, wofür im kommenden Haushalt 135.000 Euro vorgesehen sind. Wir haben aber in Rheinland-Pfalz mehr als 9.000 Polizisten. Insgesamt 250 Bodycams, die bis zum nächsten Jahr beschafft werden, das ist schlicht und ergreifend zu wenig. An anderen Stellen ist diese Landesregierung weitaus spendabler: Unsere Umweltministerin investiert in die Wiederansiedlung des Luchses im Pfälzerwald 400.000 Euro.

Und zu allem Überfluss ist sich der Innenminister noch nicht sicher, wann die Bodycams überhaupt eingesetzt werden dürfen. Zurzeit plant Innenminister Lewentz, dass sie nicht innerhalb von Wohnungen eingeschaltet werden dürfen. Jedoch kommt es zum Beispiel dann, wenn die Polizei gerufen wird, um einen Familienstreit zu schlichten, sehr häufig zu Gewalt gegen die Beamten. So war das zum Beispiel in dem Fall in Gerolstein, den ich bereits erwähnte. Zudem muss man befürchten, dass bei uns die technischen Möglichkeiten der Kameras nicht ausgeschöpft werden. Da ein Polizist ja nicht wissen kann, wann ein Einsatz für ihn lebensgefährlich werden kann, wäre es bei einigen Kameramodellen möglich, das Geschehen ständig aufzeichnen. Geschieht nichts, so wird diese Aufzeichnung dann wieder überschrieben, kommt es aber zum Beispiel zu einem Angriff auf einen Polizisten, so würde auch dessen Vorgeschichte aufgezeichnet. Wenn es um die Polizei geht, dann wird oft nur halbherzig gehandelt.

EAZ: Wo ist das der Fall?

Gordon Schnieder: Zum Beispiel bei der Bezahlung. In Rheinland-Pfalz verdient ein Polizist bei gleicher Arbeit und im gleichen Alter deutlich weniger als die Kollegen in benachbarten Bundesländern. Darüber hinaus dauert es lange, bis unsere Polizisten befördert werden. So muss ein Dienstgruppenleiter mehr als acht Jahre auf seine Beförderung warten, obwohl er bereits die höherwertige Aufgabe erfüllen muss. Das ist eine Geringschätzung unserer Polizisten, die wir nicht hinnehmen dürfen.

EAZ: Wird die Innere Sicherheit das zentrale Thema im kommenden Bundestagswahlkampf werden?

Gordon Schnieder: Der Bundestagswahlkampf wird durch die Themen bestimmt werden, die den Bürgern besonders unter den Nägeln brennen. Sie fordern von der Politik keine Wunder, aber konsequentes Handeln.

EAZ: Herr Schnieder, wir danken Ihnen für dieses offene Gespräch. 

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