Interview: „Wir kämpfen für die Zukunft unserer Heimat!“

Gordon Schnieder

Das Thema Kommunal- und Verwaltungsreform erhitzt die Gemüter. Kontroverse Diskussionen finden derzeit überall statt. Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der nach Meinung aller Fraktionen im Kreistag – ausgenommen der SPD) verfassungswidrig sei. Die Eifel-Zeitung sprach mit dem CDU-Landtagsabgeordneten Gordon Schnieder über die Zukunft unseres Landkreises Vulkaneifel.


EAZ:
In einer Sondersitzung befasste sich der Kreistag des Landkreises Vulkaneifel in der letzten Woche mit der Kommunal- und Verwaltungsreform. Welches Ergebnis brachte die Sitzung?
Gordon Schnieder: Die Mitglieder des Kreistages haben einstimmig beschlossen, sich gegen die Zerschlagung unseres Kreises mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr zu setzen.

EAZ: Aber geht es wirklich um die Zerschlagung des Kreises, wenn elf Ortsgemeinden aus der Verbandsgemeinde Obere Kyll mit Prüm fusionieren wollen?
Gordon Schnieder: Oberflächlich betrachtet, geht es „nur“ um die Ortsgemeinden, näher betrachtet um den Fortbestand des gesamten Landkreises. Denn das, was hier durch den Innenminister eingefädelt wurde und umgesetzt werden soll, dient als Blaupause für andere Regionen im Land. Ich befürchte, dass dann die Verbandsgemeinde Kelberg das gleiche Schicksal mit der Verbandsgemeinde Ulmen ereilen wird. Wie sollen wir auf dieser Grundlage stark in die nächste Reformstufe gehen, wenn an zwei Fronten Teilbereiche schon weggebröckelt sind? Deshalb sehe ich bei dem vorliegenden Versuch die große Gefahr, dass unser Landkreis schlussendlich der Verlierer sein wird.
EAZ: Welche Folgen hätte dies?
Gordon Schnieder: Die Folgen wären vielschichtig. Neben dem mittelfristigen Wegfall des Sitzes der Kreisverwaltung, würden auch die Mitarbeiter in naher Zukunft nicht mehr in Daun arbeiten, nicht mehr ihre Mittagspause hier verbringen und auch nicht mehr nach Dienst in der Stadt einkaufen gehen. Es würde einen massiven Wegbruch von Infrastruktur bedeuten und damit einhergehend einen deutlichen Rückgang der Wirtschaftskraft. Immerhin sprechen wir von mehr als 250 Mitarbeitern, die direkt betroffen wären. Das hätte nicht nur Auswirkungen auf Daun, sondern auf alle Mittelzentren im Landkreis und das gesamte Umland.

EAZ: Das Land hat auf den Einwand, diese Fusion sei möglicherweise Verfassungswidrig, geantwortet, dass dieser Zustand nur für kurze Zeit bestehen würde.
Gordon Schnieder: Verfassungswidrig bleibt verfassungswidrig, auch wenn es nur für einen kurzen Übergangszeitraum ist. Jeder weiß, dass die nächste Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform, in der es unter anderem um die Neuausrichtung der Landkreise geht, nicht in ein oder zwei Jahren kommen wird. Vieles spricht dafür, dass vor 2021 keine Änderungen vollzogen werden.

EAZ: Worauf stützen Sie Ihre Auffassung der Verfassungswidrigkeit?
Gordon Schnieder: Neben dem vom Kreistag in Auftrag gegebenen Gutachten von Professor Janbernd Oebbecke, dass eindeutig eine Verfassungswidrigkeit sieht, hat auch der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz im Urteil zum Zusammenschluss der Verbandsgemeinden Irrel und Neuerburg eindeutig ausgeführt, dass auch in diesem Stadium der Reform Kreisgrenzen übergreifende Gebietsänderungen möglich seien. In diesem Fall seien aber die Kreisgrenzen umgehend anzupassen.
Da der Gesetzgeber das für die Fusion der Verbandsgemeinden Obere Kyll und Prüm nicht vorsieht, verstößt der Gesetzentwurf klar und unmissverständlich gegen die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes und ist verfassungswidrig.

EAZ: Die Verbandsgemeinde Obere Kyll ist in einer schwierigen finanziellen Situation. Von dort hört man, eine Fusion mit der VG Prüm würde diese Lage deutlich verbessern.
Gordon Schnieder: Auf den ersten Blick und bei Auswertung der Finanzdaten der beiden Verbandsgemeinden Obere Kyll und Prüm mag das richtig sein. Um aber wirklich beurteilen zu können, ob nur mit Prüm eine solche Verbesserung der Lage eintritt, muss man über den Tellerrand hinausschauen.

EAZ: Wie meinen Sie das?
Gordon Schnieder: Wenn ich mich nur mit den alten Berechnungen aus dem Jahr 2014 beschäftige und andere Zahlenvergleiche nicht zulasse, dann bewege ich mich in einem „Echoraum“. Das führt dann zu dem falschen Ergebnis, nur in Prüm könne finanziell eine Zukunft liegen.
Aber wenn man genau hinschaut und aktuelle Haushaltsdaten heranzieht, dann ist Prüm eben nicht alternativlos und schon einmal gar nicht das „gelobte Land“.

EAZ: Können Sie das für alle verständlich erklären?
Gordon Schnieder: Grundlage für jede seriöse Berechnung müssen die aktuellen Haushaltsdaten für das Jahr 2017 der Verbandsgemeinden Obere Kyll und Prüm sein sowie das Eckpunktepapier zwischen beiden aus dem Jahre 2014. Ferner betrachte ich die finanzielle Leistungskraft der Verbandsgemeinden Gerolstein und Hillesheim. Daneben, und darüber wurde offensichtlich auch im Verbandsgemeinderat Gerolstein gesprochen, betrachte ich die Verhandlungsergebnisse zwischen Gerolstein, Hillesheim und den drei Ortsgemeinden Birgel, Lissendorf und Steffeln. Was für diese Ortsgemeinden gilt, muss fairerweise auch für die gesamte Verbandsgemeinde Obere Kyll gelten!
Danach sollen 50% der Schulden auf die gesamte neue Verbandsgemeinde Gerolstein aufgeteilt werden und „nur“ 50% der Schulden müssen die Ortsgemeinden selbst schultern. Und da liegt ein gewaltiger Unterschied: Bei den Verhandlungen mit Prüm sollen die Ortschaften der Oberen Kyll nämlich sämtliche Schulden selbst tragen. Daneben müssen sie noch Sonderleistungen für die Realschule plus in Jünkerath und die dortige Zentrale Sportanlage schultern. Wenn ich dann die daraus resultierenden Fakten nebeneinander lege, komme ich zum Ergebnis, dass ein Zusammengehen der Verbandsgemeinde Obere Kyll mit den Verbandsgemeinden Gerolstein und Hillesheim etwa einen halben Umlagepunkt günstiger ist, als der Zusammenschluss mit Prüm.

EAZ: Die Fusion der Verbandsgemeinden Obere Kyll und Prüm ist Ihrer Auffassung nach also verfassungswidrig und auch aus finanziellen Gründen der falsche Weg?
Gordon Schnieder: Ganz genau. Und hinzu kommen dann noch die anderen negativen Effekte für unsere gesamte Vulkaneifel und ein Zuständigkeitschaos in der gesamten Region.

EAZ: Wie geht das Verfahren jetzt weiter?
Gordon Schnieder: Der Ball liegt bei den regierungstragenden Fraktionen von SPD, FDP und Grünen. Die haben im Landtag die Mehrheit. Sollte der Gesetzentwurf die parlamentarische Mehrheit erhalten, wird der Landkreis den Verfassungsgerichtshof anrufen. Und niemand sollte unsere Kampfkraft unterschätzen.
Wir wissen, wofür wir kämpfen: Für die Zukunft unserer Heimat. Wir sind uns im Kreistag einig, wie lange nicht mehr, und das gibt uns eine starke Stimme.

EAZ: Herr Schnieder, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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