Bernhard Joseph Hilgers – Theologe aus Dreiborn

262_dreiborn_46_15Der 1803 in Dreiborn geborene Bernhard Joseph Hilgers, Sohn der Eheleute Johann Peter Hilgers und Anna Carolina Berners, entstammte beiderseits bodenständigen Familien. Sein Vater war Bauer; sein Bruder Johann Hubert amtierte drei Jahrzehnte lang als Bürgermeister in dem durch die Wasserburg Dreiborn bekannten Ort, der seit 1972 Teil Schleidens ist. Den Familiennamen „Wolter“ von Bernhard Josephs Großvater mütterlicherseits findet man wieder beim Förster Reinhold Wolter, der 1871 den letzten Wolf in Dreiborn erlegte.

Nach seiner Gymnasialzeit in Düren studierte der hochintelligente Bauernsohn in Bonn Theologie. Mit 24 Jahren wurde Hilgers in Köln zum Priester geweiht, anschließend war er kurzzeitig Kaplan in Münstereifel, danach ab 1828 für fünf Jahre Seelsorger in der Provinzial-Heilanstalt in Siegburg. Diese erst 1825 eröffnete „Irrenheilanstalt“ war in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Sie war nicht nur die erste derartige Einrichtung in der Rheinprovinz, sondern verfolgte unter der Leitung des Psychiatriepioniers Maximilian Jacobi (1775-1858) auch einen neuen, vorbildlich werdenden Ansatz. Danach sollten die Patienten nicht nur – wie bis dahin üblich – verwahrt, sondern vielmehr mit dem Ziel der Heilung therapiert werden. Hilgers nahm an diesem Vorhaben großen persönlichen Anteil und machte medizinisch-philosophische Grundfragen über das Verhältnis von Körper, Geist und Seele zum Thema seiner Doktorarbeit. Ihm kam es darauf an, den „schauderhaften, alles Heilige des Menschen verschlingenden Abgrund des Materialismus“ mit Sachgründen zu widerlegen.

Seine Dissertation „Ueber das Verhältnis Leib und Seele im Menschen mit besonderer Beziehung auf sittliche Freiheit und Zurechnung“ (Bonn 1834) ist ein bemerkenswerter Beitrag zur Entwicklung der Kriminalpsychologie im 19. Jahrhundert. Bei der auch heute noch vieldiskutierten Frage nach Schuld und Verantwortlichkeit gelangte Hilgers zum Ergebnis, dass es trotz aller Gebundenheit an das Organische eine Freiheit des Willens gebe. Auf die theologische Promotion folgte die Habilitation mit der 1837 in Bonn veröffentlichten Studie „Kritische Darstellung der Häresien und der orthodoxen Hauptrichtungen in ihrer genetischen Bildung und Entwicklung“. Beruflich ging der Dreiborner nach dem Weggang aus Siegburg einen Doppelweg: Als Pfarrer der Bonner Altstadtpfarrei St. Remigius war er einerseits seelsorgerisch tätig, andererseits lehrte er als Privatdozent an der Theologischen Fakultät und verfolgte seine Gelehrtenlaufbahn weiter. 1840 wurde Hilgers außerordentlicher, 1846 ordentlicher Professor der Kirchengeschichte.

Sowohl als Hochschullehrer wie auch als Seelsorger kam ihm seine Rednergabe zugute. Seine klaren und fesselnden Vorträge wurden von den Studenten geschätzt, seine Ansprachen – etwa im Bonner St. Johannishospital – von den Gläubigen. Die Kombination seiner geistigen Fähigkeiten mit seiner vielfach hervorgehobenen Menschenfreundlichkeit machte Professor Hilgers zu einem der populärsten Bonner Bürger und zugleich zu einer führenden Persönlichkeit der Universität Bonn. Zweimal wurde er zum Rektor gewählt, mehrfach in den Senat der Universität; zudem war er seit 1855 Direktor der wissenschaftlichen Prüfungskommission. Neben seinen erwähnten Qualifikationen besaß der Dreiborner Bauernsohn allerdings auch noch eine weitere Eigenschaft, die ihm mancherlei Schwierigkeiten bereitete: Er liebte das eigenständige Denken und war keineswegs immer willens, sich den Vorgaben seiner römisch-katholischen Oberen vom Bischof bis zum Papst fraglos zu fügen.

So sympathisierte er lange mit den Ideen des Theologen Georg Hermes, auch dann noch, als diese in Rom immer stärker in Misskredit gerieten. Sein Ruf, ein Hermesianer zu sein, führte zu ablehnenden Rezensionen seiner Publikationen durch theologische Gegner und verzögerte seine Ernennung zum ordentlichen Professor. Während sich Professor Hilgers beim Thema Hermes dem römischen Verdikt letztlich noch beugte, war er 1870 als fast 70-Jähriger anlässlich des Ersten Vatikanischen Konzils zum Nachgeben nicht mehr bereit. Mit dem nun offiziell verkündeten Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes wollte er sich nicht abfinden. Seine Weigerung, die Unterwerfungsformel zu unterzeichnen, hatte drastische Folgen: Der Kölner Erzbischof Melchers verbot ihm die Fortsetzung seiner Vorlesungen; 1871 wurde Hilgers suspendiert, 1872 sogar exkommuniziert.

Dabei stand Hilgers mit seiner Ablehnung keineswegs allein da. An der Katholisch-Theologischen Fakultät verweigerten weitere Professoren Rom ebenso die Gefolgschaft wie auch Tausende Katholiken vor allem der oberen Bildungsschicht in Köln und Bonn. Aus den Gegnern des Unfehlbarkeitsdogmas gingen die Alt-Katholiken hervor, denen Hilgers zugerechnet wird. Die in den Folgejahren heftigen Konflikte zwischen beiden katholischen Konfessionen erlebte Hilgers nur noch zum Teil. Betrübt von der Entwicklung und geschwächt von langer Krankheit starb der fromme „Professor der Gottesgelehrtheit“ – wie es auf seinem Grabstein auf dem Alten Friedhof in Bonn heißt – im Februar 1874.

Verfasser: Gregor Brand

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