Kinder der Eifel – aus anderer Zeit: Carl Schmitt

Staatsrechtler und politischer Philosoph aus Bausendorfer Familie

Werk und Wirkung Carl Schmitts bilden einen kaum überschaubaren geistigen Kontinent. Schmitt gilt mittlerweile als Klassiker der politischen Philosophie und ist weltweit einer der meistdiskutierten deutschen Denker des 20. Jahrhunderts. Sein ungemein facettenreiches Leben kann hier allenfalls andeutungsweise beschrieben werden.

Der eifelstämmige Theoretiker publizierte in seinem fast 100 Jahre währenden Leben außerordentlich viel und vielseitig. Seit seinem Tod sind zu den Tausenden von Druckseiten seines zu Lebzeiten veröffentlichten Schrifttums weitere hinzugekommen: Briefwechsel mit bedeutenden Zeitgenossen, erst posthum veröffentlichte Gedanken, umfangreiche Tagebücher, in denen Schmitt sogar intimste private Details seiner Biografie festhielt. Zudem vergeht kaum ein Monat, ohne dass nicht irgendwo auf dem Planeten mindestens ein neues Buch über Schmitt erscheint, von kleineren Beiträgen ganz zu schweigen.

Carl Schmitt kam 1888 im sauerländischen Plettenberg zur Welt. Seinen Vater Johann Schmitt (1853-1945), in Bausendorf als Sohn der Eheleute Nikolaus Schmitt und Katharina Franzen geboren, hatte es beruflich ins Sauerland verschlagen, wo er als kaufmännischer Angestellter dauerhaft Lohn und Brot fand. Nachdem seine erste Frau früh verstorben war, heiratete er Louise Steinlein (1863-1943); Carl war das erstgeborene Kind dieser Ehe. Die Familie Schmitt war in Bausendorf alteingesessen, die Ehepartner der Schmitts kamen aus dem Südeifeldorf selbst oder Orten der Umgebung. Carls Großvater Nikolaus Schmitt betrieb eine Bäckerei mit Gastwirtschaft; die Eltern von Carls Großmutter Katharina Franzen besaßen in Wispelt ein großes Bauerngut. Carls Vater Johann erinnerte sich: „Meinen Großvater von Wispelt habe ich gut gekannt, er kam oft herunter zu uns und war gekleidet in der für alte Männer gebräuchlichen Tracht: Kniehosen, Halbzylinder usw.“ Johann Schmitt hatte Louise Steinlein, die als uneheliches Kind im Eifeldorf Blasweiler geborene Mutter Carls, erstmals in Hontheim erblickt, wo sie bei ihrem Onkel, dem Pfarrer Nikolaus Steinlein, wohnte. 

Carls Ausbildung startete recht konventionell. Konvikt, Abitur – dann aber, wohl zur Enttäuschung seiner Mutter, die mehrere priesterliche Onkel und Großonkel hatte – studierte er nicht Theologie, sondern Jura. Mit 22 Jahren war Schmitt promoviert, mit 28 Jahren habilitiert. 1919 veröffentlichte er das Buch „Politische Romantik“, mit dem er – wie vielfach in seinem Leben – eine profunde Kenntnis ideengeschichtlicher Entwicklungen unter Beweis stellte. Früh fasziniert war Schmitt von dem Dichter Theodor Däubler, spätere Essays widmeten sich Themen wie „Hamlet oder Hekuba. Der Einbruch der Zeit in das Spiel“  oder „Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung“ . Auch hier gilt, dass der weite Horizont seiner geistigen Interessen nur angedeutet werden kann. Zur intensiven Lektüre hinzu kam der persönliche Kontakt mit vielen Intellektuellen seiner Zeit.

1919 wurde Schmitt Dozent in München, 1921 erhielt er seine erste Professur in Greifswald, weitere Professuren führten ihn in der Weimarer Zeit nach Bonn und Berlin. Während dieser Jahre veröffentlichte er Schriften, deren Begrifflichkeit und Gedanken längst zum festen – wenn auch kontrovers diskutierten – Bestand politischer Philosophie gehören. Das gilt nicht zuletzt für Schmitts Definition des Politischen als „Unterscheidung von Freund und Feind“, für Konzepte wie „Politische Theologie“ oder für seine legendäre Definition: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“. Der Staatsrechtler H. Quaritsch bemerkte: „Begriffe nahm Carl Schmitt todernst“. Schmitts brillante Formulierungskraft wurde schon früh ebenso bewundert wie gefürchtet. Innerhalb kürzester Zeit konnte er ein mehrhundertseitiges Grundlagenwerk wie die „Verfassungslehre“ (1928) vorlegen – ein Buch, das bei der Konzeption der Verfassung Israels ebenso zu Rate gezogen wurde wie in Ostasien: „Seine Theorie hat auf die koreanische Verfassung starken Einfluss ausgeübt“ (E.-J. Lee). 

So bekannt Schmitt international ist, so umstritten ist er allerdings auch. Wie anderen politischen Denkern von Machiavelli bis Marx schlägt ihm häufig heftiger Hass entgegen. Das liegt nicht nur daran, dass er als rechter Kritiker liberaler Demokratie und Sympathisant von Diktatoren wie Mussolini und Franco verrufen ist, sondern primär an seinen Positionen in der Anfangsphase der NS-Diktatur. Schmitt, der bereits in der Endzeit Weimars zu den führenden deutschen Staatsrechtlern gehörte und eher als Zentrums-Anhänger galt, wurde nach 1933 zum einflussreichen NS-Juristen, der nun sogar krass antisemitische Ausfälle nicht scheute. Damals erhielt der zum Preußischen Staatsrat ernannte Schmitt den Stempel „Kronjurist des Dritten Reichs“, obwohl 1936 eine deutliche Abkühlung im Verhältnis zum Hitler-Staat erfolgte. Nach 1945 war die akademische Karriere Schmitts vorbei, aber keineswegs seine Ausstrahlungskraft. Der mit einer Serbin verheiratete Schmitt, dessen geliebtes einziges Kind Anima (1931-1983) einen spanischen Rechtswissenschaftler heiratete, starb 1985 in seinem Geburtsort. 

Verfasser: Gregor Brand

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