Charles Bukowski

US-Schriftsteller aus Andernach

Mythos, Legende, Kult: Begriffe, die genauso schnell fallen, wenn es um Bukowski geht, wie Alkohol, Sex und Außenseiter. Biographien, Filme, Videos, Artikel, Internetseiten sowie viele neue und alte Bukowski-Texte bezeugen auch mehr als 20 Jahre nach seinem Tod die anhaltende Faszination des einstigen Underground-Poeten, der zu den Großen der amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts gezählt wird.

Wie der amerikanische Schriftsteller-Titan Theodore Dreiser, der ebenfalls für seine direkten und ungeschminkten Schilderungen berühmt ist, entstammte Bukowski zur Hälfte der Osteifel. Geboren wurde er am 16. August 1920 in Andernach als Sohn des US-Sergeants Henry Bukowski und der einheimischen Näherin Katharina Fett; Vater Henry Bukowski, Sohn aus der Danziger Gegend ausgewanderter Deutscher, war nach dem Ende des Weltkriegs als Besatzungssoldat an den Mittelrhein gekommen. Bukowskis Mutter war eine Tochter der katholischen Eheleute Wilhelm Fett und Nanette Israel. Der Nachname „Israel“ führte in den USA zu Spekulationen über eine eventuelle jüdische Herkunft Bukowskis. Die ist zwar nicht ausgeschlossen, aber der Familiennamen „Israel“ ist in der Osteifel seit Jahrhunderten auch unter Katholiken anzutreffen, etwa bei dem Polcher Priester Peter Israel, der unter Bischof Bernhard Stein Generalvikar war. 1922 verließen die Bukowskis die mittelrheinische Heimat der Mutter in Richtung Amerika, wo sie sich 1924 dauerhaft in Los Angeles niederließen. In dieser Westküstenmetropole wuchs Bukowski auf, und sein Leben und Werk sind trotz Zwischenstationen in anderen US-Städten elementar mit dieser Millionenstadt verbunden. Seinen Geburtsort sah er erst anlässlich einer umjubelten Deutschland-Tour 1978 wieder. Freundschaftlichen Briefkontakt pflegte er über viele Jahre mit seinem Andernacher Onkel Heinrich Fett.

Zwischen seinen deutschen Kleinkindjahren und der kurzen „Heimkehr“ 1978 lagen unstete und düstere Jahrzehnte, in denen Bukowski oft ganz tief unten war – gesundheitlich, seelisch und sozial.  Während seiner Schulzeit blieb er Einzelgänger, der mit seinen Mitschülern so wenig anfangen konnte, wie sie mit ihm. Seine Rechtschreibprobleme wurden, wie damals üblich, nicht als legasthenisches Handicap erkannt, sondern als Ausdruck von Unwillen und fehlender Begabung gedeutet. Mit der Pubertät isolierte ihn eine extreme Akne noch mehr. Am schlimmsten aber war für ihn die kalte Strenge seines Vaters, der ihn oft erbarmungslos auspeitschte.   

Trotz allem schaffte es der viellesende Bukowski durch seine High School Jahre, vielleicht auch, weil schon damals seine Begabung zum Schreiben auffiel. Im September 1939 – in der Danziger Heimatregion seiner Großeltern väterlicherseits begann gerade ein neuer Weltkrieg – schrieb sich der von Literatur faszinierte Bukowski am LA City College ein. Aber die Probleme zuhause verschärften sich, zumal der Vater die Texte seines Sohnes verabscheute. Bukowski musste das Elternhaus verlassen, bald brach er auch das Studium ab. Er startete das ungesicherte und unregelmäßige Leben, das für ihn jahrzehntelang kennzeichnend wurde: von einem schlecht bezahlten Job zum nächsten, dazwischen Schreiben, viel Alkohol und flüchtige Beziehungen. In den fünfziger Jahren stabilisierte sich das Leben ein wenig: In Schichtarbeit arbeitete er nun für längere Zeit bei der Post als Briefträger – später Grundlage seines ersten Romans „Post Office“ (1971). 1955 verblutete er fast an einem Magengeschwür. Im gleichen Jahr heiratete er Barbara Frye, Herausgeberin einer kleinen Literaturzeitschrift. Bukowski war mehrfach verheiratet; trotz ihrer kurzen Dauer waren diese Ehen wichtige Lebensstationen. 1964 wurde er Vater von Marina Louise – ein positives Ereignis in Jahren, die ansonsten von schweren Depressionen, aber auch von wachsender literarischer Beachtung geprägt waren. Sehr wichtig wurde für ihn die Bekanntschaft mit dem Verleger John Martin, der 1966 die Black Sparrow Press gegründet hatte, wo fortan viele Bukowski-Bücher erschienen. Mit wöchentlichen Kolumnen, die unter dem eingängigen Titel „Notes of a Dirty Old Man“ erschienen, Beiträgen im Porno-Magazin „Hustler“ und anderswo verließ er nach und nach den Status eines literarischen Geheimtipps.

Entscheidend dazu trugen etwa ab 1970 auch seine Lesungen bei, wo begeisterte Fans sich davon überzeugen konnten, dass sein Underground-Image authentisch war. In der Bundesrepublik wurden Bukowski-Bücher zu Bestsellern, die wirtschaftliche Not war nun für ihn vorbei. 1972 war seine erste Kurzgeschichtensammlung „Erections, Ejaculations, Exhibitions, and General Tales of Ordinary Madness“ erschienen, aber trotz seiner Stories und Romane ist Bukowski vielen vor allem als Lyriker mit einer tabulosen, direkten und formal einfach erscheinenden Schreibweise präsent. Jenseits der Sechzig, als er schon weltberühmt war, wurde Bukowski erneut von schweren Erkrankungen heimgesucht. Während er eine Tuberkulose noch gerade so überlebte, erlag er im März 1994 einer Leukämie. Mit buddhistischen Riten beigesetzt, ruht der in seinem Leben oft so Ruhelose nun in einem naturschönen Memorial Park in Los Angeles.

Verfasser: Gregor Brand

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