Damian Ferdinand Haas

– Reichskammergerichtsprokurator aus Wittlich

Foto Quelle: Wikipedia

Das legendäre Reichskammergericht (RKG) war über Jahrhunderte hinweg neben dem Reichshofrat das höchste Gericht des Heiligen Römischen Reiches. Auch mehr als 200 Jahre nach dem Untergang dieses Reiches und Gerichts umschwebt das RKG ein besonderer Nimbus zwischen Licht und Schatten. Immer wieder beklagt wurden die oft extrem lange Verfahrensdauer der Prozesse, die hohen Kosten, die Kompliziertheit der Verfahrensabläufe und die angebliche Korruption. Demgegenüber betont die Historikerin Anette Baumann, dass das RKG „unheimlich modern“ gewesen sei und verweist darauf, dass dort erstmals professionelle Juristen entschieden und sogar einfache Untertanen gegen ihre Obrigkeit klagen konnten. In den letzten Jahrzehnten des RKG gehörte ein Jurist aus der Südeifel zu dessen prägnantesten Persönlichkeiten: der 1726 in Wittlich geborene Damian Ferdinand Haas.

Haas, aus einfachen Verhältnissen stammend, hatte zuerst in Trier Jura studiert, schrieb sich dann aber im November 1748 an der Universität Göttingen ein, wo er zu den Schülern des hervorragenden Juristen J. J. Schmauß (1690-1757) zählte. 1750 veröffentlichte Haas in Gießen seine Inaugural-Dissertation und wurde Lizentiat beider Rechte. Erste Rechtspraxis sammelte er in Köln, Koblenz und schließlich in Wetzlar am Sitz des RKG. 1755 wurde er als Advokat an diesem Gericht vereidigt und zugelassen. Ein Indiz für das schnelle Ansehen, dass er sich erwarb, kann in der 1760 erfolgten Heirat mit Maria Johanna Spinola gesehen werden, die einer wohlsituierten Wetzlarer Juristenfamilie entstammte. 1762 wurde Haas als Prokurator am RKG zugelassen, was ihm eine noch wesentlich stärkere Stellung gab als die Advokatur. Er durfte nun seine Mandanten nicht nur rechtlich beraten, sondern sie auch umfänglich selbst vor Gericht vertreten. In den folgenden Jahren wurde Haas zu einem der erfolgreichsten Reichskammergerichtsprokuratoren. Er vertrat nicht nur Privatleute, sondern unter anderem die Bischöfe von Augsburg, Bamberg und Salzburg, aber auch Städte wie Köln und Lüttich. Haas erhielt den Titel eines kurmainzischen Hofrats und eines augsburgischen Geheimen Rats, was nicht nur mit Ansehen, sondern auch mit zusätzlichem Gehalt verbunden war. Mit einem Jahreseinkommen von 4.000 Gulden verdiente er etwa so viel wie ein Richter am RKG. Zusätzlich zu seiner Prokuratorentätigkeit hielt Haas anspruchsvolle Vorlesungen für die Rechtspraktikanten am Gericht; sein fließender Vortragsstil  wurde von seinem fachkundigen Zeitgenossen H. W. Bergsträsser ebenso gelobt wie seine tiefgründige Kenntnis der Materie. Bereits 1766 war Haas so wohlhabend geworden, dass er in Wetzlar ein schmuckes Wohnhaus bauen lassen konnte. Das schöne Gebäude existiert heute noch (Engelsgasse Nr. 3) und verweist mit seinen kunstvoll gestalteten Initialen LDFH auf den Lizentiaten D. F. Haas; später erwarb Haas noch ein weiteres Haus in Wetzlar.

So erfolgreich Haas auch als Prokurator war – es waren seine Publikationen, die ihn aus der Reihe seiner Kollegen hervorhoben und dazu führten, dass er bis heute Gegenstand rechtshistorischer Studien ist. Die Fachveröffentlichungen von Haas – teils in Latein, teils in Deutsch – erstrecken sich über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren. Im 6. Band  des „Handwörterbuchs“ über die „größten und denkwürdigsten Personen aller Zeiten, Länder und Stände“ (1816) schrieb Samuel Baur über Haas, er habe sich „rühmlichst bekannt gemacht und sein Talent und seine Geschicklichkeit in sehr verwickelten Materien bewährt“. Auch in der berühmten Enzyklopädie von Ersch/Gruber (1827) findet sich hohes Lob über Haas: „Er hat sich ausgezeichnet als Staatsrechts-Schriftsteller und als Sachwalter in den wichtigsten damaligen Reichs-Kammergerichtsprozessen“. Auch wenn die Themen seiner Schriften vielfältig waren, so kann man als Schwerpunkt Beiträge zur Reichsverfassung und zum RKG ausmachen. Haas hielt sich mit Kritik an den Zuständen am RKG nicht zurück. Während seiner langen Tätigkeit geriet der Justizkritiker Haas mehrfach in Konflikte mit Kollegen, was ein Licht auf die harte Konkurrenzsituation in Wetzlar wirft. Die Lage spitzte sich für ihn zu, als er in den 1780er Jahren als Vertreter des Fürstbischofs von Salzburg in einer Streitsache agierte, an der die Familie des Kammerrichters Franz Graf Spaur beteiligt war. Haas wurde beschuldigt, dass seine Schreiben „grobe Injurien“ und „harte Stellen“ enthielten. Er musste eine Geldbuße zahlen, was ihn aber nicht davon abhielt, 1786 in einer weiteren monumentalen Veröffentlichung (über 1.000 Seiten) umfassende Kritik an den Verhältnissen beim RKG zu üben. Obwohl seine „Verbesserungsvorschläge“ wegen ihrer Sachkenntnis hoch gelobt wurden, warfen ihm die Kammerrichter „wieder einmal Respektlosigkeit und Verunglimpfung des Gerichts“ (Anke Stein) vor. Haas musste 1787 sein Prokuratorenamt niederlegen, durfte aber Advokat bleiben; faktisch änderte sich dadurch wenig, da ihm sein Schwiegersohn Dr. Tils als Prokurator nachfolgte. Haas selbst blieb als Advokat und Autor bis an sein Lebensende aktiv. Er starb im April 1805, das RKG überlebte ihn nur um ein Jahr.  Verfasser: Gregor Brand

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