Daniel Jacob Bon

Jüdischer Konvertit aus Wittlich

osteroda_32_16Am Weißen Sonntag 1694 fand in der Schlosskirche St. Jacobi zu Osterode am Harz ein höchst feierliches Ereignis statt, in dessen Mittelpunkt ein junger Mann aus der Eifel stand. Inmitten  „ungemein volkreicher Versammlung“  und in Anwesenheit hoher Harzer Prominenz wurde aus dem 23-jährigen jüdischen Wittlicher Daniel Jacob Bon durch Taufe der evangelische Christ Claus Andreas von Osteroda. Über dieses Ereignis und zur Rechtfertigung der Gründe für seinen Glaubenswechsel verfasste Bon bald darauf ein „wolgemeintes Sendschreiben“ an seine herzlichst geliebten Eltern, zwei Schwestern und fünf Brüder. Es wurde 1694 in Nordhausen in Frakturschrift gedruckt und steht dank Digitalisierung durch die Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel nunmehr Interessierten weltweit im Internet zur Verfügung. Als bemerkenswertes Geschichtszeugnis findet Bons Sendschreiben neuerdings verstärkt wissenschaftliche Aufmerksamkeit.

Daniel Bon war ein Sohn von Jacob Bon und dessen Ehefrau Sarah Wolff aus „Wittling unweit von Trier“. Weitere Angaben zu dieser Familie sind derzeit noch nicht bekannt, so dass man auf Mutmaßungen angewiesen ist. Der damals unter Juden gar nicht so seltene Familienname deutet auf eine ursprüngliche Herkunft aus Bonn. Was den Namen der Mutter betrifft, so könnte er einerseits aussagen, dass deren Vater mit Vornamen „Wolf“ hieß. Andererseits gab es damals auch jüdische Familien, bei denen sich der Nachname Wolf bereits fest etabliert hatte. Zu diesen Familien gehörten beispielsweise Angehörige der zwischen Koblenz und Bonn agierenden bedeutenden Arztfamilie Wolff. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass ein Jude namens Wolf Leibarzt des Kurfürsten Lothar von Metternich gewesen war, der sich oft und gern in Wittlich aufhielt.

Daniel Bon erwähnt, dass er als Schlachter ausgebildet wurde. Dies lässt keineswegs auf einen niedrigen Status in der jüdischen Gemeinde schließen. Jüdische Metzger verfügten wegen der Vorschriften, die beim koscheren Schlachten und der Speisenzubereitung zu beachten waren, über ein überdurchschnittliches religionsgesetzliches Grundwissen. Daniel Bons Bildung und Kenntnisse gingen offenbar noch weit darüber hinaus. Dankbar berichtet er, dass sein Vater ihn „im Gesetz des Herrn“ Tag und Nacht so fleißig üben ließ, dass der junge Daniel die Fünf Bücher Mose nach kurzer Zeit auswendig konnte – und zwar in der hebräischen Originalsprache, die er voller Verehrung als „Grund- und Mundsprache des Heiligen Geistes“ bezeichnet. Diese Angaben sprechen sowohl für eine ungewöhnliche Bildung des Vaters als auch für erstaunliche Geistesgaben des Sohnes.

Im Jahr 1693 brach Daniel Bon nach Holland auf, um in der Metropole Amsterdam seine Kenntnisse im „Schlachtwerck“ und im Kochen zu erweitern. Die Frage nach der richtigen Religion beschäftigte ihn innerlich stark. Auf der Suche nach mehr Informationen zum Christentum entschloss er sich zum Weg in das damals gerade neu errichtete Kurfürstentum Hannovers. Am Stadttor von Osnabrück war die Reise jedoch erst einmal unfreiwillig zu Ende. Der junge Jude wurde verhaftet, zur Hauptwache geschleppt und von Soldatenwerbern gezwungen, sich am Neujahrstag 1694 als kurbraunschweigischer Soldat zu verdingen. So schnell gab sich Bon jedoch nicht geschlagen und teilte gleich am nächsten Tag den Osnabrücker Pastoren Johann Möser und Johann Westermann seinen Wunsch nach Taufe und Übertritt mit. Die beiden hochgebildeten Theologen – Bon hebt vor allem ihre exzellenten Kenntnis des Hebräischen hervor – nahmen ihn als Schüler an und unterrichteten ihn vier Wochen lang in christlicher Religion. Dann meldete sich das Militär wieder und beorderte ihn in das Quartier in Osterode. Dank eines Empfehlungsschreibens von Möser und Westermann durfte Bon dort seine christliche Unterweisung fortsetzen. So war er bestens darauf vorbereitet, beim stundenlangen Gottesdienst am Weißen Sonntag die Prüfungsfragen zu beantworten und schließlich in feierlichem Ritus die Taufe zu empfangen. Dabei musste er sich kniend die antijüdische Beschwörungsformel „Fahre aus du unreiner Jüdischer Geist und gib Raum dem heiligen Geiste“ anhören. Im Sendschreiben bemerkte Bon dazu vielsagend: „Wie mir dabei zu Muthe gewesen und was für eine innerliche Gemüts Bewegung mir recht empfindlich ankommen, will ich lieber stillschweigend gedenken als davon Meldung thun.“ Obwohl er sich die damalige krass negative christliche Einstellung gegenüber den Juden („Messias-Mörder“) teilweise zu Eigen gemacht hatte, empfand er weiterhin allergrößte Herzensliebe zu seiner Familie.  Er dankte den Eltern für alles und bat sie „kindlich um elterliche liebreiche Verzeihung“. Ihm war klar, welchen Kummer er der Familie mit seiner Entscheidung bereitete. Einen Hauptteil des Sendschreibens machen diffizile theologische Beweisführungen aus, in denen Bon begründet, warum für ihn Jesus der Messias ist. Auffallend ist seine starke Heranziehung jüdischer Texte – sogar des Talmuds. Nach seiner Taufe durfte Claus Andreas von Osteroda zur weiteren Ausbildung in die Bergstadt Zellerfeld ziehen.  Was danach aus ihm geworden ist, ist unbekannt.

Verfasser: Gregor Brand

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