David Kaufmann

Menschenretter, Kaufmann und Philanthrop aus Münstereifel

Obwohl das Interesse an der jüdischen Geschichte von Bad Münstereifel vor Ort groß ist, wurde eine herausragende Persönlichkeit der Stadt bisher anscheinend übersehen: der 1903 ausgewanderte Geschäftsmann und Wohltäter David Kaufmann. Anders verhält es sich in den USA: Dort erschien 2008 die von William E. Ramsay und Betty D. Shrier verfasste Biographie: „Doorway to Freedom. The Story of David Kaufmann. Merchant-Benefactor-Rescuer“, in der Kaufmanns Leben und Wirken dargestellt wird.
David Kaufmann wurde 1875 in Münstereifel als Sohn der jüdischen Eheleute Meyer Kaufmann und Mathilde Levy geboren und wuchs dort in einer gleichmäßigen Geschwisterreihe von drei Schwestern und drei Brüdern auf. Sein Vater war Metzger, zusätzlich bewirtschafte die Familie einen kleinen Bauernhof und führte einen Laden. Als 16-Jähriger begann David eine Kaufmannslehre in Elberfeld, an die sich eine einjährige Militärdienstzeit in Köln anschloss. 21-jährig wurde er Handelsvertreter einer Schirmfabrik und bereiste in den folgenden Jahren weite Teile des Kaiserreichs. Besonders begeistert schien er allerdings nicht zu sein: Mit 27 Jahren beschloss er gegen den Willen der Eltern, in die USA auszuwandern. Als Kaufmann 1903 in New York ankam, hatte er 200 Dollar in der Tasche. Er fand einen Job in einem New Yorker Kaufhaus als Verkäufer und Schaufensterdekorateur für 6 Dollar pro Woche. Mit einer seiner Dekorationen fiel er dem Geschäftsmann und Politiker Samuel N. Wolbach (1851–1931) auf, der ihn überzeugen konnte, in die von Deutschen gegründete Stadt Grand Island (ca. 40.000 Einwohner) im US-Bundesstaat Nebraska zu ziehen und dort für ihn zu arbeiten. Bereits wenige Jahre später machte sich Kaufmann mit Partnern selbständig. Er eröffnete ein Kaufhaus, in dem zu Niedrigstpreisen („five-and dime-concept“) ein breites Sortiment an Waren des täglichen Bedarfs angeboten wurde. Kaufmanns florierendes Geschäft war erst das dritte dieser Art in Nebraska. Ein Jahrzehnt später hatte sich Kaufmann, inzwischen US-Staatsbürger, als Geschäftsmann so viel Ansehen in seiner neuen Heimat erworben, dass er zusätzlich Bankdirektor wurde; 1931 wurde er Präsident der Commercial National Bank in Grand Island. Die Weltwirtschaftskrise zog auch die von Kaufmann geführten Firmen in Mitleidenschaft, was ihn aber nicht hinderte, Mitbürgern, denen es noch viel schlechter ging, großzügig zu helfen. Selbst für amerikanische Verhältnisse, wo private Wohltätigkeit eine große Rolle spielt, war die Fülle der von Kaufmann in seinem Leben initiierten Unterstützung vor allem für lokale Einrichtungen beachtlich. Die Kombination von beruflichem Erfolg und zugleich imponierendem wie menschenfreundlichen Wesen machte Kaufmann in Nebraska als „Mr. Grand Island“ zu einer prominenten Persönlichkeit.

Eine besondere Wendung nahm sein Leben Mitte der dreißiger Jahre – und dies hing mit den finsteren Veränderungen in seiner alten Heimat zusammen. Von in Deutschland lebenden Verwandten erfuhr er, dass sich nach der NS-Machtübernahme die Lage auch für die Juden der Eifel dramatisch zuspitzte. Das galt beispielsweise für die jüdischen Familien in Aach, dem Heimatdorf von Kaufmanns Mutter, wo noch etliche Verwandte lebten. Kaufmann erhielt beunruhigende Briefe von seiner Kusine Feodora Kahn (geb. Levy), in denen geschildert wurde, dass selbst in Eifelorten, wo Juden und Christen seit Jahrhunderten friedlich zusammengelebt hatten, jetzt politisch geförderter Antisemitismus wütete. Feo Kahn und ihr Mann Isidor gehörten 1937 zu den ersten, denen Kaufmann bei ihrer Emigration finanziell half und ihnen Jobs in Grand Island verschaffte. Gegen Ende der dreißiger Jahre dehnte Kaufmann seine Unterstützung für bedrohte Familien weit aus, was vielen die Auswanderung überhaupt erst ermöglichte und damit ihr Leben rettete. Obwohl der NS-Staat die jüdischen Deutschen loswerden wollte, erschwerten bewusst antijüdische Vorschriften gezielt die Auswanderung; so wurde beispielsweise die sogenannte „Reichsfluchtsteuer“ gezielt verschärft. Aus vorwiegend ökonomischen Gründen machten es auch die USA Einwanderungswilligen nicht leicht. Immigranten mussten die eidesstattliche Versicherung (Affidavit) eines US-Bürgers vorweisen können, dass sie in den USA nicht von staatlichen Sozialleistungen abhängig sein würden. All dies setzte einen erheblichen, auf deutscher Seite oft bewusst schikanösen bürokratischen Aufwand voraus, ehe die erforderlichen Ausreisepapiere endlich vorlagen. Hinzu kamen die finanziellen Belastungen, von denen die Kosten für die Überfahrt noch zu den geringsten zählten. Kaufmann scheute keine Mühen, um Hunderten von Menschen die Ausreise aus Nazi-Deutschland zu ermöglichen. Bemerkenswert ist, wie viele eifelmoselanische Orte – angefangen mit Aach und Alf – mit den Biographien der Geretteten verbunden sind. Der zweimal verheiratete, aber kinderlos gebliebene Kaufmann selbst starb 1969 im Alter von fast 94 Jahren. Die Familien der von ihm Geretteten halten die Erinnerung an ihn bis heute sehr hoch, aber auch sonst ist „Mister Grand Island“ in Nebraska alles andere als vergessen.

Verfasser: Gregor Brand

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