Eduard David

Das Ende des Weltkriegs im Spätherbst 1918 führte im Deutschen Reich zu einem dramatischen politischen Umbruch. An die Stelle von Kaiserherrschaft und Monarchie sollte eine demokratische Republik treten. Im Januar 1919 wurde eine Nationalversammlung gewählt, deren Aufgabe es war, eine neue Reichsverfassung zu beschließen. Als die gewählten Abgeordneten am 6. Februar 1919 erstmals in Weimar zusammenkamen, wählten sie mit fast 94 % der Stimmen einen gebürtigen Eifler zum ersten Präsidenten dieser Nationalversammlung: den 55-jährigen Sozialdemokraten Dr. Eduard David.

Begonnen hatte Davids Lebensweg 1863 in der 2001 zu einem Hotel umgebauten „Alten Bürgermeisterei“ in Ediger. An der stillen Mosel am Fuß der Eifelberge verbrachte Eduard, Sohn des Trierers Johann H. David und der Hunsrücker Bauerntochter Wilhelmine (geb. Werner), allerdings nur seine frühen Kinderjahre. Dann wurde der Vater, ein protestantischer Rechnungsrat, in rechtsrheinisches Gebiet versetzt – nur einer von etlichen Ortswechseln des preußischen Beamten. Ob es an dieser Unstetigkeit lag oder an fehlendem Interesse: Eduard brach jedenfalls seine Gymnasialzeit vorzeitig ab und begann in Berlin eine Lehre als Handlungsgehilfe. Aber der Beamtensohn wollte kein Kaufmann werden. So holte er das Abitur nach und studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Gießen. 1891 promovierte er, danach unterrichtete Dr. David an einem Gießener Gymnasium. Wichtiger wurde ihm bald die politisch-publizistische Betätigung. Seit seiner Jugend sympathisierte der Moselaner mit sozialistischen Idealen, früh trat er der SPD bei, die damals bei der Obrigkeit als extremistisch und umstürzlerisch galt.

Nachdem David 1893 zusammen mit seinem Studienfreund Katzenstein die „Mitteldeutsche Sonntagszeitung“ gegründet hatte, folgte 1894 die Entlassung des Jungsozialisten aus dem Staatsdienst. Zur Ironie der Geschichte gehört es, dass sich David in der Folgezeit keineswegs den Ruf eines Revolutionärs erwarb, sondern stets dem rechten Flügel der Sozialdemokratie zugerechnet wurde. Davids Spezialgebiet wurde die Agrarpolitik. In Zeitungsartikeln und Büchern wagte er es, den in seiner Partei herrschenden marxistischen Auffassungen zu widersprechen. David verteidigte das kleinbäuerliche Eigentum und verlangte Maßnahmen zu dessen Schutz. Als es bei SPD-Parteitagen Mitte der 1890er Jahre zu hitzigen Debatten um die Agrarpolitik kam, trat David dem Marxisten Karl Kautsky (1854-1938) – als Theoretiker ein Goliath der SPD – entgegen. In dem um 1900 schwelenden „Revisionismusstreit“ über die grundsätzliche Ausrichtung der Sozialdemokratie gehörte David zu den letztlich siegreichen Anhängern Eduard Bernsteins (1850-1932).

Wie Bernstein war David davon überzeugt, dass eine Abkehr der SPD von orthodox marxistischen Positionen geboten sei und dass Sozialdemokraten auf Reformen  statt Revolution drängen sollten. David, der 1896 in erster Ehe die spätere Frauenrechtlerin und Filmemacherin Gertrud (geb. Swiderski) geheiratet hatte und nach Mainz gezogen war, vertrat seine Haltung nun auch als Abgeordneter: zunächst im Landtag des Großherzogtums Hessen, seit 1903 zudem als Mitglied im Reichstag. Bei zahlreichen Parlamentsdebatten zählte er zu den Hauptrednern; 1912 wurde er in den Vorstand der Reichstagsfraktion gewählt. Geschichtlich bedeutsam wurde Davids Haltung im Weltkrieg. Als Spitzenpolitiker seiner Partei trug er entscheidend dazu bei, dass die SPD nach Kriegsausbruch den Kriegskrediten zustimmte. Der einstige Burschenschaftler David war davon überzeugt, dass das Reich einen Verteidigungskrieg führe und lehnte die später in Versailles festgeschriebene deutsche Alleinschuld am Krieg konsequent lange ab. Erst nach Kriegsende veranlasste ihn die Kenntnis neuer Dokumente, eine deutsche Mitschuld einzuräumen. Bei seiner Haltung zu Kriegsfragen stand David häufig konservativen Politikern näher als linken Sozialdemokraten. Als sich im Oktober 1918 die SPD erstmals an der Regierung beteiligte, wurde David Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt. Einen Monat später, am 9. November 1918, rief sein Parteifreund Scheidemann, der schon als junger Redakteur mit David zusammengearbeitet hatte, die Republik aus.

In der Weimarer Gründungsphase war David kurz Reichsinnenminister, bis zu seinem Tod 1930 blieb er Abgeordneter. Als spät (1923) Habilitierter lehrte der Marxismuskritiker noch Politikwissenschaft in Darmstadt. Historiker sehen in ihm eine der prägenden Politiker seiner Zeit.

Verfasser: Gregor Brand

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen