Ernst Isay Jüdischer Jurist aus Schweicher Familie

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in Trier drei bedeutende Rechtswissenschaftler geboren, die alle einer erst kurz zuvor dorthin gezogenen eifeljüdischen Familie aus Schweich entstammten: die beiden Brüder Hermann (1873-1938) und Rudolf Isay (1886-1956) sowie ihr Vetter Ernst Isay, von dem hier die Rede sein soll.
Ernst Haymann Isay kam 1880 als Sohn des 1850 in Schweich geborenen Moses Isay und dessen Ehefrau Johannetta Salmen zur Welt. Moses Isay lebte in Trier als Kaufmann und war zudem schriftstellerisch („Die Fahrt nach Konstanz“) sowie journalistisch tätig. Er veröffentlichte Artikel zur Trierer Geschichte, war Mitgründer beim „Verein Trierisch e. V. 1897“ und engagierter Karnevalist; für die traditionsreiche Trierer Karnevalsgesellschaft Heuschreck verfasste Moses Isay zahlreiche Texte. Die gemeinsamen Großeltern der Juristengeneration Ernst, Hermann und Rudolf Isay waren der Schweicher Handelsmann Heymann Isay und dessen aus Bitburg stammende Ehefrau Heba Pelzer. Zu den weiteren Enkeln Heymann Isays gehörten die brillanten deutsch-amerikanischen Biologen Jacques und Leo Loeb, die in Mayen geboren waren, der Zoologe Ernst Bresslau sowie die Sozialpionierin Helene Bresslau, die Ehefrau Albert Schweitzers.
Ernst Isay besuchte das Trierer Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, wo er 1899 sein Abitur machte; er gehörte zum gleichen Abiturjahrgang wie der spätere Priester, Schriftsteller und Pazifist Ernst Thrasolt (1878-1945). Wenige Wochen nach seinem Abitur schrieb sich Ernst Isay in Bonn zum Jurastudium ein. Nach weiteren Studien in München und Berlin promovierte der 26-jährige Ernst Isay in Bonn mit einer Arbeit zur Staatsangehörigkeit der juristischen Personen. 1907 erschien eine wesentlich erweiterte Fassung dieses Themas im Druck. Die juristischen Überlegungen Isays fanden hohe Beachtung, bis heute wird sein Grundlagenwerk noch vielfach erwähnt. In einer umfangreichen zeitgenössischen Rezension in der führenden Fachzeitschrift „Archiv für Öffentliches Recht“ hatte bereits der namhafte Würzburger Professor Robert Piloty (1863-1926) hervorgehoben, dass Ernst Isay „zur Lehre des allgemeinen Staatsrechtes Wichtiges beigetragen“ habe und begrifflich „ungemein vorsichtig“, aber auch mit „ungewöhnlichem Scharfsinn“ argumentiert habe. Nach seinem Assessorexamen 1908 war Dr. Isay (nach Angaben von Jessica Wessels) von 1909 bis 1919 als Gerichtsassessor am Landgericht Köln tätig, unterbrochen vom Kriegsdienst im Weltkrieg, wo er unter anderem als Feldwebel auf dem Balkan eingesetzt wurde. Erst nach dem Weltkrieg konnte Ernst Isay seine juristische Karriere fortsetzen, die durch das Zusammenspiel von akademischer und richterlicher Tätigkeit gekennzeichnet war. Im Sommer 1919 habilitierte er sich an der Universität Bonn und erhielt die venia legendi (Lehrbefugnis) für Staatsrecht, Verwaltungs- und Völkerrecht sowie Internationales Privatrecht. Kurz zuvor war er zum Landrichter in Elberfeld ernannt worden; 1920 wurde er Landgerichtsrat in Köln, später Amts- und Landgerichtsrat in Bonn. Auch seine akademische Tätigkeit vollzog sich zunächst in Bonn, wo er an der Universität – der zweitgrößten in Preußen mit rund 4000 Studenten, davon etwa zehn Prozent Juristen – als Privatdozent lehrte. Zu den wichtigsten rechtswissenschaftlichen Publikationen der Bonner Zeit gehörten die Abhandlung „Der Begriff der ‚außerordentlichen Massnahmen‘ im Friedensvertrag von Versailles“ sowie sein knapp 400 Seiten umfassendes Buch „Das deutsche Fremdenrecht: Ausländer u. Polizei“ (1923). Nachdem Ernst Isay 1924 zum Oberlandesgerichtsrat in Hamm (Westfalen) ernannt worden war, ließ er sich an die Universität Münster umhabilitieren. Seine mehrjährige Dozententätigkeit in Münster wurde von Krankheit überschattet, wegen der er sich unter anderem in das Prominenten-Sanatorium Horneck in Gundelsheim am Neckar begab. Nach gesundheitlicher Besserung wurde Ernst Isay Richter am Preußischen Oberverwaltungsgericht in Berlin; er ließ sich deswegen bis 1932 an der Universität Münster beurlauben. Das folgende Jahr 1933 wurde für den jüdischen Juristen zur beruflichen Katastrophe. Nach der NS-Machtübernahme wurde ihm die Lehrbefugnis in Münster entzogen, außerdem erfolgte seine Entlassung als Oberverwaltungsgerichtsrat. Damit war der 53-jährige hochqualifizierte Jurist, der zwischenzeitlich weitere wichtige Werke publiziert hatte, wider Willen zum Frühpensionär geworden. Die Resonanz auf sein neues Buch „Internationales Finanzrecht“ wurde im NS-Staat gezielt unterdrückt, da Rezensionen zu Werken jüdischer Juristen „unerwünscht“ waren. Zu dieser beruflichen Diskriminierung kam zusehends stärker die Sorge um Leib und Leben hinzu. Ernst Isay musste mit seiner Familie – der Ehefrau Luise (geb. Rosenstiel) und den Kindern Elisabeth und Herbert – aus Deutschland emigrieren. Zufluchtsland der Familie war Brasilien, wohin sich auch andere Isay-Angehörige retten konnten. Nach aufreibenden bürokratischen Schwierigkeiten und Umwegen erreichte die Familie schließlich 1940 das südamerikanische Land. Dort starb Ernst Isay, der bis zuletzt juristisch arbeitete und publizierte, 1943 in São Paulo in großer materieller Not.

Verfasser: Gregor Brand

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