Eugen Prym – Orientalist aus Düren

Der 1843 in Düren geborene Eugen Prym war ein jüngerer Bruder des berühmten Mathematikers Friedrich Prym (1841–1915). Aber was heißt bei einem Mathematiker schon „berühmt“? Selbst diejenigen, die – wie Friedrich Prym – zu den Großen ihrer Zeit in diesem Fach gezählt werden, sind oft nur im überschaubaren Kreis ihrer Zunft bekannt, mag ihre Arbeit auch noch so wichtig für den Gang der Zivilisation sein. Was selbst für die Elite der Mathematiker gilt, trifft wohl in noch stärkerem Maß für die Wissenschaften zu, denen sich Eugen Prym widmete: das Studium der semitischen Sprachen, insbesondere des Arabischen und Aramäischen. Semitische Sprachen bilden zwar die Basis von Bibel, Talmud und Koran. Oft genug im Lauf der Geschichte entschieden die unterschiedliche Übersetzung oder Auslegung semitischer Begriffe über Rechtgläubigkeit, Leben oder Tod. Gleichwohl gelten prymsche Forschungsgebiete wie Assyriologie oder Aramaistik nach wie vor als exotisch und sind von finanzieller Austrocknung bedrohte universitäre Orchideenfächer.

Dass sowohl Friedrich als auch Eugen Prym sich der Wissenschaft verschrieben, war nach der Familientradition kaum zu erwarten. Ihre Eltern, der Tuchfabrikant Richard Prym und dessen Ehefrau Ernestine Schoeller, stammten beide aus dem Kreis jener außergewöhnlichen Nordeifler Unternehmerfamilien, die es in zahlreichen Zweigen über die Jahrhunderte hinweg zu internationalem Erfolg brachten und auf die man immer wieder zurückkommen muss, wenn es um historisch bedeutsame Kinder der Eifel geht. Überraschend angesichts dieser langen Fabrikantentradition begann Eugen Prym nach dem 1862 am ehrwürdigen Stiftischen Gymnasium seiner Heimatstadt abgelegten Abitur mit dem Studium der Vergleichenden Sprachwissenschaft und der Orientalischen Sprachen in Berlin, Leipzig und Bonn. Seine 1868 in Bonn vorgelegte Dissertation, in der er ein arabisches Manuskript des islamischen Universalgelehrten Ibn Khallikan (1211–1282) edierte, ins Lateinische übersetzte und kommentierte, widmete er seinen als Orientalisten sehr bedeutsamen akademischen Lehrern Heinrich Leberecht Fleischer und Johannes Gustav Gildemeister. Um seine Kenntnis des Morgenlandes zu erweitern, trat Eugen Prym im November 1868 zusammen mit seinem Studienfreund Albert Socin eine anderthalbjährige Forschungsreise nach Ägypten und Syrien an. Die jungen Orientforscher notierten sich gewissenhaft Sagen und andere Überlieferungen, die ihnen in arabischen Dialekten oder auch in Kurdisch und Neuaramäisch erzählt wurden. Nach ihrer Rückkehr werteten sie diese Texte wissenschaftlich aus und veröffentlichten sie später in kulturgeschichtlich wertvollen Sammelbänden wie etwa dem Buch „Syrische Sagen und Maerchen aus dem Volksmunde“.

Nach der Rückkehr aus dem Orient ins Rheinland habilitierte sich Dr. Prym in Bonn, wo er danach sein ganzes Berufsleben lang lehrte; außer über semitische Sprachen hielt der phänomenal sprachbegabte Eifler auch Vorlesungen über Persisch und Sanskrit. Der Orientalist Max Horten (1874–1945), der Eugen Prym in Bonn persönlich erlebte, schilderte den Eifler so: „Selbstlose Bescheidenheit war die charakteristische Eigenschaft seines Wesens, die ihn jedem lieb und wert machte, der ihm nähertreten durfte. Unbesiegbar war seine Geduld bei der Nachprüfung von Dissertationen, die er mit ihren Verfassern oft viele Monate lang in täglicher Arbeit Wort für Wort durchging.“ Wie Horten hervorhob, hatte Professor Prym nichts dagegen, wenn seine Schüler kleinere Ergebnisse prymscher Forschungstätigkeit ohne Nennung seines Namens verwendeten. Die Sorge, dass die Anerkennung für seine gelehrten Leistungen zu kurz kam, brauchte er in der Tat nicht zu haben: Neben vielen weiteren Arbeiten gab er fast 1500 Seiten des monumentalen Geschichtswerks des persischen Gelehrten at-Tabari (839–923) heraus, das bis heute eine Hauptquelle zur Frühgeschichte des Islam bildet.

Das zweite Hauptlebenselement Pryms neben der Wissenschaft bildete seine Familie. Aus der Ehe mit Anna Krabler (1842–1928), einer Tochter des Monschauer Bergwerkdirektors Eduard Krabler (1813–1876), gingen sechs Söhne und zwei Töchter hervor. Beide Prym-Töchter heirateten Wissenschaftler, die Söhne wurden Mediziner, Juristen oder Bankier. Der öffentlichkeitsscheue Gelehrte Eugen Prym starb im Mai 1913. Der Gedanke, dass auch ein Jahrhundert nach seinem Tod Krieg und Gewalt den Orient erschüttern, hätte ihn einerseits tief geschmerzt, andererseits aber auch kaum verwundert. Wie nur wenige andere wusste Professor Prym aus intensivster eigener Kenntnis der historischen Quellen, wie umkämpft jene Gebiete seit Jahrtausenden sind, denen seine lebenslange Forschungsarbeit galt.
Verfasser: Gregor Brand

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen