Ferdinand Wurzer

– Mediziner, Chemiker und Pharmakologe aus Brühl

Als der 27-jährige Dr. Ferdinand Wurzer im April 1793 an der kurfürstlichen Akademie in Bonn seine Antrittsrede als Professor für Chemie und Arzneimittelkunde hielt, zählte er zu den Pionieren eines noch jungen Fachs. Selbst an der naturwissenschaftlich so aufgeschlossenen Universität Göttingen hatte erst der Mediziner Johann Friedrich Gmelin (1748-1804) ein chemisches Labor eingerichtet. Professor Wurzer gehörte an seinen Wirkungsorten Bonn und Marburg zu den Chemie-Gründungsvätern.
Ferdinand Wurzer, 1765 in Brühl als Sohn des kurkölnischen Artillerie-Offiziers Matthias Wurzer (1731-1800) geboren, war Angehöriger einer aufstrebenden bürgerlichen Familie. Sein Bruder war der Jurist Joseph Wurzer (1770-1860); dessen Sohn, Dr. med. Ferdinand Alexander Wurzer (1808-1868) wurde Arzt und engagierte sich in der Politik, was ihm in jungen Jahren brutale Haft, später jedoch ein angesehenes Bürgermeisteramt einbrachte. Die Autobiographien von Joseph und F. A. Wurzer wurden 2015 von der Wissenschaftshistorikerin Dr. Irene R. Lauterbach veröffentlicht.
Der im Mittelpunkt dieses Beitrags stehende Ferdinand Wurzer absolvierte seine Gymnasialausbildung in Bonn, studierte dann an der dortigen Akademie Philosophie, ehe er sich zum Medizinstudium nach Heidelberg, Würzburg, Göttingen und Wien begab. In Göttingen geriet er durch ein „bösartiges Nervenfieber“ in Lebensgefahr, was wohl dazu beitrug, dass er sich nach Genesung in seiner Dissertation von 1788 mit dem – damals so genannten – gefürchteten „Hirnfieber“ (Phrenitidis) beschäftigte. Schnell wurde man auf den danach in Bonn praktizierenden Arzt aufmerksam, was teils an seinem Einsatz für die Einführung der Pockenschutzimpfung lag, teils an seinem besonderen chemischen Fachwissen. 1790 veröffentlichte Dr. Wurzer eine Abhandlung über die „Mineralquelle zu Godesberg“, in der er das Wasser des Draischbrunnens akribisch analysierte und dessen Heilwirkung beschrieb. Wurzer legte mit dieser Arbeit die wissenschaftliche Basis für die Geltung Godesbergs als Kurort. Als 1793 an der Bonner Akademie die Stelle eines Professors für Chemie zu besetzen war, übertrug man dem jungen Mediziner Wurzer nicht zuletzt wegen seiner durch die Mineralwasseranalysen dokumentierten Kenntnisse dieses Amt. Als Chemieprofessor konnte sich Wurzer in Bonn allerdings kaum entfalten, denn bereits 1794 wurde die Akademie nach der französischen Besetzung geschlossen. Immerhin fand Wurzer bald Gelegenheit, fast ein Jahrzehnt lang an der neuen Bonner Zentralschule seine Fachkenntnisse weiterzugeben. 1805 folgte der Vierzigjährige einem Ruf an die Universität Marburg. Dort lehrte und forschte er fast vier Jahrzehnte lang als ordentlicher Professor für Chemie und Pharmazie. Mehrfach war Wurzer während dieser Zeit Dekan der medizinischen Fakultät und Prorektor der Universität. Bemerkenswert ist, dass Wurzers Interessen weit über seine eigentlichen Fachgebiete hinausgingen und er sich nicht scheute, zu anderen Themen zu publizieren. Bereits 1795 veröffentlichte er einen fast 200-seitigen „Versuch über die physische Erziehung der Kinder“. In diesem Werk zeigt sich in Wurzers Lob für eine möglichst einfache, natürliche Ernährung und Lebensweise deutlich der Einfluss Rousseaus; zweifelhaft ist allerdings, ob sich der später auf manchen Abbildungen recht beleibt wirkende Wissenschaftler selbst an eine einfache Lebensweise hielt. In dem Buch von 1795 schildert Wurzer auch detailliert seine Sicht auf die physischen und geistigen Merkmale zahlreicher Völker, wodurch der Text des Dreißigjährigen zu einem – noch kaum gewürdigten – Dokument der damaligen Anthropologie wird. 1805 veröffentlichte Wurzer seine „Gedanken über die in Deutschland herrschende Theurung; nebst Vorschlägen, diese künftig abzuwenden“; auch seine im gleichen Jahr publizierten „Bemerkungen über den Branntwein“ (1805) zeigen durch den Zusatz „in politischer, technologischer und medicinischer Hinsicht“ den typischen umfassenden Ansatz Wurzers. Seine Übersetzung eines Werks des französischen Mediziners Anthelme Richerand (1779-1840) über medizinische Volksirrtümer erwies Wurzer einmal mehr als einen an Aufklärung und Rationalität orientierten Wissenschaftler. Zu Wurzers Spezialgebieten gehörte die chemische Analyse bei Krankheit auftretender Stoffe, aber auch die Wirkung von Mineralwasser; Wurzer legte wichtige Untersuchungen zu den Schwefelquellen von Nenndorf oder den Mineralquellen in Hofgeismar vor. Passend dazu widmete er sich häufig Erkrankungen der Nieren und Harnwege. Ein weiteres Hauptarbeitsfeld waren Fragen der öffentlichen Gesundheit. In Anerkennung seiner Leistungen wurde Wurzer 1834 die Ehrenbürgerwürde von Marburg verliehen, 1838 erhielt er die philosophische Ehrendoktorwürde und wurde Geheimer Obermedizinalrat. Von seinen Söhnen wurde Franz Joseph Rudolph ebenfalls Mediziner, während Eduard den Juristenberuf ergriff. Dessen Sohn Carl Wurzer emigrierte nach Detroit; zwei seiner Söhne wurden dort erfolgreiche Juristen. Ferdinand Wurzer starb 1844 in Marburg; in Bonn erinnert die Wurzerstraße an den großen Arzt und Chemiker.

Verfasser: Gregor Brand

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