Franz Josef Graf von Sternberg-Manderscheid Prager Sammler, Numismatiker und Mäzen aus Eifler Adel

Staunend standen die weltberühmten Prager Schriftsteller Franz Kafka und Rainer Maria Rilke in ihrer Schüler- und Studentenzeit sicherlich oft vor dem prachtvollen Hauptgebäude des Nationalmuseums am Wenzelsplatz. Zu den geistigen Vätern dieser Kulturinstitution gehört ein eifelböhmischer Adliger: Franz Josef Graf von Sternberg-Manderscheid. Mit ihm erreichte die alte Verbindung des Hauses Manderscheid mit Böhmen einen letzten Höhepunkt.

306_sternberg_39_16Franz Josef kam 1763 als Sohn des Kammerherrn Philipp Christian Graf von Sternberg und dessen Gemahlin Augusta Gräfin von Manderscheid-Blankenheim in Prag zur Welt. Als Erstgeborener der älteren Linie des böhmischen Adelshauses Sternberg stand er ab 1811 nach dem Tod seiner Eltern an der Spitze dieses hochvornehmen Adelsgeschlechts. Seine ersten Lebensjahrzehnte fielen in die Zeit vor der Französischen Revolution. Noch war die Familie seiner Mutter im ungetrübten Besitz aller manderscheidischen Besitzungen, zu denen insbesondere auch die Schlösser in Oberkail und Blankenheim gehörten. Franz Josef verbrachte prägende Jahre seiner Jugend im Rheinland – im Winter in Köln, im Sommer vorzugsweise in Blankenheim. Erst hier perfektionierte er seine Deutschkenntnisse, nachdem er als Kind zunächst – damaligen Adelsgepflogenheiten entsprechend – vorwiegend in Französisch unterrichtet worden war.

Starken Einfluss auf seine geistige Entwicklung nahm der Kölner Kanoniker und Gelehrte Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824), eine herausragende Persönlichkeit des damaligen Kölner Geisteslebens. Wallraff, Namensgeber des Wallraff-Richartz-Museums, erwarb sich unschätzbare Verdienste durch Sammlung und Rettung vieler Kulturschätze. Die wallraffsche Wertschätzung kultureller Leistungen fiel beim Junggrafen auf sehr fruchtbaren Boden. Vermutlich schon damals fing Franz Josef selbst an mit dem gezielten Sammeln von Bildern, Münzen und Büchern. Zudem wurde der Grundstock gelegt für die hohen Fachkenntnisse, die sich der Graf in Kunst und Geschichte erwarb. Anerkannter Experte wurde er auf dem Spezialgebiet der Münzkunde, wobei er vom reichen Anschauungsmaterial der numismatischen Sammlung im Besitz seiner Familie profitierte. Man kann nur ahnen, wie viele Stunden der Graf beim Betrachten, aber auch wissenschaftlich exakten Einordnen der Münzen verbrachte – eine Arbeit, die detailliertes Wissen über historische Zusammenhänge voraussetzte. Fasziniert war er aber nicht nur von den menschlichen Kulturschöpfungen, sondern auch von den Hervorbringungen der Erde. Bei seinen Reisen durch die Vulkaneifel registrierte er aufmerksam geologische Besonderheiten und nahm auffällige Versteinerungen in seine Sammlungen auf. Vom Rheinland aus unternahm er Reisen durch die Niederlande und Frankreich und kehrte dann nach seiner Heirat mit Franziska Gräfin von Schönborn-Heusenstamm 1787 dauerhaft nach Böhmen zurück. Aus der gräflichen Ehe gingen fünf Töchter hervor, durch deren Nachkommen sein Erbe bis heute fortlebt, auch wenn in ihren Namen „Manderscheid“ nicht mehr vorkommt. In Prag schloss Graf Franz Josef anfangs eine politische Laufbahn nicht aus. Sein Interesse an der politischen Entwicklung war beträchtlich, aber bald stießen ihn die politischen Streitigkeiten ab. Hinzu kam neben seiner Neigung zu ungestörtem eigenen Forschen auch ein weiterer Charakterzug: Nach Darstellung des Historikers und Politikers F. Palacký (1798-1876) war der liebenswürdige Graf von geradezu „beklagenswerter Bescheidenheit“. So kam es, dass er bei seiner Unterstützung von Intellektuellen und Künstlern persönlich eher im Hintergrund blieb.

1796 gehörte der Graf zu den Initiatoren einer adligen Gesellschaft von Kunstfreunden, aus der bald darauf die Akademie der bildenden Künste und eine Gemäldegalerie hervorgingen, die von ihm ebenfalls finanziell und durch Überlassung von Kunstwerken unterstützt wurden. Zu der von Graf Franz Josef ausgebauten familieneigenen Kunstsammlung gehörten ca. 73.000 Kupferstiche und rund 3.500 Zeichnungen; kaum verwunderlich ist, dass er auch Kenner und Sammler wertvoller alter Bücher war und viele vor Verlust bewahrte. Zusammen mit seinem Vetter Kaspar von Sternberg, einem führenden böhmischen Forscher und Intellektuellen seiner Zeit, war Graf Franz Josef die treibende Kraft hinter der 1818 erfolgten Gründung des Nationalmuseums, dem er seine kostbare Münzsammlung mit fast 4.000 Exemplaren vermachte. Keineswegs selbstverständlich für einen Angehörigen seines Standes und seiner Herkunft war, dass sich der Graf stark für die Förderung gerade der tschechischen Kultur und Sprache einsetzte und so eine beachtliche Rolle beim Aufbau des tschechischen Nationalbewusstseins im 19. Jahrhundert spielte.

Sternberg-Manderscheid starb in der Karwoche 1830 in Prag. Franz Palacký würdigte später dessen Verdienste mit höchstem Lob: Zusammen mit seinem Vetter Kaspar von Sternberg habe Graf Franz Josef unbestritten ein Menschenalter hindurch an der Spitze alles dessen gestanden, „was nur immer zu Förderung der Wissenschaft und Kunst in Böhmen unternommen“ wurde.

Verfasser: Gregor Brand

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