Georg Bollenbeck

– Kulturtheoretiker  und Literaturwissenschaftler aus Brühl

Georg Bollenbeck, einer der bedeutendsten deutschen Kulturwissenschaftler der vergangenen Jahrzehnte, wurde im Dezember 1947 als Sohn der Eheleute Hans und Regina Bollenbeck in Brühl geboren. Nach dem Besuch der Brühler Volksschule St. Franziskus war er von 1962 bis zum Abitur 1967 Schüler des traditionsreichen St. Michael-Gymnasiums in Bad Münster-eifel; zu seinen dortigen Lehrern gehörte der Schriftsteller Heinz Küpper (1930 – 2005). Anschließend studierte er an der Universität Bonn Germanistik, Geschichte, Politologie und Philosophie. Im Februar 1973 schloss Bollenbeck das Studium mit dem ersten Staatsexamen ab. Dank seiner mit „sehr gut“ bewerteten Abschlussarbeit über „Die Stellungnahme der Sozialdemokratie zum Imperialismus und zu militärischen Problemen“ konnte er an einem Graduiertenprogramm der Universität Bonn teilnehmen und promovieren.

Drei Jahre nach dem Staatsexamen legte Bollenbeck seine – ebenfalls mit „sehr gut“ bewertete – Dissertation „Zur Theorie und Geschichte der Arbeiterlebenserinnerungen“ vor – eine Thematik, die er auch er auch später noch mehrfach in Veröffentlichungen wieder aufgriff. Die Beschäftigung mit der Lebenssituation von Arbeitern passte gut zum universitären Zeitgeist der siebziger Jahre, war aber bei Bollenbeck keinesfalls Ausdruck opportunistischer Anpassung. Bollenbeck war ein überzeugter Linker, wie sich in seinen Schriften, aber auch in anderen Aktivitäten, vielfach  zeigte. In einem 2010 – seinem Todesjahr – veröffentlichten programmatischen Beitrag plädierte Bollenbeck ausdrücklich  „Für eine unbescheidene Linke“. Der manifestartige Text stellt – durchaus anders, als es dieser Titel erwarten lässt – eine kritische Bestandsaufnahme der derzeitigen Situation linker Intellektueller dar. Zugleich sah Bollenbeck allerdings die realistische Chance, „Sozialismus als Identifikations- und Motivationsbegriff wieder zu beleben“ und forderte einen „Sinngenerator“ für die Linke. Mit diesem – wohl auf den russischen Kulturtheoretiker Juri M. Lotman zurückgehenden – Begriff verteidigte Bollenbeck seine Hoffnung auf eine Wiederbelebung der „großen Erzählung“ von einer möglichen besseren Welt ohne Kapitalismus. Bollenbeck war Gründer und Sprecher des von der Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderten Graduiertenkollegs „Demokratie und Kapitalismus“. „Als es darauf ankam, ein linkes Studienwerk und die dazu gehörende Initialmenge linker VertrauensdozentInnen zusammenzubringen, zögerte er keine Sekunde“, schrieb Prof. Dr. Rainer Rilling in einem Nachruf.

Dauerndes Zentrum des wissenschaftlichen Arbeitens von Bollenbeck war die Universität-Gesamthochschule Siegen. Dort war er 1976 als wissenschaftlicher Assistent eingestellt worden und erstellte in den darauf folgenden Jahren seine Habilitationsschrift zum Thema „Der dauerhafte Schwankheld. Zum Ineinander von Produktions- und Rezeptionsgeschichte beim Till Eulenspiegel“. Nach erfolgreicher Habilitation wurde Bollenbeck im Dezember 1984, einen Tag vor seinem 37. Geburtstag, zum C 2-Zeitprofessor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft in Siegen ernannt; 1988 wurde er mit einer C 3-Professur im Fach Germanistische Literaturwissenschaft Professor auf Lebenszeit. Mitte der neunziger Jahre erreichten ihn Rufe auf C 4-Professuren in Aachen und Marburg, er blieb jedoch in Siegen.

Bollenbecks  wissenschaftliche Arbeit wurde über viele Jahre hinweg maßgeblich im Rahmen verschiedener Projekte finanziell unterstützt, insbesondere durch das Land NRW und die VolkswagenStiftung. Besonders hervorheben könnte man in diesem Zusammenhang die mehrjährige Förderung des Projekts „Begriffsgeschichte: Kultur“. Wesentlicher Ertrag speziell dieses Vorhabens war das im Frühjahr 1994 erschienene bollenbecksche Buch „Bildung und Kultur. Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters“. Die Jury der SZ-Bestsellerliste setzte es auf Platz 1 ihrer Sachbuch-Empfehlungen – eine hohe Anerkennung seiner kulturwissenschaftlichen Arbeit. Mit Inhalt und Geschichte des Begriffs „Kultur“ befasste sich auch Bollenbecks letztes Buch: „Eine Geschichte der Kulturkritik. Von Rousseau bis Günther Anders“ (2007). Zu der in einer Rezension erwähnten „Konjunktur des Kulturbegriffs“ (Renate Hof) hatte Bollenbeck selbst mit zahlreichen Publikationen, Vorträgen und Organisation von Tagungen nicht unwesentlich beigetragen. Bollenbecks Bücher sind überwiegend literatur- und kulturgeschichtlich angelegt. In biographischer Hinsicht befasste er sich besonders mit Leben und Werk der Schriftsteller Oskar Maria Graf und Theodor Storm.

Auffällig ist, dass sich Bollenbecks Leben ganz überwiegend im rheinischen Umkreis seines Herkunftsorts abspielte. Das spricht für eine ausgeprägte „Heimatverbundenheit“ des international beachteten Intellektuellen, auch wenn ihm dieser Begriff vermutlich suspekt war. Gastprofessuren führten ihn nach Berlin und Aix-en-Provence, aber auch in die USA (Emory University, Georgia) sowie in die thailändische Hauptstadt Bangkok. Professor Bollenbeck erlag im Oktober 2010 einer Krebserkrankung; er wurde in Bornheim-Brenig beigesetzt.  

Verfasser: Gregor Brand

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