Gerhard Schindler

Jurist, Geheimdienstler und Sicherheitsexperte aus Kollig

Viereinhalb Jahre lang stand ein Eifler an der Spitze des deutschen Auslandsgeheimdienstes: Der 1952 in dem Maifelddorf Kollig geborene Jurist Gerhard Schindler war bis zum Juli 2016 Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND). Mit seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand endete der aktive Dienst einer eindrucksvollen Beamtenkarriere, in deren Verlauf der Arbeitersohn bereits vor seiner Ernennung zum BND-Chef „zentraler Architekt der deutschen Terrorabwehr“ (so die ZEIT) geworden war.

Schindlers Eltern hatten 1950 in Kollig geheiratet, entstammten jedoch zwei deutschen Volksgruppen aus einem ganz anderen Teil Europas. Schindlers Vater kam als Siebenbürger Sachse aus Rumänien, seine Mutter hatte in dem heute zu Moldawien gehörenden Teil der Landschaft Bessarabien das Licht der Welt erblickt. Im Dorf Emmental (heute: Pervomaisc), etwa 75 km nordwestlich der ukrainischen Schwarzmeerstadt Odessa, lebten ihre Eltern wie die anderen bäuerlichen Bessarabien-Deutschen bis zur aufgezwungenen Entwurzelung im Jahr 1940. Zunächst wurden die deutschen Familien – darunter auch die des Ex-Bundespräsidenten Horst Köhler – ins besetzte Polen umgesiedelt. Diese von der NS-Propaganda großspurig als „großzügigste Umsiedlungsaktion der Weltgeschichte“ bejubelte Maßnahme war jedoch nur von kurzer Dauer. Die Familie von Schindlers Mutter konnte sich im Januar 1945 im letzten Moment vor den sowjetischen Truppen über die Ostsee retten und strandete in Hamburg. In der Elbmetropole lernte die junge Bessarabien-Deutsche den ehemaligen Soldaten Schindler kennen, der von seinem Kriegseinsatz an der Ostfront bleibende Gesundheitsschäden davongetragen hatte. Dank der Hilfe des späteren Limburger Weihbischofs Walther Kampe (1909–1989) fanden sie in der Eifel eine neue Heimat – also in der Region, von wo einst im Mittelalter die Vorfahren der Siebenbürger Sachsen nach Osten aufgebrochen waren.

Gerhard Schindler verbrachte seine ersten vier Lebensjahre in Kollig, wo sich die kleine Familie – 1958 kam als zweites Kind die Schwester Monika hinzu – in bescheidenen Verhältnissen durchschlagen musste. Nach dem Umzug nach Münstermaifeld besuchte er ab 1966 das Kurfürst-Balduin-Aufbaugymnasium. Dass er nach dem Abitur 1972 seine zweijährige Wehrdienstzeit beim Fallschirmjägerbataillon 261 in Lebach (Saar) absolvieren konnte, war nicht zuletzt seiner ausgezeichneten körperlichen Verfassung geschuldet; Fitness ist Schindler auch jetzt noch wichtig, wie man an seinem regelmäßigen morgendlichen Joggen erkennen kann. Als ausgebildeter Fallschirmspringer, Einzelkämpfer und Jagdkampfzugführer gehörte Reserveoffizier Schindler beim anschließenden Jurastudium in Saarbrücken ebenso zu einer kleinen Minderheit wie als Mitglied der FDP. Obwohl die FDP damals mit Politikern wie Genscher oder dem Wittlicher Hans Friderichs prominent in der Bundespolitik vertreten war, hatten überzeugte Liberale bei universitären Diskussionen keinen leichten Stand.

Nach dem Assessorexamen begann Schindlers Beamtenlaufbahn 1983 als Polizeivollzugsbeamter beim Bundesgrenzschutz. 1987 erfolgte eine weitere Weichenstellung: Der Eifler Volljurist wechselte zum Bundesamt für Verfassungsschutz nach Köln und wurde als Leiter eines Observationsreferats erstmals nachrichtendienstlich tätig. Zwei Jahre später war das Bundesinnenministerium die nächste Station – und blieb es nun für lange Zeit. Während seiner mehr als zwei Jahrzehnte währenden Tätigkeit im Innenministerium wurde Schindler zum Top-Experten auf sicherheitspolitisch sehr bedeutsamen, aber auch brisanten Gebieten. Er war erster Leiter der neuen Unterabteilung „Terrorismusbekämpfung“ und stand als Ministerialdirektor an der Spitze der Abteilung „Öffentliche Sicherheit“. Diese Abteilung war umfassend mit Sicherheitsfragen befasst und koordinierte unter anderem die Bekämpfung von Terrorismus, Organisierter Kriminalität und IT-Angriffen gegen gefährdete Infrastrukturen. Schindlers Ernennung zum Präsidenten des BND – und damit zum Chef einer weltweit agierenden Behörde von rund 6500 Mitarbeitern – wurde als klare Entscheidung zugunsten eines ausgewiesenen Fachmanns bewertet. Die mit diesem Spitzenamt verbundenen Herausforderungen angesichts der stetig komplexer werdenden internationalen Bedrohungslage waren ihm eindringlich bewusst. Warnend wies Schindler etwa auf die vom islamistischen Terror ausgehende Gefahr hin und betonte die Notwendigkeit enger Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten befreundeter Staaten. Vor allem die deutsch-amerikanische Kooperation war es dann aber, die den BND nach den Enthüllungen Edward Snowdens in die Bredouille brachte. Die aufgeflammte öffentliche Diskussion über Grenzen und Methoden geheimdienstlicher Operationen führte zur Einrichtung des NSA-Untersuchungsausschusses. Nach seinem ohne Bitterkeit erfolgten Abschied vom BND genießt Schindler, dass er jetzt mehr Zeit für Familie und Privatleben hat. Zudem sorgt eine neue Tätigkeit als Unternehmensberater für Sicherheitsfragen dafür, dass er auch weiterhin seinem spannenden Spezialgebiet nicht nur als Fan der Romane von John le Carré verbunden bleibt.

Verfasser: Gregor Brand

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