Gillis Hooftman – Großkaufmann und Reeder aus Eupen

Es ist ein denkwürdiges Phänomen der Weltgeschichte, dass zu Beginn der Neuzeit ab 1500 das zahlenmäßig gar nicht so große Volk der Niederländer in vielen Bereichen weltweit führend war. Obwohl auch in anderen Zeiten mit kulturellen und technischen Spitzenleistungen hervorragend vertreten, bildeten die Jahrhunderte nach der Reformation eine Glanzzeit der niederländischen Geschichte.

Dabei ist allerdings zu bedenken, dass der Begriff der „Niederländer“ damals Menschen anderer Gebiete einschloss als die, die zum heutigen niederländischen Staatsgebiet gehören – so beispielsweise auch Westeifler. Zu den Persönlichkeiten, die an der Spitze niederländischer Unternehmungen standen, gehört der 1521 in Eupen geborene Gillis Hooftman. Seine faszinierende Biographie wurde von dem 1985 verstorbenen Eupener Heimathistoriker Willi Berens beschrieben.

Gillis Hooftman war ein Sohn von Arnold Hooftman (Hauptmann) und dessen Ehefrau Katharina Hoesch. Die väterliche Familie nannte sich wohl ursprünglich „Eichelberg“ (bzw. van Eyckelberg) und war spätestens mit dem Vater von Gillis, der Meier eines Hofes war, in die belgische Eifel gekommen; der Name der Mutter deutet auf eine Herkunft aus dem Nordwesteifler Raum hin. Die Geburt von Gillis Hooftman fällt in die Zeit, als die bis dahin burgundischen Niederlande von den spanischen Habsburgern übernommen wurden; 1555 wurde das Gebiet, zu dem Eupen gehörte, offizieller Teil der Spanischen Niederlande. Derartige Gebietsveränderungen hatten damals im Zeitalter beginnender Glaubenskriege oft gravierende Folgen für die Einwohner. Als Zwanzigjähriger zog der tatendurstige Eupener Bürgersohn in die Handelsmetropole Antwerpen. Möglicherweise hing dies bereits mit der Glaubensproblematik zusammen, denn Hooftman war Anhänger des Reformators Jean Calvin, der unter der Elite der niederländischen Handelszentren besonders treue Gefolgschaft fand.

In Antwerpen wurde Hooftman als Kaufmann und Schiffseigner überaus erfolgreich. Er verlegte sich besonders auf den Holzhandel, war aber auch in anderen Handelszweigen und im Bankgeschäft aktiv. Das Netz internationaler Kontakte, das er – nicht zuletzt unter Einbeziehung seiner Familie und Eifler Landsleute – knüpfte, erstreckte sich im Osten bis ins waldreiche Russland, im Süden bis nach Afrika. Hooftman, Eigner zahlreicher Schiffe, wurde zum reichsten Kaufmann des an erfolgreichen Kaufleuten wahrlich nicht armen Antwerpen. Vermutlich sah er, nach Art der Calvinisten, darin einen Beweis für seine Auserwähltheit vor Gott, was ihn wiederum zu neuen Aktivitäten anspornte. In weltlicher Hinsicht profitierte er vor allem von seinen überragenden Kenntnissen des Schiffbaus und der Schifffahrt. Darin übertraf er sogar die allermeisten seiner Landsleute, was wiederum insofern besonders hoch einzuschätzen ist, als die Niederländer im 16. Jahrhundert unbestrittene Meister des Schiffsbaus waren und sensationell neue und erfolgreiche Schiffstypen entwickelten. Hooftman, fromm und aufgeschlossen zugleich, der selbst offenbar keine höhere Bildung erhalten hatte, interessierte sich intensiv für neue Entwicklungen auf unterschiedlichen Gebieten und förderte sie großzügig als Mäzen.

Wahrscheinlich war es Hooftman persönlich, der den berühmten Antwerpener Meisterkartographen Abraham Ortelius (1527-1598) zur Erstellung eines Buches mit Land- und Seekarten anregte – eine weitreichende und sensationelle Neuerung, durch die Hooftman zum Miterfinder der Atlanten wurde. Der weltweit erste moderne Atlas (Theatrum Orbis Terrarum) wurde 1570 von Ortelius in Antwerpen veröffentlicht und von Gillis Hooftman finanziert. Enge Freundschaft pflegte Hooftman zu dem in Antwerpen lebenden Humanisten und Kaufmann Johan Radermacher (1538 – 1617), der ebenfalls aus der Aachener Gegend stammte. Radermacher heiratete eine Nichte von Gillis Hooftman; zu den Nachfahren dieses Paares zählen hervorragende Wissenschaftler. Freundschaftlich und finanziell hilfreich war Hooftman auch mit dem Antwerpener Maler Marten de Vos verbunden; diesem Künstler verdankt die Nachwelt eindrucksvolle Porträts des langbärtigen Großkaufmanns und seiner Familie. Verdüstert, öfters bis an die Grenze der Lebensgefahr, wurde Hooftmans Leben durch die überaus erbitterten Kämpfe zwischen den brutal auftretenden katholischen Spaniern und den auf Unabhängigkeit bestehenden calvinistischen Niederländern. Hooftman, der auch Ratsherr in Antwerpen war und mit Wilhelm von Oranien sympathisierte, überstand die Kämpfe durch äußere Anpassung. Dass die Niederländer letztlich erfolgreich waren, beeindruckte noch 200 Jahre später Friedrich Schiller: „Eine der merkwürdigsten Staatsbegebenheiten, die das sechzehnte Jahrhundert zum glänzendsten der Welt gemacht haben, dünkt mir die Gründung der niederländischen Freiheit“.

Gillis Hooftman starb 1581 in Antwerpen und wurde in Den Haag beerdigt. Aus seinen insgesamt drei Ehen gingen mindestens neun Kinder hervor, die in vornehme Bürger- und Adelsfamilien einheirateten. Von den Nachkommen des Eupener Großkaufmanns in den folgenden Generationen sind weit über viertausend Personen namentlich bekannt.

Verfasser: Gregor Brand

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