Heinz Henseler

Tierzuchtforscher aus Euskirchen

Heinz Henseler, einer der großen deutschen Tierzuchtwissenschaftler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, kam am 7. Mai 1885 in Euskirchen als Sohn des katholischen Landwirts Josef Henseler und dessen Ehefrau, der Lehrerin Elisabeth Maria Breuer, zur Welt. Bereits beim Abitur 1903 in Bonn stand für ihn fest, dass sein Lebensweg der Landwirtschaft verbunden bleiben sollte. Allerdings begann er erst drei Jahre später zum Wintersemester 1906/1907 mit dem Studium der Landwirtschaft an der Universität Halle/Saale. Zuvor war der Bauernsohn keineswegs müßig gewesen, sondern hatte seine frühen agrarpraktischen Erfahrungen bereits zielstrebig erweitert: teils auf einem Gutshof in der rheinischen Heimat, teils als Wirtschafter auf einem ostelbischen Rittergut in Mecklenburg. Erste Studienreisen führten ihn nach Skandinavien, bevor er ein halbes Jahr lang in der fruchtbaren Goldenen Mark um Duderstadt als Verwalter eines Stadtguts eine wieder andere Bewirtschaftungsweise kennenlernte. Außerdem gehörte eine einjährige Dienstzeit bei einem Artillerieregiment zu seinem voruniversitären Erfahrungsschatz.
Das Studium in Halle ging gut voran; der primär an Tierzuchtfragen interessierte Student war erkennbar hoch motiviert. In den Semesterferien arbeitete Henseler in der Landwirtschaft, zudem reiste er erneut studienhalber ins Ausland und verschaffte sich 1907 einen Eindruck von britischen Farmen. 1910 konnte er in Halle seine Doktorarbeit „Über das spezifische Gewicht und die chemische Zusammensetzung der Knochensubstanz von Lauf- und Schrittpferden in ihrer Beziehung zur Knochenfestigkeit“ veröffentlichen. Noch im gleichen Jahr wurde der vielversprechende Jungforscher Assistent in der Hallenser Universitätsabteilung für Tierzucht und Molkereiwesen. In der Tierzucht deuteten sich damals bahnbrechende Veränderungen an. Zwar hatten Fragen der Vererbung für Tierzüchter schon seit jeher eine Hauptrolle gespielt, aber erst durch neue Erkenntnisse trat nun die naturwissenschaftliche Genetik zusehends in den Vordergrund. Wissenschaftlich ausgerichtete Tierforscher wie Henseler untersuchten die Anwendung der von Gregor Mendel entdeckten Vererbungsgesetze und folgten fasziniert den Forschungsfortschritten etwa zur Bedeutung der Chromosomen. Ein Problem der damaligen Forscher war der Umstand, dass ihnen die fundamentale Rolle der Vererbung bereits bewusst war, ehe sie die konkreten biologischen Vorgänge im Detail auf Zellebene nachweisen konnten. Sie mussten daher mit der sorgfältigen Beobachtung und Messung phänotypischer Veränderungen vorlieb nehmen und einschätzen, inwieweit bei diesen Veränderungen genetische oder aber andere Faktoren maßgeblich sind. Henseler habilitierte sich 1913 mit einer auf Schweine fokussierten Studie zum Einfluss der Ernährung auf die morphologische und physiologische Gestaltung des Tierkörpers. Der Berufsweg des Privatdozenten wurde durch den Weltkrieg unterbrochen, in dem Artillerieoffizier Henseler erst an der Front in Frankreich, dann im Stab des Generalkommandos des XV. Armee-Korps eingesetzt wurde. 1916 wurde er Extraordinarius an der Universität Göttingen. Sein dauerhafter wissenschaftlicher Wirkungsort wurde ab 1920 die TH München; zusätzlich hatte er einen Lehrauftrag für landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität München. Von Bayern aus prägte Henseler, seit 1921 in zweiter Ehe mit der Malerin Marion Nentwig verheiratet und Vater des Sohnes Heinz Arno, als ordentlicher Professor und Direktor des Instituts und Labors für Tierzucht und Züchtungsbiologie die Entwicklung seines Faches maßgeblich mit. Wie einst als Student, nun allerdings in noch viel größerem Maßstab, bereiste er Länder und Kontinente, um durch persönliche Beobachtung und Kontakte seine tierzüchterischen Kenntnisse ständig zu erweitern. Den wissenschaftlichen Ertrag dieser Reisen, die ihn etwa 1926/1927 bis nach Australien und Neuseeland führten, präsentierte er regelmäßig in Publikationen. Seine Veröffentlichungen umfassten insgesamt Arbeiten zu den wirtschaftlich wichtigsten Nutztieren (Pferde, Schweine, Rinder und Schafe), galten aber auch einer Vielzahl sonstiger Haustiere, allgemeinen Fragen von Tierzucht und Vererbung sowie historischen und volkskundlichen Aspekten seines Faches. Henselers hohes Ansehen als Zuchtexperte zeigte sich in nationalen und internationalen Ehrungen. So erhielt er beispielsweise 1931 die Max-Eyth-Denkmünze, 1932 die Hermann-von-Nathusius-Medaille, 1935 die französische Staatsmedaille für Wissenschaft und Arbeit sowie eine Ehrenmedaille der Stadt Paris. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit war er auch sonst im Tierzuchtbereich sehr aktiv; er amtierte u. a. als Präsident des Reichsverbandes für das deutsche Katzenwesen und als Mitglied der Reichssportkommission für das Hundewesen.
Henselers 60. Geburtstag fiel exakt auf den Tag der Kapitulation der Wehrmacht. Nach Kriegsende wurde er beurlaubt, 1948 emeritiert. Professor Henseler starb am 12.02. 1968 in München – also genau am Geburtstag Charles Darwins (1809-1882), dessen Evolutionstheorie sein Weltbild maßgeblich mitgeprägt hatte.

Verfasser: Gregor Brand

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