Hermann Pünder

Jurist und Politiker aus Eifler Familie

312_puender_46_16Chef der Reichskanzlei, Kölner Oberbürgermeister – der im Dreikaiserjahr 1888 geborene Hermann Pünder gehört in  die Reihe der Persönlichkeiten, die in der Weimarer Republik und beim Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg eine bedeutende Rolle spielten. Obwohl gebürtiger Trierer, führt seine Herkunft väterlicherseits und mütterlicherseits in die Eifel zurück. Nach seiner eigenen Formulierung stammten die Pünders „aus kernigem Bauerngeschlecht in der Voreifel“. Sie waren im Raum Mechernich-Lückerath  alteinsässig und kamen nach Trier erst durch Hermanns Vater, den Richter Hermann Joseph Pünder (1841-1917).  Dessen Ehefrau Carola Schoemann (1856-1942) dagegen war – so ihr Sohn Hermann – eine Tochter des „hochkultivierten Moselgebiets“. Ihr Vater, der in Wittlich geborene Bankier und Abgeordnete Damian Ernst Schoemann (1807-1876), hatte es in Trier zu Wohlstand und Ansehen gebracht.

Nach der Ernennung von Hermann Josef Pünder zum Richter am OLG Köln zog die Familie 1889 von der Mosel an den Rhein.  Obwohl Vater Pünder im Jahr 1900 Reichsmilitärgerichtsrat in Berlin wurde, blieb Sohn Hermann bis zum Schulabschluss im Rheinland. Auf das Abitur in Münstereifel folgten Jurastudium, Militärdienst und Promotion (1910). Im Weltkrieg diente Leutnant Pünder an Ost- und Westfront. Nach Kriegsende absolvierte der sehr selbstbewusste und kontaktfreudig-umgängliche Rheinländer die Karriereschritte als Verwaltungsjurist bis zur Ernennung zum Staatssekretär in der Reichskanzlei in sensationell kurzer Zeit. Mit seinen erst 38 Jahren war er 1926 der mit Abstand jüngste Staatssekretär, den es bis dahin in Preußen und im Reich gegeben hatte. Historiker wie Rudolf Morsey führen diesen Aufstieg neben ausgewiesener Kompetenz auch auf Pünders ausgeprägte Fähigkeit zum schnellen und treffenden Formulieren wichtiger Dokumente zurück; hilfreich war sicherlich auch seine Mitgliedschaft in der Zentrumspartei. Als Chef der Reichskanzlei gehörte Pünder unter vier Reichskanzlern zum innersten Kern der Berliner Regierungsmacht. So wichtig diese Position auch war – am entscheidenden Gang der Dinge draußen (Weltwirtschaftskrise, politische Radikalisierung) konnte der Spitzenbeamte natürlich kaum etwas ändern.

Als Reichskanzler Brüning 1932 sein Amt aufgeben musste, wurde Pünder zunächst in den einstweiligen Ruhestand versetzt, aber schon wenige Monate später zum Regierungspräsidenten in Münster ernannt. Die NS-Machtübernahme führte im Juli 1933 zur Absetzung des Nazi-Gegners Pünder, der sich auf einen kleinen, selbstbewirtschafteten Bauernhof bei Münster zurückzog.

Lebensbedrohlich wurde seine Lage gegen Ende des Weltkriegs. Kontakte mit Widerständlern aus dem Kreis um Goerdeler führten zu seiner Verhaftung durch die Gestapo, brutalen Verhören und schließlich zum Hochverratsprozess im Dezember 1944 vor dem Volksgerichtshof. Das fast sicher zu erwartende Todesurteil konnte – laut Historiker Morsey – nur durch das Eingreifen des Dirigenten und Staatsrats Heinz Tietjen verhindert werden, der dafür seine Kontakte zu Göring nutzte. Trotz des Freispruchs verhaftete die Gestapo Pünder erneut. In den letzten Kriegsmonaten war Pünder in mehreren KZs interniert und konnte erst Anfang Mai 1945 befreit werden.   

Nach Kriegsende setzte sich Pünder sofort für einen Neuaufbau auf christlich-demokratischer Grundlage ein. Der Mitgründer der westfälischen CDU wurde im November 1945 von der britischen Besatzungsmacht zum Oberbürgermeister von Köln ernannt. Während seiner etwa zweieinhalb Jahre währenden Amtszeit gehörten der Wiederaufbau der zerbombten Großstadt und fundamentale politisch-wirtschaftliche Weichenstellungen gleichermaßen zum  Mittelpunkt seiner Arbeit. 1948 wurde Pünder Oberdirektor der Bizone. Damit stand er an der  deutschen Spitze der von Briten und Amerikanern besetzten Gebiete. In diesem Amt sowie in anderen Funktionen gehörte Pünder zu den ersten und nachdrücklichsten Befürwortern des von A. Müller-Armack entwickelten Konzepts der „Sozialen Marktwirtschaft“ sowie der ökonomischen Neuorganisation im Sinn Ludwig Erhards. Dass sich Pünders politischer Einfluss nach Gründung der BRD 1949 nicht an höchster Stelle fortsetzte, lag am schwierigen Verhältnis zu Adenauer, von dem der direkt gewählte CDU-Bundestagsabgeordnete (bis 1957) Pünder teilweise ähnlich enttäuscht war wie sein Wittlicher Kollege M. J. Mehs. Auch wenn Pünder dadurch nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit stand, agierte er weiterhin führend auf außerordentlich vielen Ebenen, vom kommunalen Bereich bis zur aufkommenden europäischen Zusammenarbeit, nicht zuletzt auch in wissenschaftlichen und kulturellen Vereinigungen. In seinen Lebenserinnerungen „Von Preußen nach Europa“ (1968) hielt Pünder Politisches ebenso fest wie Privates. Aus seiner Ehe mit Magda Statz gingen mehrere Kinder hervor, darunter der Münsteraner Oberstadtdirektor und CDU-Politiker Dr. Tilman Pünder; dessen Sohn Hermann Pünder (geb. 1966) setzt als Rechtsprofessor die juristische Familientradition fort. Hermann Pünder, der frühere Reichskanzleichef und Oberbürgermeister,  starb 1976 und wurde auf dem Melaten-Friedhof in Köln beerdigt.

Verfasser: Gregor Brand

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