Hermann Schnitzler

Kunsthistoriker aus Monschau

287_schnitzler_hermann_19_18Zwei Begriffe, die auf unterschiedliche Weise einen glanzvollen Namen in der Welt der Kunst haben, sind besonders mit Hermann Schnitzler verbunden. Das eine ist der so genannte „Bassenheimer Reiter“. Dieses sich in der Pfarrkirche Bassenheim befindende grandiose Sandsteinrelief mit der Reiterdarstellung des heiligen Martin wurde von Schnitzler als Werk aus dem Umkreis des weltberühmten Naumburger Meisters (um 1250) identifiziert. Nicht minder dauerhaft ist Schnitzlers Name mit dem illustren Kölner Museum Schnütgen verbunden, dessen Leitung er jahrzehntelang prägend innehatte. 

Hermann Schnitzler wurde 1905 in Monschau als Sohn des katholischen Textilfabrikanten Josef Schnitzler und dessen Ehefrau Elisabeth Breuer geboren. Während die Schnitzlers seit Jahrhunderten in Monschau einheimisch waren, war seine Mutter die Tochter eines Textilfabrikanten aus der Lausitz. Nach dem Abitur am Kaiser-Karls-Gymnasium in Aachen studierte Schnitzler anfangs Musik in Stuttgart, danach Kunstgeschichte in Berlin und Bonn. Der Wechsel an den Rhein hing mit der rheinischen Verwurzelung Schnitzlers zusammen, speziell mit seinem Interesse an der mittelalterlichen Kunst seiner Aachener Heimatregion. In Bonn wurde der herausragende Kunsthistoriker Paul Clemen, ein sächsischer Pfarrerssohn und späterer Ehrenbürger von Bonn, Schnitzlers Doktorvater. Der Monschauer promovierte bei ihm mit der 1934 veröffentlichten Studie „Die Goldschmiedeplastik der Aachener Schreinswerkstatt“, in der er sich grundlegend mit der Stilgeschichte des Aachener Karlsschreins befasste. Nach kurzen Forschungsaufenthalten in den USA (Harvard) und England (Cambridge) wurde Dr. Schnitzler 1934/1935 als Mitarbeiter bei der Inventarisation der rheinischen Kunstdenkmäler herangezogen; in diese Zeit fällt die eingangs erwähnte kunstgeschichtliche Einordnung des Bassenheimer Reiters. Anfang 1936 kam der in Fachkreisen hoch eingeschätzte junge Kunsthistoriker an den Ort, der für die weiteren Jahrzehnte seines Berufslebens zur entscheidenden Wirkungsstätte werden sollte: das sich damals noch im Deutzer Heribertskloster befindende Museum Schnütgen. Notgedrungen wurde im Weltkrieg die Rettung der überaus wertvollen Kölner Kunst- und Kirchenschätze zum vorrangigen Ziel seiner unermüdlichen Bemühungen.

Nach dem Krieg konnte Schnitzler sich endlich frei auch mit moderner Kunst befassen, die in der NS-Zeit verpönt und verboten war. Es wurde nun deutlich, dass Schnitzlers Interesse an der Moderne dem am Mittelalter kaum nachstand. Im Kreis von Kunstliebhabern und befreundeten Künstler wie den Kölner Malern J. Fassbender, H. Berke und H. Trier wurden die künstlerischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts lebhaft diskutiert. Einen lockeren Rahmen dafür bildeten Veranstaltungen der sogenannten Donnerstaggesellschaft auf Schloss Alfter. Die dort, aber auch andernorts von Schnitzler gehaltenen Vorträge – etwa zu Themen wie „Abschied von Rilke“ oder „Picassso in uns selbst“ fanden ein beachtliches Echo und wurden teilweise sogar im Radio ausgestrahlt. Schnitzler war es wichtig, Vorurteile etwa gegenüber der Abstrakten Malerei oder dem Surrealismus abzubauen. Ein weiteres Hauptanliegen war für ihn, den Ländergrenzen überschreitenden Zusammenhang von Kunst herauszustellen und für freundschaftliche Begegnungen über Staatsgrenzen hinweg zu nutzen.

Die heute oft wie eine Selbstverständlichkeit erscheinende Wichtigkeit dieser Geisteshaltung kann man wohl nur richtig einschätzen, wenn man sich die tiefen Gräben bewusstmacht, die jahrhundertelang auch an Rhein und Maas bestanden und durch den Weltkrieg noch vertieft worden waren. Von Schnitzler konzipierte Kunstausstellungen dienten auch dem kulturpolitischen Ziel, durch Bewusstmachung des gemeinsamen abendländischen Erbes transnationale Verbindungen zu schaffen. Weniger in die Öffentlichkeit wirkend, aber von der Fachwelt hoch beachtet, waren Schnitzlers wissenschaftliche Veröffentlichungen. In den sechziger Jahren galt sein besonderes Interesse der ottonischen Kölner Malerschule des Mittelalters. Sein zusammen mit Peter Bloch dazu publiziertes zweibändiges Corpus ist ein Grundlagenwerk, mit dem sich nach wie vor Kunsthistoriker auseinandersetzen. Schnitzler, der seit 1954 als Honorarprofessor in Bonn lehrte und bedeutende Kunstsammler beriet, wurde anlässlich seines 60. Geburtstages im Jahr 1965 mit einer Festschrift geehrt, die hochinteressante Fachbeiträge enthält und mit einem Verzeichnis seiner Schriften Schnitzlers gelehrte Produktivität dokumentiert. Zudem erinnerte das Buchcover mit einer Abbildung des Bassenheimer Reiters noch einmal an eine von Schnitzlers großen Leistungen.

Kunst und Kunstfragen spielten auch im Familienleben Schnitzlers eine hervorgehobene Rolle. In erster Ehe war er mit Agnes Renard (1902-1962) verheiratet, deren Vater Kölner Diözesanbaumeister war und zu deren verwandtschaftlichem Umfeld nicht wenige Künstler gehörten. Drei Jahre nach dem Tod seiner Frau ging Schnitzler sechzigjährig eine zweite Ehe ein. Der Kunsthistoriker aus der Eifel starb 1976 in Köln und wurde auf dem dortigen Melaten-Friedhof beerdigt.

Verfasser: Gregor Brand

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