Hubert Bastgen

Kirchenhistoriker und Sondergesandter aus Cochem

Der 1876 in Cochem geborene Hubert Bastgen entwickelte sich zu einem der interessantesten Kirchenhistoriker seiner Zeit. Mannigfache Verbindungen zu führenden Persönlichkeiten der Kaiserzeit machten seinen eifeltypischen Familiennamen auch in Kreisen der Politik zwischen Berlin und Rom wohlbekannt. In der Mitte seines sechsten Lebensjahrzehnts kam es zu einem dramatischen Bruch seiner Biographie. Daraufhin verbrachte der renommierte Vatikanforscher die verbleibende Lebenszeit als Pater Beda Bastgen in dem bayerischen Benediktinerkloster Schäftlarn. Bevor auf die Umstände dieser Lebenswende eingegangen wird, soll zunächst sein Werdegang kurz vorgestellt werden.

Hubert Bastgen, ältester Sohn des Schmiede- und Schlossermeisters Jakob Bastgen und dessen erster Ehefrau Katharina Krones, besuchte die Volksschule und höhere Bürgerschule seines Heimatorts. Nach dem Abitur 1896 in Montabaur studierte er Theologie in Trier und wurde dort 23-jährig zum Priester geweiht. Wie sich bald zeigte, fühlte sich Bastgen stärker zur Gelehrsamkeit als zur Seelsorge berufen. Nach zweijährigem Kaplansdienst in Neuwied studierte er Geschichte in Bonn und Berlin und erwarb schließlich in Breslau den theologischen Doktortitel; das Thema seiner 1906 veröffentlichten 56-seitigen ersten Dissertation lautete: „Die Entstehung der Trierer Archidiakonate“. Nur ein Jahr danach folgte der zweite Doktortitel. Obwohl Dr. theol. Dr. phil. Bastgen zwischenzeitlich auch das Oberlehrer-Examen erfolgreich absolviert hatte, richtete sich sein Augenmerk weiter primär auf die Wissenschaft. Noch im Jahr 1907 startete er an der päpstlichen Adelsakademie in Rom ein Kurzstudium, das er 1908 mit seinem dritten und letzten Doktortitel – diesmal im Kirchenrecht – krönte. Zurück im Kaiserreich, habilitierte sich der Dreifachdoktor 1910 an der Universität Straßburg, wo er zunächst als Privatdozent, schließlich als Professor lehrte. Zum Schwerpunkt seiner Studien machte er die deutsch-österreichische Kirchengeschichte des frühen 19.  Jahrhunderts und vertiefte sich dabei immer wieder ins Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Forschungsaufenthalte, aber auch ausgiebige Korrespondenz und persönliche Kontakte zu Angehörigen alter Adelsfamilien brachten ihn mit Persönlichkeiten in Kontakt, die in den Weltkriegsjahren die mitteleuropäische Politik gestalteten. Besonders bedeutsam wurde sein enges Vertrauensverhältnis zum 1921 ermordeten Zentrumspolitiker Matthias Erzberger. Auf Erzbergers Initiative wurde Bastgen im Krieg zum „Sondergesandten der Deutschen Reichsregierung und des Heiligen Stuhls“ ernannt und damit beauftragt, auf eine politisch erwünschte Vereinigung der bulgarisch-orthodoxen mit der römisch-katholischen Kirche hinzuwirken. Trotz eines gedeihlichen Verhältnisses zum bulgarischen Zarenhof zerschlugen sich diese Pläne jedoch durch den weiteren Kriegsverlauf. In Zusammenarbeit mit Erzberger war Bastgen maßgeblich daran beteiligt, die Möglichkeit eines Exils für Papst Benedikt XV. in Liechtenstein auszuloten. Der Natur der Sache entsprechend vollzogen sich Bastgens geheimdiplomatische Missionen überwiegend diskret im Hintergrund; ihr Ausmaß ist erst ansatzweise bekannt.
Bei all dem waren Bastgens kirchenhistorische Forschungen durchaus nicht zum Erliegen gekommen. Erzberger selbst würdigte Bastgens 2000-seitige Dokumentation über die „Römische Frage“ zum Gebiet und Status des Vatikanstaats als „Riesenfleiß einer Bienenarbeit“. In den 1920er Jahren schlug sich der von vielen bewunderte Arbeitseifer des Cochemers in einer Fülle grundlegender Archivstudien nieder. Bastgen lebte nun als Privatgelehrter und Führungspersönlichkeit der Görres-Gesellschaft in Rom. Er wurde zum Dauerbesucher des Vatikanarchivs, dessen überaus reichen Bestand er für ausgiebige Forschungen zur päpstlichen Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts nutzte; Bastgens Monographien und Aufsätze enthalten mehrfach im Titel den Verweis auf die „Akten des Vatikanischen Geheimarchivs“. Genau dieses Vatikanische Archiv wurde Bastgen schließlich zum Verhängnis, als er trotz strengen Verbots Archivmaterial in seine römische Wohnung mitnahm. Der Kirchenhistoriker Reimund Haas – Kenner, aber auch Kritiker Bastgens – beschrieb dies so: „Bei einer Taschenkontrolle im Sommer 1930 fiel sein Verstoß gegen die Benutzerordnung auf und wurde vom Präfekten des Vatikanischen Archivs mit dem sofortigen und dauernden Ausschluss von der Benutzung des Archivs sanktioniert.“ Die damit einhergehende Schmach führte zu einer Lebenskrise, die Bastgen mit dem Eintritt ins Kloster zu bewältigten versuchte. In der Abgeschiedenheit von Schäftlarn konnte er, wenn auch unter zunehmend schwierigeren Bedingungen, weiter forschen und publizieren. In Unruhe versetzten ihn 1940 Besuche der Gestapo, die ihn wegen seiner einstigen Kontakte zu Erzberger verhörten. Neben dem furchtbaren Kriegsgeschehen verdüsterten auch die Folgen eines Schlaganfalls die letzten Lebensjahre des Gelehrten. Fast genau ein Jahr nach Kriegsende verstarb der leidenschaftliche Kirchengeschichtsforscher in Schäftlarn.

Verfasser: Gregor Brand

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