Innocent Wolf

– Amerikanischer Benediktinerabt aus Schmidtheim

Im Mittleren Westen der USA, seinem späteren Hauptwirkungsgebiet, dürfte der Name Innocent Wolf („Unschuldiger Wolf“) vielen wie ein Indianername vorgekommen sein. In Wirklichkeit handelte es sich bei „Innocent“ um den Ordensnamen des am Gründonnerstag 1843 in Schmidtheim (heute: Dahlem) geborenen Nordeiflers Thomas Friedrich Wilhelm Wolf, der zu den Pionieren katholischen Mönchtums und Erziehungswesens in den USA gehört. Thomas Wolf war das neunte und jüngste Kind des Lehrers Johann Peter Wolf und dessen Ehefrau Anna Gertrud Molitor. Wie viele der kinderreichen katholischen Familien in der rheinpreußischen Eifel trug sich auch die Lehrerfamilie Wolf mit Auswanderungsgedanken. Zur Erkundung der Lage schickten die Wolfs zunächst ihren ältesten Sohn Johann in Begleitung eines Bruders seiner Mutter über den Atlantik. In Kenosha County (Wisconsin) am Westufer des Michigansees, einem beliebten Ziel vieler Eifelemigranten, kaufte Johann Wolf eine Farm. 1851 folgte die gesamte Familie Wolf, die nun hauptsächlich von der Bewirtschaftung des neuen Bauernlandes lebte; daneben unterrichtete Vater Wolf, der bereits 1856 starb, die Schulkinder vor Ort. Für die Eifler Auswanderer war das Gebiet im Kenosha County unerschlossenes Pioniergebiet; dass es bereits seit über 10.000 Jahren besiedelt war, konnten sie nicht wissen.

Thomas Wolf erhielt – wie seine Brüder Peter und Ferdinand – seine höhere Schulausbildung in der weit entfernten St. Vincent-Abtei in Pennsylvania. Die Anfänge des dortigen katholischen Lebens sind mit dem Trierer Land auf besondere Weise verbunden, weil zu den ersten Geistlichen des Gebietes die Brüder Helbron gehörten, die aus einer Trierer jüdischen – zur katholischen Kirche konvertierten – Familie stammten; Johann Baptist Helbron wurde während einer Europa-Reise von antiklerikalen französischen Revolutionären verhaftet und 1793 in Bayonne guillotiniert. Der Unterricht in St. Vincent erfolgte in Latein, Deutsch und Englisch; unter den Lehrkräften befanden sich angesehene deutsche Gelehrte. Als 18-Jähriger legte Thomas Wolf die Gelübde für den Benediktinerorden ab und nahm den Ordensnamen Innocent an. Anschließend studierte er fünf Jahre lang Theologie und Philosophie, bevor er im Mai 1866 in Chicago – wo seine Mutter inzwischen lebte – zum Priester geweiht wurde. Überzeugt von den hohen geistigen Fähigkeiten seines Mitbruders, schickte der Abt von St. Vincent den Eifler zur weiteren Ausbildung nach Europa an die riesige Universität Sapienza, die älteste Universität Roms, deren Anfänge ins Hochmittelalter zurückreichen. Auf dieser Universität absolvierte Wolf ein vierjähriges Theologiestudium, das er mit der Promotion abschloss. Im Sommer 1870 kehrte Dr. Innocent Wolf in die USA zurück, wo er nun selbst am St. Vincent College lehrte. Abt Wolf war nach Angaben des Benediktiners Alexius Hoffman (1863-1940) der einzige unter den amerikanischen Benediktineräbten vor 1900, der über fundiertes Wissen im Kirchenrecht verfügte. Am Michaelis-Tag 1876 wurde Innocent Wolf zum ersten Abt der Benediktinerabtei St. Benedict’s in Atchinson (Kansas) gewählt. Nach päpstlicher Bestätigung seiner Ernennung sorgte der tatkräftige Abt in den folgenden Dekaden für einen stetigen Ausbau seines Klosters, das sich im – nicht nur klimatisch – rauhen Klima des amerikanischen Westens behauptete. Innocent Wolf scheute sich nicht, im harten Arbeitsalltag der Mönche Hand anzulegen und etwa bei Holzarbeiten, im Weinberg oder bei Reparaturen eigenhändig mitzuarbeiten. Besonders wichtig war ihm eine möglichst qualifizierte Ausbildung der Schüler im abteieigenen College; ein spezielles Anliegen war dem Abt, der mehrere Instrumente beherrschte, die Förderung des Musiklebens. Durch seine umfassenden Aktivitäten, auch in der Seelsorge der Region, erwarb sich Abt Innocent ein so hohes Ansehen im Benediktinerorden, dass er 1896 zum Abtpräses der amerikanisch-cassinensischen Benediktinerkongregation gewählt wurde und damit an der Spitze der größten Benediktiner-Vereinigung Nordamerikas stand. Abt Wolf führte die US-Benediktiner ins 20. Jahrhundert, ehe er sein Amt 1902 seinem Nachfolger, dem aus Bausendorfer Familie stammenden Abt Peter Engel (1856-1921), überließ. Während seiner fast ein halbes Jahrhundert umfassenden Regentschaft als Abt prägte Innocent Wolf Generationen von Priestern und Mönchen. Erst im Jahr 2008 starb mit dem 101 Jahre alten Gilbert F. Wolters OSB der letzte Mönch, der – als Messdiener – mit Abt Wolf persönlich die Heilige Messe gefeiert hatte. Bei einer Ansprache im Jahr 1957 würdigte Theodore M. Hesburgh (1917-2015), der später berühmt gewordene Professor und langjährige Präsident der University of Notre Dame (Indiana, USA) und Rekordinhaber von 150 Ehrendoktoraten, Abt Innocent Wolf als katholischen Giganten („giant“) in der Geschichte des Bundesstaates Kansas. Eine eigentümliche Ehrung war dem Abt aus Schmidtheim, der im Oktober 1922 verstarb, noch zu Lebzeiten zuteil geworden, als ihm Papst Benedikt XV. (1914-1922) gestattete, das prachtvolle repräsentative Gewand der Cappa magna zu tragen, das eigentlich nur Bischöfen zustand.

Verfasser: Gregor Brand

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