Jean Ignace Roderique

– Publizist und Historiker aus Malmedy

Der Name der belgischen Kleinstadt Malmedy war in früheren Jahrhunderten den Menschen in der Eifel vielleicht vertrauter als heute. Dies lag daran, dass der Ort – am Rand der Westeifel in der Mitte zwischen St. Vith und Eupen gelegen – als Sitz des uralten, noch in die merowingische Zeit zurückreichenden Klosters Malmedy einen vertrauten Klang hatte und die Herrschaft der Reichsabtei Stablo-Malmedy weit in andere Eifelgebiete ausstrahlte. In Malmedy wurde 1696 Jean Ignace (auch: Johann Ignatz) Roderique geboren, der zu den wichtigsten Publizisten des 18. Jahrhunderts gezählt wird.
Jean Ignace stammte aus angesehenen Bürgerfamilien seiner Vaterstadt. Seine Mutter Anne Marie Mayer war mit dem Notar Quirin Mayer verwandt, sein Vater Jean Roderique war Goldschmied, Uhrmacher und Bürgermeister in Malmedy. Zu seinen Kunden zählten Kirchen und Klöster der Eifel; er starb 1759 im damals sensationell hohen Alter von 96 Jahren. Jean Ignace hatte eine Schwester namens Catherine Françoise, aus deren Ehe mit Jaspar Jacquemotte der Publizist Anton Caspar Jacquemotte (1725–1764) hervorging. Der genaue Ausbildungsweg von Jean Ignace Roderique ist nicht bekannt, aber er war jedenfalls befähigt, in seinen zwanziger Jahren an den Jesuitengymnasien in Trier und Neuss in den unteren Klassen Latein zu lehren und danach in Osnabrück Altgriechisch zu unterrichten. Als junger Mann schloss sich Roderique dem Jesuitenorden an, den er aber noch vor Ablauf eines Jahrzehnts wieder verließ. Während seines Theologiestudiums in Köln und Münster fiel er dem Jesuitengelehrten Bartholomäus des Bosses so positiv auf, dass dieser ihn dem Bibliothekar und Historiker J. G. von Eckhart, einem Mitarbeiter des Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, empfahl. Auf Eckarts Empfehlung hin wurde Roderique 1725 in Würzburg zum Professor für Algebra, Analysis und Geographie ernannt. Aus Roderiques Würzburger Jahren sind zwei Ereignisse bemerkenswert: Einerseits sein Werk über die Geschichte der Reichsabtei Stablo-Malmedy, mit dem er auch in den damals schwelenden Streit um den Vorrang der beiden Abteien eingriff, andererseits eine dubiose Affäre um die sogenannten „Würzburger Lügensteine“. Roderique hatte anscheinend Muschelkalksteine mit Figuren altertümlich-mysteriös bemalen und vergraben lassen und dann dafür gesorgt, dass sein Kollege, der Medizinprofessor und Archäologe Beringer, auf sie aufmerksam wurde und darüber publizierte. Als die Fälschung bemerkt wurde, wurde Beringer Objekt des Spotts, aber auch der Ruf des dreisten Roderique hatte Schaden genommen. Er verließ Würzburg und ließ sich 1731 in Köln nieder, wo nach seiner Heirat mit der Witwe Sibylla Katharina Pöner (geb. Topsius) das Bürgerrecht erhielt.

1734 erwarb Roderique die schon länger existierende „Gazette de Cologne“. Unter seiner Leitung wurde sie die „bekannteste und wahrscheinlich politisch einflussreichste französische Zeitung des Rheinlands im 18. Jahrhundert“ (Edgar Mass). 1743 gründete Roderique ein weiteres elitäres französischsprachiges Nachrichtenblatt. Beide Roderique-Publikationen erschienen zweimal pro Woche. Nach Darstellung des Historikers und Roderique-Experten Herbert Hömig ging der Mann aus Malmedy als Publizist professionell und effektiv vor. Neben der gedruckten vierseitigen Gazette de Cologne gab er auch eine geheim-vertrauliche Korrespondenz heraus, mit der er zahlungskräftige Abonnenten mit wichtigen Informationen versorgte. Sowohl Roderiques Zeitungen als auch sein „Newsletter“ waren so erfolgreich, dass er zu einer wohlhabenden und vielgefragten Persönlichkeit wurde. Allerdings zog er sich durch seine journalistische Arbeit auch Feinde zu. So war man beispielsweise 1740 im Kurfürstentum Hannover über Roderiques Zeitungen empört und beklagte sich über deren „grundfalschen und injuriösen Inhalt, der Widerwillen und Feindschaft zu erwecken bestimmt sei“. Anders ausgedrückt: Man warf dem kritischen Publizisten Hate Speech und Fake News vor. Einen gefährlicheren Feind hatte der Kölner Zeitungsherausgeber im preußischen König Friedrich II, der keineswegs immer so tolerant war, wie es seinem Image in der Nachwelt entspricht. Der Preußenherrscher protestierte mehrfach in Köln und verlangte Roderiques Auslieferung – was für diesen hätte übel enden können. Roderique konnte dieser Gefahr für Leib und Leben entgehen, nachdem er mehrfach öffentlich Abbitte geleistet hatte. Das hinderte den Hohenzollern allerdings nicht, weiter – im wahrsten Sinn des Wortes – auf Roderique einzuprügeln: Friedrich engagierte einige Schläger, die dem Journalisten „eine Tracht Prügel verabreichten“, wie es manchmal verharmlosend heißt. Geschätzt wurden Roderiques Nachrichten und Ansichten vor allem von Österreich, das seinerzeit mit Preußen erbitterte Kriege führte. In Wien freute man sich über die kaiserfreundlichen Sympathien des Kölner Katholiken, der wohl auch durch seine Herkunft aus Malmedy im Großkonflikt Preußen-Österreich eindeutig die Habsburger Seite bevorzugte. Nach Roderiques Tod 1756 in Köln führte sein Neffe A. C. Jacquemotte die Gazette de Cologne fort. Die einflussreiche Zeitung stellte ihr Erscheinen einige Jahre nach der französischen Revolution ein.

Verfasser: Gregor Brand

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