Johann Peter Steffes

Religions- wissenschaftler und Theologe aus Utscheid

Am 27. August 1883 kam es auf der indonesischen Insel Krakatau zu einem der gewaltigsten Vulkanausbrüche der letzten zehntausend Jahre. Am gleichen Tag erblickte im beschaulichen Utscheid (damals: Outscheid) unweit von Neuerburg und Bitburg ein Junge die Welt, der zu einem bedeutenden katholischen Denker des 20. Jahrhunderts wurde: Johann Peter Steffes, Sohn des Lehrers Peter Steffes und dessen Ehefrau Katharina.

Seinen ersten Unterricht dürfte der Westeifler Dorfjunge vom Vater erhalten haben, später erfolgte der Wechsel an das Gymnasium nach Prüm, wo Steffes Abitur machte. Die nächsten Schritte kommen einem aus vielen Eifler Klerikerbiographien vertraut vor: Theologiestudium in Trier, Priesterweihe als Vierundzwanzigjähriger, danach für zwei Jahre Kaplan in Mayen, gefolgt von zwei weiteren Jahren als Rektor des Franziskastifts in Kreuznach. 1912 wagt der  der inzwischen fast Dreißigjährige einen Lebensschritt, der ihn dauerhaft aus der Heimatregion hinausführt. Der intellektuell ungemein interessierte Steffes begibt sich zur weiteren wissenschaftlichen Fortbildung nach Berlin; dort ist er neben seinem Studium als Hausgeistlicher am Xaveriusstift tätig. 1915 wird er zum Doktor der Theologie promoviert, 1919 erhält er mit einer Arbeit über den Philosophen Eduard von Hartmann den philosophischen Doktortitel. 1921 erfolgt in Münster die Habilitation für Apologetik, Religionspsychologie und Religionsgeschichte. Seine universitäre Lehrtätigkeit beginnt Steffes danach mit Lehraufträgen zur katholische Weltanschauung in Frankfurt und Göttingen, ehe er 1923 ordentlicher Professor an der niederländischen Univ. Nijmegen wird. 1927 kehrt Steffes nach Münster zurück, wo er zunächst als außerordentlicher, dann ab 1934 bis zu seiner Emeritierung 1952 als ordentlicher Professor überwiegend Religionswissenschaft lehrt.
In Münster übernimmt Steffes 1927 die Leitung des angesehenen Deutschen Instituts für wissenschaftliche Pädagogik. Dieses Institut war 1922 von katholischen Lehrerverbänden und Akademikern gegründet worden; sein erster Direktor wurde der zum Katholizismus konvertierte jüdische Philosoph Max Ettlinger, der philosophische Doktorvater von Steffes. Unter Führung von Steffes gab das Institut das zweibändige „Lexikon der Pädagogik der Gegenwart“ heraus, in dem von „Abendgymnasium“ bis „Zwangszustände“ in zahlreichen Stichworten das pädagogische Wissen der Zeit aufbereitet wurde. Eine bis heute beachtete Maßnahme des Institutsdirektors Steffes war die 1932 erfolgte Berufung der Philosophin Edith Stein (1891-1942) als Dozentin für Frauenbildung nach Münster; die 1998 heiliggesprochene katholische Denkerin aus jüdischem Elternhaus gab bereits 1933 ihre Stelle in Münster wieder auf, um dem Institut unter den neuen NS-Machthabern nicht zu schaden. Das hinderte die Nationalsozialisten jedoch nicht, die Tätigkeit des Instituts weiter mit Argwohn zu verfolgen; Institutsdirektor Steffes trat unter politischem Druck 1935 von seinem Amt zurück.

Als Münsteraner Professor veröffentlichte Steffes nicht nur in Fachzeitschriften, sondern auch in zahlreichen anderen sowohl elitären wie populären Publikationen. Die Themen umfassen in enormer Bandbreite weltanschaulich und politisch bedeutsame Fragen der Zeit: Naturrecht, Sexualpädagogik, Kulturpsychologie, Kapitalismus und Marxismus sind nur einige Hauptstichworte, die man nennen könnte. Ein besonderes Anliegen waren ihm Frieden und Abrüstung; zu dieser Thematik verfasste er 1928 eine auch ins Englische übersetzte vielbeachtete Monographie. Offenkundig sah der Religionswissenschaftler aus der Westeifel seine Aufgabe darin, über die Grenzen der katholischen Theologie hinaus eine religiös-philosophische Bewertung der Gegenwart vorzunehmen. Ausgangspunkt war dabei seine Überzeugung vom höheren Wahrheitsanspruch des katholischen Glaubens gegenüber anderen Religionen und Konfessionen: „So schimmert denn auch bei Steffes überall die Gewißheit hindurch, daß die Philosophie in all ihren Grund- und Hauptfragen ihre letzte Weisung von Kirche und Dogma erhält“ (Horst Stephan, 1928). Diese Haltung schloss keineswegs den Respekt vor anderen Religionen aus, mit denen sich Steffes intensiv auseinandersetzte. Ein Gebiet, das ihm viel bedeutete, bildete die Missionswisssenschaft, zu der er wichtige Beiträge lieferte. Noch stärker gilt dies für die damals noch recht junge katholische Religionsphilosophie. Nicht zuletzt dank seines 1925 veröffentlichten Lehr- und Lernbuchs „Religionsphilosophie“ wurde Steffes früh als Hauptvertreter dieser Richtung wahrgenommen.

In Würdigungen des Lebenswerks von Johann Peter Steffes werden nicht zuletzt seine rednerischen Fähigkeiten betont, die zur Beliebtheit seiner Vorlesungen beitrugen, ihn zu einem gefragten und vielgereisten Vortragsredner machten und nicht zuletzt auch seinem priesterlichen Wirken zugutekamen: Rund zwei Jahrzehnte lang predigte Steffes sonntäglich in der Kapelle des Universitätsklinikums. Der große Religionswissenschaftler starb 1955 und wurde nach einem vom späteren Kardinal Hermann Volk zelebrierten Requiem auf dem Münsteraner Zentralfriedhof beerdigt.

Verfasser: Gregor Brand

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