Johann Thys – Fabrikant und Wirtschaftspionier aus Eupen

Johann Thys
Johann Thys

Im 18. Jahrhundert war die Tuchproduktion von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung. In der Vorkunststoffzeit bildeten Textilwaren nicht nur die Grundlage der Bekleidung, sondern wurden in vielfältigster Weise sonst verwendet, von den Beuteltüchern der Bauern für Futter- und Mehlsäcke bis zu kunstvollsten Stoffen für vornehme Häuser.

Dementsprechend gehörte die Förderung der Feintuchproduktion zu den obersten ökonomischen Prioritäten vieler Herrscher. Für die Bürger von Eupen, wo Johann Thys 1715 geboren wurde, kam es in dieser Hinsicht besonders auf die Herrscher in Wien an, denn Eupen gehörte als Teil des Herzogtums Limburg seit 1714 zu den von Habsburgern regierten Österreichischen Niederlanden. Dies erklärt auch, warum Thys meist als „Niederländer“ bezeichnet wird.

Johann Reiner Thys war ein Sohn der Eheleute Reiner Franz Thys und Anna Margarethe Klebanck. Die Klebancks waren im Wirtschaftsraum zwischen Lüttich und der Nordwesteifel zu Wohlstand gelangt und zählten zu den tonangebenden Familien Eupens. Entsprechend den damaligen Gepflogenheiten, wonach bei Heiraten größter Wert auf soziale Ebenbürtigkeit gelegt wurde, gehörte vermutlich auch die Familie Thys, über deren Herkunft wenig bekannt ist, der gleichen sozialen Schicht an. Johann Thys selbst heiratete die Bankierstochter Catharina Theresia Coletta Willems; unter den Nachfahren dieses Paares gab es mannigfache Verbindungen ins Großbürgertum und den hohen Adel der Donaumonarchie.

Bis Mitte der 1750er Jahre hatte sich auch Johann Thys selbst fest im Kreis des wohlhabenden Bürgertums seiner Heimatstadt etabliert und durch seine familiären und beruflichen Netzwerke Beziehungen zu einflussreichen Persönlichkeiten aufgebaut. Besonders bedeutsam wurde seine Freundschaft mit dem berühmten Mediziner Gerard van Swieten (1700-1772). Swieten, gebürtig aus dem niederländischen Leiden, war ein Landsmann von Thys. Seit 1745 war er Leibarzt der österreichischen Herrscherin Maria Theresia (1717-1780), im Lauf der Jahre wurde er zu einem der engsten Berater der Königin, der die Entwicklung im Habsburgerreich nachhaltig mitprägte. Swieten bestärkte Thys darin, von den durch Maria Theresia angebotenen günstigen Investitionsmöglichkeiten im österreichischen Kernland Gebrauch zu machen und setzte sich für Thys in Wien ein.

Mit Erfolg: Im Oktober 1762 gewährte Maria Theresia ihrem „Wirklichen Commerzien Rath“ Johann Thys das Privileg zur Errichtung einer Feintuchfabrik „auf Niederländerart“ in Klagenfurt (Kärnten). Damit verbunden war der Auftrag an Thys, in den innerösterreichischen Ländern die feine Wollspinnerei einzuführen und die Landeskinder „darauf abzurichten“. Thys erhielt ein Darlehen über 100.000 Gulden, zu den weiteren Investitionsanreizen gehörten Steuerbefreiung und andere Vergünstigungen für sich, aber auch für seine Familie und Arbeiter, bei denen es sich zunächst vor allem um hochqualifizierte Fachkräfte aus seiner Heimatregion handelte.

Die Arbeiter waren vom Militärdienst befreit und durften das Bürger- und Meisterrecht erwerben. Die Feintuchfabrik – die erste ihrer Art in Österreich – florierte und expandierte rasch, was den Besitzer Thys veranlasste, sich nach weiteren Arbeitskräften umzusehen. Er fand sie zu einem großen Teil in den Kindern eines Militärwaisenhauses, das in 1760er Jahren in Klagenfurt eingerichtet und der Leitung des Eupeners unterstellt wurde. Fabrikmäßige Kinderarbeit war damals nicht ungewöhnlich, aber auch nicht unumstritten. Die bedrückenden Arbeits- und Lebensbedingungen der vielen Hundert Klagenfurter Waisenhauskinder lassen es als berechtigt erscheinen, sie als „Objekte der Ausbeutung“ (Friedrich Franz Röper) anzusehen. Thys selbst hätte wohl eher hervorgehoben, dass er ihnen überhaupt Arbeitsmöglichkeiten schuf und dass sie eine Ausbildung als Wollspinner erhielten.

Überzeugt von seinem Konzept, wollte Thys auch andere Waisenhäuser zu einer beruflichen Pflanzschule der Manufakturen und Industrie machen. 1766 folgte Kaiserin Maria Theresia solchen frühindustriellen Ideen und befahl, die Waisenkinder ausschließlich zum Arbeiten anzuhalten und den schulischen Unterricht ganz einzustellen (Martin Scheutz, 2014). 1784 wurde das Waisenhaus aufgrund neuer ökonomischer und humanitärer Überlegungen aufgelöst.

Johann Thys wurde für die österreichische Wirtschaftsgeschichte nicht nur als Textilindustrieller bedeutsam, sondern auch als Agrarpionier. Auf ihn geht unter anderem die Einführung des Kartoffelanbaus in Kärnten zurück, eine Tatsache, der man sich in Kärnten seit jeher bewusst ist. 1816 hatte Landwirtschaftsprofessor Johann Burger in der Zeitschrift „Carinthia“ in seiner Abhandlung „Über den Anbau und Ertrag der Erdäpfel“ auf die Pionierleistung des Eupeners hingewiesen, neuerdings betonte der Klagenfurter Historiker Roland Bäck die wichtige Rolle der von Thys initiierten und geleiteten „Kärntner Ackerbaugesellschaft“ als ökonomisches Modernisierungsinstrument.

Vermutlich wären noch weitere wirtschaftliche Impulse vom fortschrittsbegeisterten Johann Thys ausgegangen, aber der 1765 geadelte Westeifler verstarb bereits 1773 in Klagenfurt.

Verfasser: Gregor Brand

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