Johann von Paltz

– Prediger, Professor  und Augustinereremit aus Pfalzel

303_pfalzel_36_16Im Spätsommer 1505 lebten im Kloster der Augustiner-Eremiten zu Erfurt zwei ungewöhnliche Persönlichkeiten kurze Zeit zusammen: Martin Luther und Johann von Paltz. Während mehr als 500 Jahre später Luther weltberühmt ist, kennen Johannes meist nur noch gelehrte Spezialisten.

Damals verhielt es sich völlig anders: Der um 1445 in Pfalzel geborene Johann war renommierter Theologieprofessor in Erfurt, erfolgreicher Buchautor und populärer Prediger – nach Ansicht des evangelischen Kirchenhistorikers Theodor Brieger „vielleicht der größte Ablaßprediger aller Zeiten“. Der frisch ins Kloster eingetretene 21-jährige Luther, allerdings auch bereits Erfurter Magister, stand dagegen erst am Anfang seiner Laufbahn. Nicht ohne Berechtigung wurde Johann als Lehrer Luthers bezeichnet. Dass sich Johanns und Luthers Lebenswege kreuzten, hatte für den Nachruhm des Mannes aus Pfalzel positive und negative Konsequenzen: Einerseits findet sein Werk bis heute wegen Luther in der Forschung besondere Beachtung, andererseits tritt Johanns theologische Eigenständigkeit dadurch in den Hintergrund.

Der Beiname „von Paltz“ oder ähnliche Varianten, unter denen Johann bekannt ist, leitet sich von seinem eifelmoselanischen Geburtsort ab. Sein Vater war der aus Heilbronn zugezogene kurfürstliche Geschützgießer und Kanonenmeister (bombadarius) Heinrich Jeuser (auch Joisser, Geuser etc.). Johann war vom väterlichen Beruf fasziniert; seine späteren Predigten beziehen sich gern und kenntnisreich auf das Waffenwesen. 1462 schrieb sich Johann an der Universität Erfurt ein, die damals in deutschen Landen qualitativ und quantitativ den führenden Rang beanspruchte. In der Mindeststudienzeit von fünf Jahren erreichte der Philosophiestudent den philosophischen Magistertitel.  Ohne langes Zaudern schloss er sich dem Orden der Augustinereremiten an und trat in deren Konvent in Erfurt ein. Damit verbunden waren Theologiestudium und Priesterweihe, begleitet von den üblichen Ordensschritten wie Noviziat und Profess. 1483 erwarb sich Paltz mit dem Doktortitel die damals höchste wissenschaftliche Qualifikation. Als Professor in Erfurt galt er als „der führende Kopf in der theologischen Fakultät Erfurts“ (E. Kleineidam). Professor an einer Spitzenuni, Ordensvisitator, gefeierter Redner und populärer Ablass-prediger – das war die Stellung, die sich Johann um 1490 errungen hatte. Kurfürst Friedrich der Weise drängte ihn, seine Predigten drucken zu lassen. 1490 veröffentlichte Johann daraufhin vier Predigten unter dem Titel „Die himmlische Fundgrube“. In origineller Bildsprache vergleicht er den christlichen Erlösungsweg mit der Arbeit in einem Bergwerk, wo nach wertvollen Erzen geschürft wird. Das Buch wurde nach damaligen Maßstäben ein erstaunlicher Erfolg. Innerhalb von 30 Jahren erschienen über 20 deutsche neue Druckausgaben, zudem wurde es in Latein übersetzt.

Theologisch stand beim Ablassthema, das Johann und die Menschen damals aufwühlte, die Frage im Vordergrund, was ein gläubiger Christ tun muss, um die Gnade Gottes zu erlangen – und speziell die Zeit der Seele im Fegefeuer abzukürzen. Dabei ging es dem Ablassprediger Johann von Paltz keineswegs  darum, Angst vor Fegefeuer und Hölle zu schüren und die Seelenangst der Menschen zu weltlichen Zwecken – Geld für die römische Kirche – auszunutzen. Im Gegenteil: Nach Auffassung des Kirchenhistorikers Berndt Hamm, dem besten Kenner des Lebens und Werks von Johann von Paltz, betonte Paltz vor allem die Barmherzigkeit Christi und vertrat in Heilsfragen ein extrem minimalistisches Programm. Um Gnade vor den Augen Gottes zu finden, müsse man nicht sündenfrei leben. Überzeugt davon, dass die Menschen dies normalerweise sowieso nicht schaffen, reicht es nach Paltz schon aus, dass man den bloßen Willen hat, nicht sündigen zu wollen. Da Paltz gegenüber der moralischen Perfektionierung der Menschen skeptisch war, legte er umso stärkeren Wert darauf, dass sie die äußeren Hilfsmittel der katholischen Kirche nutzen: Sakramente, religiöse Feste, Reliquien,  Wallfahrten – und eben Ablässe.

Das letzte Jahrfünft des 15. Jahrhunderts verbrachte Johann überwiegend in der Talsiedlung Mühlheim unterhalb der Burg Ehrenbreitstein. Dort leitete er im Auftrag des Trierer Erzbischofs, dem er Berater, vielleicht sogar Beichtvater war,  die Errichtung eines neuen Augustinerklosters.  Nach 1500 standen wieder die Lehrtätigkeit in Erfurt sowie Predigt- und Visitationsreisen im Mittelpunkt. Sie führten ihn auch in seine Heimatregion, deren moselfränkische Sprache im Deutsch seiner Predigten sympathisch durchschimmert. 1505 wurde Johann Prior des neuen Augustinerklosters in Mühlheim, woraufhin er endgültig Thüringen verließ und die letzten Lebensjahre bis zu seinem Tod 1511 in unmittelbarer Nähe der kurfürstlichen Residenz Ehrenbreitstein verbrachte. Johanns Schriften wurden 1983 in einer kritischen Werkausgabe neu herausgegeben – ein bedeutender Beitrag zur Erforschung der vorreformatorischen Glaubenssituation. Ω

Verfasser: Gregor Brand

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen