Kajo Schommer – Politiker und Kulturförderer aus Kall

Unter den westdeutschen Politikern, die nach der Wiedervereinigung in der ehemaligen DDR in führenden Positionen das weitere Geschick der neuen Bundesländer gestalteten, stand Kajo Schommer zwar nicht in der allerersten Reihe der Prominenten. Aber er gehörte gleich nach den bekannteren Ministerpräsidenten Bernhard Vogel und Kurt Biedenkopf zu den Politikern, die in ihrem neuen Wirkungskreis maßgebliche Impulse setzten. Dieser neue Wirkungskreis war bei Kajo Schommer der Freistaat Sachsen, in dem er vom Herbst 1990 bis zum Jahr 2002 in mehreren Kabinetten von Kurt Biedenkopf das gerade in jener Phase wichtige Amt eines Staatsministers für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr innehatte.

Bevor Biedenkopf den Wirtschaftsfachmann zum Minister berief, war Schommer viele Jahre in Schleswig-Holstein aktiv gewesen. Aber obwohl ihn die Medien öfters als Schleswig-Holsteiner bezeichneten, war er ein „echter“ Eifler, den erst der Berufsweg ins Bundesland zwischen den Meeren geführt hatte. Kajo (eigentlich: Karl-Josef) Schommer, geboren im März 1940 in der Nordeifler Kleinstadt Kall als Sohn der Eheleute Peter Schommer und Josefine Gehlen, erhielt an den Gymnasien in Steinfeld und Euskirchen eine fundierte altsprachlich-humanistische Bildung. Nach dem Abitur 1959 absolvierte er eine Reserveroffiziersausbildung bei der Luftwaffe und begann anschließend eine Molkereilehre, die er 1962 mit der Molkereigehilfenprüfung erfolgreich abschloss. Mit dieser ungewöhnlich anmutenden Ausbildung wollte Schommer offenkundig in die beruflichen Fußstapfen seines Vaters treten, der in Kall Molkereidirektor war.  Noch im gleichen Jahr 1962 startete der 22-jährige Molkereiexperte jedoch eine ganz andere Karriere: Schommer studierte bis 1968 Wirtschaftswissenschaften an der Universität Köln und schloss diese Ausbildungsphase, in deren Verlauf er ein Semester an der Wiener Hochschule für Welthandel verbrachte, als Diplom-Kaufmann ab.

Nun erst erfolgte der Wechsel in den Norden: Von 1968 bis 1973 arbeitete Schommer als Wissenschaftlicher Mitarbeiter  an der Bundesanstalt für Milchforschung in Kiel. Seine Dissertation über „Die Entwicklung der Konzentration und Beschäftigung der westdeutschen Milchindustrie unter dem Einfluß staatlicher Investitionsbeihilfen“ (Kiel 1973) reflektiert Schommers frühe und intensive Beschäftigung mit industriepolitischen Themen, die dauerhaft für ihn wichtig blieben. Auf die Promotion folgte eine achtjährige Referententätigkeit in der Kieler Landesregierung, ehe CDU-Mitglied Schommer 1982 in Neumünster als Nachfolger von Nachfolger von Dr. Friedrich-Wilhelm Behmenburg in der holsteinischen Industriestadt an der Schwale Stadtkämmerer, Wirtschaftsdezernent und Bürgermeister wurde. Wie ein Jahrzehnt später in Sachsen, so wurde Schommer auch schon in Neumünster schnell bekannt für seinen massiven Einsatz zugunsten von Investitionen aus dem In- und Ausland. Hier wie dort konnte sich Schommer, der sich selbst als „letzter Nachfahre von Ludwig Erhard“ verstand, zugutehalten, maßgeblich die Ansiedlung zahlreicher Unternehmen veranlasst zu haben. Schommers Name steht wie der von Ministerpräsident Biedenkopf für das Konzept einer „Leuchtturm-Politik“, die dazu beitrug, Sachsen ökonomisch zum erfolgreichsten der neuen Bundesländer zu machen; wegweisende Infrastrukturprojekte in Sachsen werden auf den Einsatz Schommers zurückgeführt.   

Ein fundamentales Lebenselement des kulturbegeisterten Nordeiflers bildete die Musik. Als Hobbypianist von hohem Niveau musizierte er mit Helmut Schmidt am holsteinischen Brahmsee ebenso wie mit Justus Frantz, mit dem zusammen Schommer das Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) ins Leben rief, das sich zu einem der weltweit größten Klassikfestivals entwickelte. Während seiner Zeit in Sachsen kamen vielfältige Initiativen hinzu, mit denen sich Schommer als tatkräftiger Musik- und Kulturförderer einen Namen machte. Schommer stand an der Spitze der Bemühungen, Görlitz zur Kulturhauptstadt Europas zu machen, seine Tätigkeit im Kuratorium der Dresdner Hochschule für Musik oder als Sprecher des von ihm mitinitiierten Internationalen Forums für Kultur und Wirtschaft sind nur Ausschnitte aus einer breitgefächerten Palette. Bemerkenswert ist, dass Schommer zwischen seiner wirtschaftspolitischen und kulturfördernden Tätigkeit nicht nur keinen Konflikt sah, sondern sie sogar als gegenseitig produktiv ergänzend auffasste.

Die letzten Lebensjahre des lebensfrohen und optimistischen Rheinländers waren von deprimierenden Ereignissen überschattet. Schommer sah sich im Zusammenhang mit Parteispenden Vorwürfen und Ermittlungen wegen Untreue und Bestechlichkeit ausgesetzt, deren Berechtigung er bis zuletzt nachdrücklich bestritt. Ungleich trauriger machte ihn der Tod seiner Frau Gabriele, die im September 2003 nach schwerer Krankheit in seinen Armen starb. Wenige Jahre später erkrankte Professor Schommer – er war Honorarprofessor an der TU Chemnitz – selbst an Krebs. Kajo Schommer, vom sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt als einer der Architekten des Freistaats Sachsen gewürdigt, starb im Juli 2008 in Köln und wurde auf dem dortigen Melaten-Friedhof beerdigt.

Verfasser: Gregor Brand

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