Karl Jakobs

Teilchenphysiker aus Retterath

Karl Jakobs

Wenn man die Arbeit und das Forschungsfeld des Physikers Karl Jakobs beschreiben will, weiß man kaum, mit welchem Superlativ man anfangen soll. Vielleicht mit dem gerade aktuellsten: Seit März 2017 leitet Professor Jakobs als erster Deutscher das ATLAS-Experiment am weltberühmten Europäischen Forschungszentrum für Elementarteilchenphysik (CERN) in Genf. Als neuer Sprecher der ATLAS-Kooperation steht der 1959 in Retterath geborene Eifler damit an der Spitze einer der weltweit größten Forschungskollaborationen überhaupt. Rund 3.000 Physikerinnen und Physiker aus fast 200 Instituten und 40 Staaten arbeiten an diesem gigantischen Experiment der Grundlagenphysik mit. Es verfolgt das extrem anspruchsvolle Ziel, den kleinsten Bausteinen der Materie und ihrer Wirkungsweise noch tiefer auf die Spur zu kommen und so Aufbau und Entwicklung des Universums vollständiger zu verstehen.

Das ATLAS-Experiment gehört zu den vier Großexperimenten am Teilchenbeschleuniger LHC – der größten und eindrucksvollsten Maschine, die je von Menschen erdacht und gebaut wurde. Im LHC mit seinem rund 27 km langen Beschleunigertunnel werden subatomare Elementarteilchen fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht. Bei diesen Kollisionen zerfallen sie, wobei stets auch bislang unbekannte Formen dieser Grundbausteine der Materie auftreten können. Um diese Prozesse beobachten und nachzuweisen zu können, bedarf eines Detektors von unglaublicher Leistungsfähigkeit – und genau dies ist der zylinderförmige Teilchendetektor ATLAS. Mit seiner Länge von 46 m und jeweils 22 m Breite und Höhe wiegt er mit 7.000 Tonnen etwa so viel wie der Eiffel-Turm. Im Gegensatz zum Pariser Wahrzeichen ist ATLAS jedoch angefüllt mit Elementen und Konstruktionen von fantastischer Komplexität. Dieser technologische Höchstgrad ist erforderlich, um erfolgreich in die Wunderwelt der kleinsten Bausteine der Materie vorzudringen. Karl Jakobs hat am erfolgreichen Aufbau des Wunderwerks ATLAS entscheidenden Anteil. Auf den Spitzenwissenschaftler aus der Vulkaneifel und seine Kollegen Brown und Schwarz geht nicht nur die Abkürzung ATLAS selbst zurück, sondern er gehörte seit Beginn der Planungsphase in den Neunziger Jahren zu den führenden Köpfen dieses Jahrtausend-Projekts. Größter bisheriger Glanzpunkt der ATLAS-Forscher war zweifelsohne der sensationelle Nachweis des sogenannten Higgs-Teilchens im Sommer 2012. Kaum eine andere wissenschaftliche Entdeckung seit Jahrzehnten stieß in der Öffentlichkeit und bei Fachleuten gleichermaßen auf ein derart großes Echo wie der endlich gelungene Nachweis des von dem britischen Physiker Higgs theoretisch postulierten Elementarteilchens. Das Higgs-Boson, wie es auch genannt wird, ist nicht lediglich eins von vielen anderen Elementarteilchen, sondern ihm kommt grundlegende Bedeutung zum Verständnis der atomaren und subatomaren Welt zu. Das extrem schnell zerfallende Higgs-Boson hat eine mittlere Lebensdauer von noch nicht einmal einer Trilliardstel Sekunde und tritt zudem nur bei einem winzigen Bruchteil aller Teilchen-Kollisionen auf. Schon daraus lässt sich erahnen, wie elementar wichtig der Höchstleistungs-Detektor ATLAS mit seinen unglaublichen hohen Mess- und Datenkapazitäten ist.

Die Biographie des Experimentalphysikers Jakobs war auch schon vor der ATLAS-Entwicklung stark mit CERN verknüpft. Als Physikstudent kam Jakobs, der 1978 am Mayener Megina Gymnasium Abitur gemacht und zunächst Mathematik in Bonn studiert hatte, in den frühen Achtziger Jahren erstmals ans CERN. Tief beeindruckt spezialisierte er sich fortan auf Teilchenphysik; auch für seine Doktorarbeit, mit der 1988 an der Universität Heidelberg promovierte, nutzte er die Experimente der Wissenschaftler am CERN. Von 1988 bis 1991 war Dr.  Jakobs Fellow und Wissenschaftlicher Mitarbeiter an diesem Genfer Mekka der Teilchenphysiker. Die intensive Mitarbeit an den CERN-Projekten setzte sich auch in den Neunziger Jahren fort und blieb auch während der Professur von Jakobs in Mainz (1988 – 2003) und danach bestehen. Die Physik-Studierenden an der Universität Freiburg, wo Professor Jakobs seit 2003 einen Lehrstuhl für Experimentelle Teilchenphysik innehat, profitieren seither von dem Fachwissen, das Jakobs zu einem experimentellen Teilchenphysiker von Weltruf gemacht hat. Für seinen entscheidenden Anteil am Nachweis des Higgs-Teilchens erhielt Jakobs 2015 mit der Stern-Gerlach-Medaille die höchste deutsche Auszeichnung für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der experimentellen Physik.

In seiner neuen Position als ATLAS-Chef will Jakobs die Grundlagenforschung am CERN, deren vollständige Auswertung noch Jahrzehnte dauern wird, weiter voranbringen. Ihm ist bewusst, dass aller wissenschaftlichen Triumphe zum Trotz mit den bisher bekannten Elementarteilchen, darunter den sechs Quarks, erst wenige Prozent des Energiehaushalts des Universums erklärbar sind. Die Aussichten sind nicht schlecht, dass der Eifler Spitzenforscher mit seinen Kollegen faszinierende neue Erkenntnisse über Antimaterie, Dunkle Materie und Supersymmetrien zu Tage fördert und vielleicht sogar unbekannte Materieformen entdeckt.

Verfasser: Gregor Brand

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