Kinder der Eifel: Leo Ries

Schulmann aus Remagen

311_ries_wappenDas Trierer Biographische Lexikon verzeichnet zwei Persönlichkeiten namens Ries aus Remagen, die sich in die Geschichte des Trierer Raumes im 20. Jahrhundert eingeschrieben haben: Hermann Ries und Leo Ries. Beide Lexikonartikel wurden von Roland Ries, dem ebenfalls in Remagen geborenen Sohn Leos verfasst, dessen eigene Verdienste ebenfalls erwähnenswert sind. Bevor Leo Ries näher vorgestellt wird, sollen daher einige ganz kurze Hinweise auf die Biographie seiner Verwandten erfolgen, deren Lebenswerk umfangreichere Würdigungen verdient. Der 1929 zum Priester geweihte spätere Bibliotheksdirektor Hermann Ries (1905-1969) war 1932 Bibliothekar des Priesterseminars in Trier geworden und erwarb sich um Sicherung, Ausbau und Modernisierung dieser Bibliothek außerordentliche Verdienste; von seinen zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen profitieren historisch Interessierte bis heute. Roland Ries (1930-2016) war nach einem Jurastudium ebenfalls Priester geworden. Fast zwei Jahrzehnte lang leitete er den Caritasverband für die Diözese Trier; kurzzeitig war er auch Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

Leo Ries wurde 1901 in Remagen als Sohn des aus Langsur stammenden Kellermeisters Mathias Ries und dessen Ehefrau Margarete Schön geboren; Vater Ries, ein hoch qualifizierter Fachmann, stand im Dienst der renommierten Remagener Weinhandlung Otto Caracciola. Nach der Volksschule besuchte Leo Ries die Lehrer-Präparanden-Anstalt Sinzig und anschließend 1918 das Lehrerseminar Neuss. Trotz seiner gediegenen Ausbildung zum Volksschullehrer war es für Ries in den Anfangsjahren der Weimarer Republik schwierig, eine Anstellung als Lehrer zu finden. Das Angebot an Lehrern war groß, viele Kommunen hatten wie Preußen und Reich insgesamt schwer mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Nach Tätigkeiten als Referent beim Bühnenvolksbund Frankfurt am Main und als Notariatsvorsteher in Sinzig gelangte Ries erst 1927 wieder in seinen erlernten Beruf und unterrichtete an mehreren Volksschulen im Landkreis Altenkirchen. Als politisch engagierter Katholik machte er aus seiner Abneigung gegenüber dem aufkommenden Nationalsozialismus kein Hehl. Das wurde für ihn nach der Machtübernahme Hitlers 1933 zu einem existenzgefährdenden Problem. 

Noch im gleichen Jahr erfolgte die fristlose Entlassung aus dem Staatsdienst wegen „politischer Unzuverlässigkeit“. Die neuen Machthaber warfen Leo Ries vor, die Reichsregierung verächtlich zu machen und „fanatischer Kämpfer der Zentrumspartei“ zu sein. Aufgrund dieses Berufsverbots musste Ries jede Hoffnung aufgeben, unter nationalsozialistischer Herrschaft unterrichten zu dürfen. In dieser Lage war es für den Familienvater – aus seiner Ehe mit Gerta Wester gingen sechs Kinder hervor – enorm hilfreich, für das „Paulinus-Blatt“, die Trierer Bistumszeitung, arbeiten zu dürfen: zunächst als Geschäftsführer in Remagen und Saarbrücken, dann 1937 als Schriftleiter in Trier. Der „Paulinus“ nahm Mitte der dreißiger Jahre unter seinem Chefredakteur Dr. Alois Funk eine rasante Aufwärtsentwicklung. Die Auflage stieg von 30 000 im Jahr 1934 auf 125 000 im Jahr 1938. Viele Katholiken waren sichtlich froh, neben den NS-Medien auch noch eine andere Informationsquelle zu haben. Aber gerade dies war den Nazis ein Dorn im Auge. Im Zuge  des verschärften Kampfes gegen die Kirche wurde der „Paulinus“ 1938 verboten – Leo Ries war wieder auf Hilfsjobs angewiesen. Als er 1939 eine Stelle als Werftbuchhalter in Swinemünde erhielt, zog die Familie an die Ostsee. 1941 wurde Ries zur Wehrmacht eingezogen und als Kartograph an der Ostfront eingesetzt.

1945 aus Kriegsgefangenschaft entlassen, konnte der inzwischen 44-jährige Ries jetzt endlich unter den völlig veränderten politischen Bedingungen konstant im pädagogischen Bereich arbeiten. Seine katholischen Überzeugungen entsprachen der christlichen Grundausrichtung des neuen Landes Rheinland-Pfalz. Schon in den ersten Nachkriegsjahren wurde Ries Schulrat in den Kreisen Prüm, Bitburg und Saarburg; beim Eintritt in den Ruhestand 1966 war Regierungsdirektor Ries Leiter der Schulabteilung bei der Bezirksregierung Trier. In all diesen Funktionen, aber auch durch Publikationen und ehrenamtliche Tätigkeiten, setzte sich Ries für eine sowohl von demokratischen Idealen als auch von katholischen Werten geprägte Gesellschaft ein. Besonders beeinflusst war er von Lorenz Kellner (1811-1892), dem „bedeutendsten katholischen Pädagogen des 19. Jahrhunderts“ (Dr. M. Persch); Ries gehörte zu den Mitgründern des bis 1987 bestehenden Lorenz-Kellner-Vereins Trier.  Wesentlich auf Ries  ging der „Kinderpaulinus“ zurück, der als Beilage zum Bistumsblatt erschien. In persönlichen Kontakt mit Leo Ries kamen die Teilnehmer vieler Rom-Pilgerfahrten, die von Ries als Präfekt der Marianischen Bürgersodalität Trier geleitet wurden.

Man kann sich gut vorstellen, dass ihm – wie anderen konservativen Katholiken – manche   gesellschaftspolitischen Entwicklungen vor allem seit den sechziger Jahren schwere Sorgen bereiteten. Beinahe hätte Ries noch die revolutionären Veränderungen des Jahres 1989 erlebt, doch er starb ein Jahr zuvor in Trier im hohen Alter von 87 Jahren. 

Verfasser: Gregor Brand

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