Kinder der Eifel – Teil 317

Ludwig Scheibler – Kunsthistoriker und Musikgelehrter aus Monschau

Wie bei Naturwissenschaft und Technik, so genoss seit dem 19.  Jahrhundert auch die deutsche Kunstgeschichtsforschung weltweite Anerkennung. Von Kunsthistorikern wie dem in Bonn lehrenden Carl Justi gingen Impulse aus, die bis in die Gegenwart ausstrahlen.

Zu diesem besonderen Ruf trugen nicht nur Professoren bei, sondern auch Privatgelehrte wie der legendäre Aby Warburg, die mit ihren Arbeiten neue Einsichten in die abendländische Kultur lieferten. Zu diesen eher privat Forschenden zählte auch der 1848 in Monschau geborene Ludwig Scheibler, der sich nicht nur als Kunsthistoriker hohe Verdienste erwarb, sondern auch als bedeutender Musikforscher.

317_scheibler_51_16Scheibler, Sohn des Tuchfabrikanten J. H. L. Scheibler und dessen Ehefrau Arnoldine Jansen, war Angehöriger der bekannten Nordeifler Tuchfabrikantenfamilie Scheibler. Auch für Ludwig Scheibler war eine Laufbahn in der Tuchindustrie vorgesehen. Nach dem Abitur machte er zunächst eine dreijährige Lehre in einer Tuchfabrik in Burtscheid, leistete danach mehrere Jahre Militärdienst – auch in der Zeit des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 – und war anschließend erneut drei Jahre in einer Tuchfabrik tätig, diesmal in dem seinem Vater gehörenden Werk in Monschau. Erst als 26-Jähriger begann Ludwig mit dem Studium der Kunstgeschichte an der Universität Bonn.

1880 promovierte er dort mit einer Doktorarbeit zum Thema „Die hervorragenden anonymen Meister und Werke der Kölner Malerschule von 1460 bis 1500“. Diese brillante Dissertation begründete seinen Ruhm, wie Jahrzehnte später der Kunsthistoriker und Kunstsammler Walter Cohen (1880 – 1942) bilanzierte. Scheibler gelangen grundlegende neue Erkenntnisse zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kölner Malerschule, die zu einer Neubewertung und künstlerischen Aufwertung einzelner Maler führten. Auch in den folgenden Jahren konzentrierte sich Scheibler auf diese Epoche altdeutscher Malerei und entwickelte sich zu einem anerkannten Fachmann auf diesem Gebiet.

Zu seinen vielbeachteten Forschungsleistungen gehörte die 1887 erfolgte erstmalige Zuschreibung des Wiener Diptychons als ein Werk des 1482 verstorbenen flämischen Malers Hugo van der Goes. Mit seinen Beobachtungen und Folgerungen, wie sie in der 1887 veröffentlichten umfangreichen Abhandlung „Über altdeutsche Gemälde in der kaiserlichen Galerie zu Wien“ oder in späteren Werken zum Ausdruck kamen, wurde Scheibler zu einem der Pioniere in der Erforschung altdeutscher Malerei, wie zuletzt Anna Simon in einer 2015 veröffentlichten Dissertation („Studien zu Hugo van der Goes“) bestätigte. Zu den Malern, denen Scheibler besonderes Interesse widmete, gehörte Lucas Cranach der Ältere; auch zu ihm gelangen Scheibler Beobachtungen, die ihm die Hochachtung großer Kunsthistoriker der Zeit – wie Hubert Janitschik – einbrachten.

Einen gemischten Eindruck von Scheibler hatte der renommierte Kunsthistoriker und Museumsfachmann Wilhelm von Bode, der Scheibler kennengelernt hatte, als dieser nach seiner Promotion mehrere Jahre als Mitarbeiter der Gemäldegalerie in Berlin arbeitete, bevor Scheibler dann für viele Jahre ans Wallraf-Richartz-Museum nach Köln wechselte. Einerseits bewunderte Bode den Monschauer wegen seiner überaus gewissenhaften wissenschaftlichen Arbeit, andererseits ist nicht zu übersehen, dass der weltmännische und gefeierte Museumsorganisator Bode mit der zurückgezogenen Art des introvertierten Scheibler wenig anfangen konnte.

Während Bode stolz darauf war, mit Kaiser Wilhelm II Kaffee trinken und plaudern zu können, liebte Scheibler die Einsamkeit und machte sich aus Ruhm nichts. „Scheibler studierte nur um der Sache willen, niemandem zum Leid und niemandem zur Freude“, notierte Wilhelm von Bode, der in Scheibler letztlich einen „kalten Theoretiker“ sah. Mit dieser Einschätzung tat Bode dem rheinländischen Kulturfreund ebenso Unrecht wie mit seinen recht oberflächlichen Bemerkungen zu Scheiblers späteren musikwisssenschaftlichen Studien. Der Monschauer Kunsthistoriker hatte sich einige Jahre nach der Jahrhundertwende, für Außenstehende völlig überraschend, von der Kunstgeschichte zurückgezogen und sich der Musikgeschichte zugewandt.

Als Privatgelehrter lebte er nun „still und auskömmlich mit Frau und Kind zu Friesdorf bei Godesberg“ (Ludwig Schiedermair) und bildete sich autodidaktisch zu einem hoch anerkannten Spezialisten für Leben und Werk großer Komponisten wie C. M. von Weber oder besonders Franz Schubert aus. Scheibler wurde Hauptmitarbeiter des eminenten Musikwissenschaftlers und Schubert-Forschers Otto Erich Deutsch, mit dem er eine „üppige Korrespondenz (O. E. Deutsch) führte und der ihn als „fidus Achates“ (sehr treuen Freund) würdigte, woran auch der „rauhe Scheibler-Ton“ (so Deutsch), für den der hochgebildete Scheibler anscheinend bekannt war, nichts änderte. Als Ludwig Scheibler im Februar 1921 in Bad Godesberg verstarb, wurde dies – wie von Scheibler sicher nicht anders erwartet – nur von wenigen exquisiten Kunst- und Musikgeschichtsexperten registriert. 

Verfasser: Gregor Brand

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