Klara Marie Faßbinder

– Pazifistin und Pädagogin, Tochter eines Lehrers aus Ehlenz

Klara Marie Faßbinder kam 1890 in Trier als Tochter des Lehrers Peter Faßbinder und dessen Ehefrau Anna Maria Schütz zur Welt. Durch Beruf und Herkunft bedingt drehte sich bei den Faßbinders „alles um die Schule“, wie der Bonner Archivar Dr. Thomas P. Becker, ein Nachkomme des Paares Faßbinder-Schütz und bester Kenner der Biographie K. M. Faßbinders, notierte. Peter Faßbinder entstammte ebenso wie seine Frau Eifler Lehrerfamilien; von ihren sieben Kindern ergriffen sechs ebenfalls den Lehrerberuf. Der angesehene Schulmeister Matthias Faßbinder, Klaras Großvater väterlicherseits, hatte in Speicher unterrichtet, die Vorfahren von Klaras Mutter (z. B. Mengelkoch in Daun) wurzelten tief in der Vulkaneifel. Großneffe von Klara Marie Faßbinder war der herausragende Regisseur Rainer Werner Faßbinder (1945-1982).
Klaras Vater hatte als Volksschullehrer in Daun gearbeitet, ehe er nach Trier versetzt wurde. Nach gründlicher Weiterqualifizierung legte Peter Faßbinder erfolgreich die Rektorprüfung ab und bewarb sich auf eine Stelle als Seminarlehrer in Brühl. 1896 zog die Familie von Trier nach Brühl. Die Ausbildung zur Lehrerin begann für Klara Faßbinder mit 16 Jahren am Lehrerinnen-Seminar in Koblenz. Wie schon bei ihrem Vater, so war auch ihr Bildungs- und Berufsweg von zielstrebiger Höherqualifizierung gekennzeichnet. Nach erfolgreichem Lehrerinnen-Examen 1909 für Mädchenschulen und erster Anstellung als Mittelschullehrerin in Darmstadt folgte der Wechsel nach Bonn. Nebenbei bereitete sie sich auf das Externen-Abitur vor, das sie 1913 in Münster ablegte. Nun konnte sie sich an der Universität Bonn für ein Lehramtsstudium an Gymnasien (Französisch, Geschichte) einschreiben. Nach exzellentem Staatsexamen 1917 wäre sie in Friedenszeiten wohl sofort Lehrerin geworden – aber es herrschte Weltkrieg. Klara Faßbinder war damals entschiedene Feindin Frankreichs, „das für die zutiefst patriotische junge Rheinländerin ein Hort der Verkommenheit und Leichtlebigkeit war“ (T. P. Becker). Beim „vaterländischen Hilfsdienst“ in Frankreich kam sie 1918 in Kontakt mit französischen Zivilisten. Wie durch ein Bekehrungserlebnis wurde dabei aus der Nationalistin quasi von einem Tag auf den anderen eine überzeugte Pazifistin, Anhängerin der Völkerverständigung und Verehrerin französischer Kultur. In den Jahren der Weimarer Republik, die die inzwischen promovierte Lehrerin und Landessekretärin des Bühnenvolksbunds im Saargebiet verbrachte, machte sie sich international mit Publikationen und auf Veranstaltungen einen Namen als Friedensvorkämpferin. Faßbinders Lage änderte sich dramatisch, als 1935 das Saargebiet wieder Teil des nunmehr nationalsozialistisch regierten Deutschland wurde und die erklärte NS-Gegnerin aus dem staatlichen Schuldienst entlassen wurde. Hauptertrag der folgenden Jahre waren Übersetzungen der Werke des von ihr sehr geschätzten französischen Dichters Paul Claudel (1868-1955). Erst ab 1940 durfte sie wieder als Leiterin einer kleinen privaten Mädchen-Realschule in Horrem in ihrem eigentlichen Beruf arbeiten. Nach Kriegsende wandelte sich ihre Gegnerschaft zum NS-Staat zum Vorteil: Klara Marie Faßbinder wurde  Professorin für Geschichtsdidaktik an der Pädagogischen Akademie in Bonn. Doch bald nach Gründung der BRD kam es erneut zum Konflikt mit der Staatsmacht. Faßbinder, die trotz ihrer Katholizität vielen als Kommunistin galt, wurde bespitzelt, denunziert, 1953 von ihrem Professorenamt suspendiert und bis zum Ruhestand beurlaubt. In ihren Ruhestandsjahrzehnten setzte sie im Dienst ihrer Hauptanliegen – Frieden, Frauenrechte und Völkerverständigung – ihre rege Reise- und Publikationstätigkeit fort. Stark ins öffentliche Rampenlicht geriet Fassbinder in den Protestjahren um 1968. Ausgangspunkt war das politisch motivierte Verbot von Bundespräsident Lübke, den ihr von Frankreich verliehenen Orden „Les Palmes Académiques“ anzunehmen. Lübkes Eingreifen löste einen Proteststurm und Sympathiekundgebungen für die Friedensaktivistin aus. Bei einem Auftritt an der Uni Bonn bejubelten Studierende die fast 80-jährige Linkskatholikin, die davon überzeugt war, dass man ihre „beiden Lieben, die zum Katholizismus und die zum Kommunismus“ verbinden könne. Klara-Marie Faßbinder hatte, wenn man an den Horror des GULAG-Systems denkt, ein naiv-idealisiertes Bild vom Marxismus und dessen Umsetzung in der Sowjetunion. Nachdem sie Anfang der Fünfziger Jahre – noch zu Lebzeiten Stalins – die UdSSR bereist hatte, bilanzierte sie: „Ich sah immer mehr, dass man dort wirklich um die Würde des Menschen bemüht war“.
1969 entwickelte sich mit der Wahl Heinemanns zum Bundespräsidenten und der sozialliberalen Regierung Brandt/Scheel das gesellschaftliche Klima zugunsten der Pazifistin. Eine Festschrift zu ihrem 80. Geburtstag mit prominenten Beiträgern von Kardinal Frings bis Norbert Blüm machte dies ebenso wie andere Ehrungen deutlich. Zu den posthumen Anerkennungen für die 1974 in Berkum bei Bonn verstorbene Friedensaktivistin gehört eine seit 2001 bestehende Klara Marie Faßbinder-Gastprofessur für Frauen- und Geschlechterforschung in Mainz.

Verfasser: Gregor Brand

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