Maria Contzen

„Hexe“ aus Karl

192_HexeBaldung_25_14Die Eifel gehörte zu den Kernzonen der europäischen Hexenverfolgung. Im 16. und 17. Jahrhundert waren zwischen Trier und Köln Hexenprozesse an der Tagesordnung, und sie griffen tief und tödlich in das Leben der Eifler ein. In vielen der idyllisch und scheinbar so friedlich gelegenen Dörfern wurden Frauen und Männer von ihren Nachbarn der Hexerei bezichtigt, verhaftet, gefoltert und am Ende der grausigen Gerichtsverfahren meist bei lebendigem Leib verbrannt. Nach Angaben der Historikerin Dr. Rita Voltmer (Universität Trier), der wohl größten Expertin in diesem Bereich, sind im Eifelraum weit über anderthalbtausend Menschen wegen Hexerei hingerichtet worden. Eine erschreckend hohe Zahl, wenn man die damals wesentlich geringere Gesamtbevölkerungszahl in Betracht zieht. In der Nordeifler Herrschaft Schmidtheim fielen um 1630 über 50 % der erwachsenen Bevölkerung einem Hexenprozess zum Opfer. Im Gebiet der Trierer Benediktinerabtei St. Maximin wurden allein zwischen 1585 und 1595 über 400 Menschen verbrannt. Die Zahl der  Opfer der Hexenverfolgungen in der Eifel war ungefähr so hoch wie in ganz Skandinavien und nach neueren Schätzungen vermutlich fast fünfmal höher als im 20-Millionen-Land  Frankreich.

Wie sehr der Hexenglaube ganze Dörfer in seinen dämonischen Bann zog, kann man am Beispiel der als Hexe verdächtigten Maria Contzen ahnen, deren untypisches – weil relativ milde verlaufendes – Schicksal wie das vieler anderer Beteiligter von Dr. Voltmer erforscht wurde. Von den weniger als dreißig Familien, die damals in Karl lebten, werden etliche im Zusammenhang mit Hexereiverfahren genannt. Maria Contzen trat im Jahr 1570 in das Licht der Öffentlichkeit – wenn man es so nennen will. Ausgangspunkt war eine Dorfprügelei in Karl, in die ihr Ehemann Jakob Contzen mit Theis Scholtes geraten war. Als ihr Mann deswegen von den beiden Karler Schiedsmännern Peter Thelen und Peter Leinenweber mit einer Geldbuße belegt wurde, ließ sich die erboste Maria auf der Dorfgasse zu wüsten Beschimpfungen hinreißen und fluchte, dass die Pferde der Schiedsleute beim Heumachen das Unglück treffen solle. Als kurz danach tatsächlich deren Ackergäule bei der Heuernte zusammenbrachen und verendeten, stand für Thelen und Leinenweber fest: Maria muss eine Hexe sein! Öffentlich bezichtigten sie ihre Mitbürgerin, die als Mutter zweier unehelicher Kinder ohnehin einen bedenklichen Ruf hatte, der Hexerei. Man kann sich vorstellen, welchen Schrecken dies bei Maria Contzen und ihrem Mann ausgelöst haben muss.

Sie wussten nur zu gut gut, dass die Folgen einer solchen Verdächtigung verheerend sein konnten. Schon Marias Karler Großmutter war als Hexe verdächtigt worden und hatte daraufhin in Todesangst ihr Heimatdorf fluchtartig verlassen. Die Contzens versuchten, gegen die Hexereibeschuldigung juristisch vorzugehen. Ehemann Jakob zeigte die beiden Gegenspieler beim Dorfschultheißen wegen Verleumdung und Beleidigung an. Über das Hochgericht Minderlittgen ging das Verfahren weiter bis nach Wittlich vor das kurfürstliche Gericht. Maria Contzen wurde wochenlang im Gefängnisturm Wittlich eingesperrt, dann jedoch überraschend vom Amtmann Christoph von Eltz freigelassen. Obwohl Thelen und Leinenweber wegen der ihnen aufgebürdeten hohen Prozesskosten keine Ruhe gaben und bis vor das Reichskammergericht in Speyer zogen, scheint die Sache für Maria Contzen gut ausgegangen zu sein. Der Streit um Maria Contzen war nicht der einzige Hexenfall, der damals die Einwohner von Karl und Umgebung aufwühlte. Um 1588 war es diesmal Marias Ehemann Jakob, der seinen Dorfnachbarn Theis Drauden beschuldigte, Hexer zu sein; aus den Akten sind die Namen weiterer angeblicher  Hexen oder Hexer aus anderen Dörfern der Südeifel bekannt. Wenn man bedenkt, in welch kleinem Umfeld sich dies alles abspielte, so ergibt sich das Bild erstaunlich zerstrittener und bedrohlicher Dorfgemeinschaften.

Als wäre die Vorstellung eines ewigen Höllenfeuers noch nicht schlimm genug, so errichtete man im Wittlicher Land spezielle Menschenverbrennungshütten für die wegen Hexerei Verurteilten; als weitere Hinrichtungsart für Hexen und Zauberer gab es das Lebendigbegraben. Die Prozesse aus der Eifel zeigen, was die moderne Hexenforschung allgemein ermittelt hat: Opfer der Beschuldigung konnte jeder werden. Meist waren es Frauen, aber in katholischen Gegenden waren bis zu 30 Prozent der Hingerichteten Männer. Die Mehrzahl der Prozesse fand nicht vor geistlichen, sondern weltlichen Gerichten statt. Die Hexerei als strafwürdiges Verbrechen war zwar „von Theologen erfunden“ (R. Voltmer) worden, aber oft drängte die lokale Bevölkerung selbst auf die unnachsichtige Verfolgung der angeblich mit dem Teufel Verbündeten. Es kam gar nicht so selten vor, dass unter denjenigen, die einer öffentlichen Hinrichtung beifällig zusahen, einige waren, die später selbst verbrannt wurden. Was aus Maria Contzen nach ihrer Freilassung wurde, ist unbekannt. Sicherlich war sie seelisch und sozial für ihr Leben gezeichnet.

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