Maria Reese

Friedlich und beschaulich liegt das kleine Michelbach in einem waldumkränzten Vulkaneifeltal. Das Leben der 1889 dort geborenen Maria Meyer (nach der Heirat: Reese) verlief dagegen ruhelos und war voller Kämpfe. Die Tochter des Volksschullehrers Anton Meyer und dessen Frau Katharina Eis aus Hinterhausen wechselte schon in jungen Jahren mehrfach den Wohnsitz und besuchte fern der Familie Schulen in Holland, Bonn und Trier. 1907 ließ sich Lehrer Meyer dauerhaft in Lüxem nieder, das Maria später als ihre Heimat betrachtete und wo sie beerdigt ist. Vaters Spuren folgend, wurde Maria selbst Lehrerin. 1913, kurz nach ihrem Lehrerinnen-Examen, geriet die junge Eifelerin in Konflikt mit einem Repräsentanten der Kirche. Schulinspekteur Pastor Kaufmann protestierte gegen ihre Anstellung als Lehrerin in Lüxem, da sie als Frau nicht fähig sei, den Kaplan zu vertreten. Erst als nach Kriegsausbruch 1914 viele Lehrer eingezogen wurden, ergab sich für Maria Meyer eine Anstellung in Schladt. Nach nur drei Jahren endete dieser Berufsweg abrupt: Weil sie sich für französische Kriegsgefangene einsetzte, verurteilte sie ein Kriegsgericht zu fünf Monaten Gefängnis und verfügte die Entlassung aus dem Schuldienst.

Ein Jahr später änderten sich die deutschen Verhältnisse radikal. Das Reich verlor Krieg und Kaiser, nach revolutionären Übergangsmonaten etablierte sich die Weimarer Republik.  Maria Meyer wurde bewusste Sozialistin und schloss sich der SPD in Trier an. Ihre bissigen Artikel in der SPD-Zeitschrift „Volkswacht“ und ihr Engagement machten sie bald überregional bekannt. Sie heiratete 1923 den Tapezierer und SPD-Aktivisten Gottlieb Reese und wurde Mutter eines Sohnes. Den französischen Besatzern, die gern das Rheinland vom Deutschen Reich abgetrennt hätten, missfiel ihre reichsfreundliche Haltung. Maria Reese wurde verhaftet. Nach der Entlassung folgte sie ihrem Mann nach Hannover. Dort wurde die rhetorisch gewandte Sozialistin, deren Ehe nach wenigen Jahren scheiterte, 1928 für die SPD in den Reichstag gewählt. Bald allerdings war die SPD der klassenkämpferischen Eifelerin zu bürgerlich. Beeinflusst von den Lobeshymnen vieler Intellektueller über die Sowjetunion, trat Reese 1929 zur KPD über. Als Kommunistin wurde sie zweimal in den Reichstag wiedergewählt. Die resolute Rednerin, Herausgeberin der Zeitschrift „Die rote Einheitsfront“, gehörte neben der befreundeten Parteilegende Clara Zetkin zu den prominentesten Kommunistinnen. In Lüxem mit seinen damals über 100 KPD-Mitgliedern traf sie sich mit KPD-Führern wie Thälmann und Torgler. Im Reichstag warnte Maria Reese vor den Nationalsozialisten und verurteilte scharf deren Antisemitismus. Nach Hitlers Machtübernahme 1933 kritisierte sie heftig die eigene moskautreue KPD-Führung und warf ihr Versagen im Kampf gegen die Nazis vor. Eine erneute Reise in die Sowjetunion überzeugte sie nun vollends davon, dass der Stalinismus Verrat an der Arbeiterbewegung  war. Im Oktober 1933 trat Genossin Reese aus der KPD aus. Von da an musste sie um ihr Leben fürchten, falls sie in die Hände von Bolschewisten geriet. Nach ständig gefährdeten Aufenthalten in Frankreich und dem Saargebiet ließ der NS-Staat, der ihren Antistalinismus schätzte, sie 1935 nach Lüxem zurückkehren. In den folgenden Jahren sah Maria Reese sich durch die sowjetischen Massenmorde und Schauprozesse bestätigt. Sie schrieb das Buch „Abrechnung mit Moskau“ (1938). Es wurde ein Bestseller.

Tragik des Weltkriegs: Ihr einziges Kind Harro wird irrtümlich als Deserteur hingerichtet, Maria Reese selbst 1944 als Widerständlerin verdächtigt und vorübergehend inhaftiert. Nach Kriegsende wird sie erneut eingesperrt – diesmal von der kommunistisch durchsetzten französischen Staatssicherheit. Nur mit Mühe entgeht sie der lebensgefährlichen Abschiebung in den sowjetischen Machtbereich. Nach der Entlassung kann sie noch eine Zeitlang als Lehrerin arbeiten, aber nie auf Dauer. Nach vielen Wohnortwechseln erhofft sie sich Ruhe an der Mosel. Zwei Tage nach dem Umzug nach Zell im Oktober 1958 stirbt sie dort unerwartet. Maria Reese, die einst aus der Kirche ausgetreten war, fand nach dem Tod Harros, eines tiefgläubigen Katholiken, und unter dem Einfluss von Pfarrer Schneider  zum Katholizismus zurück, wie der verdienstvolle Reese-Biograph H. Hayer-Faas zu berichten weiß.  In ihrem Testament bedachte sie auch die Kinder in Lüxem, „weil Harro und ich Lüxem so liebten“.
 

Verfasser: Gregor Brand
 

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