Matthias Joseph Scheeben

– Theologe aus Meckenheim

Matthias Joseph Scheeben
Matthias Joseph Scheeben

Unter den zahlreichen Theologen, die die Eifel hervorgebracht hat, ragt Matthias Scheeben einzigartig heraus. Von Nikolaus von Kues abgesehen fällt bei keinem anderen so oft das Stichwort „Genie“ wie bei diesem 1835 in Meckenheim geborenen Handwerkersohn. Großen katholischen Denkern des 20. Jahrhunderts galt Scheeben als bedeutendster spekulativer und dogmatischer Theologe der letzten Jahrhunderte. 1935, 100 Jahre nach Scheebens Geburt, bezeichnete Papst Pius XI. den deutschen Theologen als geniale Persönlichkeit und stellte ihn Studenten als Vorbild dar – sowohl als brillanten Gelehrten, aber auch als Menschen eines heiligmäßig geführten christlichen Lebens.

Äußerlich betrachtet verlief Scheebens Leben weder abenteuerlich noch gar sensationell. Er wuchs als eines von acht Kindern des Hufschmieds Wilhelm Scheeben und dessen Ehefrau Susanna Lützenkirchen auf, besuchte die Elementarschule in Münstereifel, danach das ehemals jesuitische Marzellengymnasium (heute: Dreikönigsgymnasium) in Köln. Matthias Scheeben war ein exzellenter Schüler; dass er nach dem Abitur bereits mit 18 Jahren an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom studieren durfte, war für den Sohn einer Dienstmagd alles andere als selbstverständlich. Im Sommer 1859 kehrte Scheeben – inzwischen zum Priester geweiht und versehen mit Doktortiteln in Theologie und Philosophie – in seine rheinische Heimat zurück. Ein Jahr lang unterrichtete er Ordensschwestern in Münstereifel, ehe er 25-jährig zum Professor für Theologie am Priesterseminar in Köln berufen wurde.

Im gleichen Jahr 1860 erschienen Scheebens erste Veröffentlichungen: „Marienblüten aus dem Garten der heiligen Väter und christlichen Dichter“ und der Artikel „Die Lehre von dem Übernatürlichen in ihrer Bedeutung für christliche Wissenschaft und christliches Leben“. Der amerikanische Jesuit und Theologieprofessor Cyril Vollert, der sich intensiv mit Scheebens Werk befasste und es teilweise übersetzte, sah in der „Lehre vom Übernatürlichen“ Scheebens zentrales theologisches Lebensthema vorweggenommen. Für Scheeben war in der Tat die Existenz des Übernatürlichen nicht nur eine vollkommen sichere Wahrheit, sondern auch wichtigster Grundpfeiler christlichen Lebens. Wie tiefgründig er sich mit diesem Bereich der Theologie auseinandersetzte, zeigte sich bereits 1861, als sein Buch „Natur und Gnade“ erschien. Mit diesem Werk schrieb sich der 26-jährige Scheeben mit einem Schlag in die erste Reihe der Denker in diesem Feld der Theologie. Es war ein geistiger Rang, den er in den folgenden Jahren ausbaute und festigte.

Auf weitere Veröffentlichungen folgte 1865 sein berühmtestes Buch „Die Mysterien des Christentums“. Allein schon aufgrund dieses fast 800 Seiten umfassenden Meisterwerkes muss Scheeben nach Auffassung von Cyril Vollert und anderen zu den größten Theologen überhaupt gezählt werden. Es kam dem Priester und Professor aus Meckenheim darauf an, die christlichen Geheimnisse und Grundlehren in ihrem Gesamtzusammenhang darzustellen und zu erläutern. In der langen Geschichte des katholischen Christentums versuchten dies zwar viele, aber in Reaktionen auf das scheebensche Werk wurde betont, dass seine Darlegungen in der Geschichte christlicher Literatur schlechthin einzigartig seien.

Zu Scheebens größten Bewunderern zählte der Theologe Martin Grabmann (1875-1949). Grabmann, einer der bedeutendsten Erforscher mittelalterlicher Philosophie und Theologie und Namensgeber für das Grabmann-Institut für Mittelalterliche Theologie und Philosophie der LMU München, hielt Scheebens Mysterien-Buch für das „Meisterwerk eines unabhängigen kreativen Genies“ und einen der eindrucksvollsten Beiträge zur theologischen Literatur aller Zeiten. Nicht weniger hoch bewertete er Scheebens monumentales „Handbuch der katholischen Dogmatik“, dessen drei Bände ab 1873 erschienenen. Darin wird die gesamte christliche Theologie auf über 3000 eng beschriebenen Druckseiten mit einem beispiellosen historischen Kenntnisreichtum dargestellt und erläutert. Professor Scheebens singuläres Wissen in Verbindung mit tiefgründigster theologisch-metaphysischer Spekulation war für seine Studenten schwere Kost.

Die langen, komplizierten Sätze des „Hegels der Theologie“ – wie Scheeben ehrfürchtig auch genannt wurde – kamen ihnen vielfach rätselhaft, dunkel und mystisch vor. Scheeben selbst war davon überzeugt, dass die christlichen Glaubenslehren oft von einfachen Gläubigen leichter erfasst würden als von Gebildeten. Er war sich zudem durchaus bewusst, dass seine von den scholastischen Meistern des Mittelalters – vor allem Thomas von Aquin – geprägte Sicht mit modernem Rationalitätsdenken auf Kriegsfuß steht. In phänomenaler Produktivität kämpfte er als Autor und Herausgeber in katholischen Zeitschriften gegen den einseitig aufklärerischen Zeitgeist an. Trotz eines internationalen „Scheeben-Kults“ im 20. Jahrhunderts ist der geniale Eifler Theologe heute nur noch wenigen vertraut. Diese Kenner haben aber oft kaum Zweifel daran, dass der 1888 im Alter von nur 53 Jahren in Köln Verstorbene in einem Atemzug mit den größten katholischen Denkern aller Zeiten genannt werden sollte. Verfasser: Gregor Brand

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