Nicola Baur

Politiker und Kaufmann aus Adenau

Nicola Baur
Nicola Baur

1848 kam es im revolutionären Berlin zur Begegnung zwischen dem später so berühmten „Eisernen Kanzler“ Otto von Bismarck und einem Adenauer: „Ich hatte in Berlin Gelegenheit, den famosen Bismarck-Schönhausen, indem er in der Abteilung neben mir saß, genau kennenzulernen. Derselbe ist ein Schwärmer für die absolute Monarchie. Obschon ich seine Ansicht nicht teile, so kann ich ihm doch meine Achtung nicht versagen, weil er aus Überzeugung dasjenige ist, für das er bei jeder Gelegenheit in die Schranken tritt.“ So erinnerte sich der 1808 in Adenau geborene Abgeordnete Nicola Baur, der damals als „der rote Baur“ in scharfem Gegensatz zum erzkonservativen Adligen von Bismarck stand. Johann Nicola Baur war einer von fünf Söhnen des Wollwebermeisters und katholischen Kaufmanns Anton Baur. Nach dem Besuch der Adenauer Dorfschule und der höheren Schule in Stavelot/Belgien übernahm er mit 22 Jahren die Leitung des väterlichen Geschäfts. Er heiratete Barbara, Tochter des Arztes J. L. J. Comes, der als Kreisphysikus in Cochem dort die Pocken ausgerottet hatte. Nach der Geburt von vier Kindern starb Barbara Baur früh; ein Jahr später ehelichte der erst 30-jährige Kaufmann Baur die 21-jährige Kaufmannswitwe Richmunde Bongartz und zog vorübergehend nach Düren. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor, tragischerweise starb aber auch Richmunde sehr jung bereits 1843. Nach Angaben des Baur-Biographen K. Specht heiratete Witwer Baur ein Jahr später erneut. Dieser Ehe mit der Tochter eines Mainzer Weinhändlers und Hoteliers war endlich ein längeres Glück beschieden – und eine noch größere Kinderzahl: Insgesamt wurde Nicola Baur Vater von 17 Kindern.

In die Zeit seiner dritten Ehe mit Friederike Hechtelberger fallen Baurs politische Hauptaktivitäten. 1848 stand er auf Seiten der sich selbst als „Volksfreunde“ und „Demokraten“ bezeichnenden Radikalreformer, die zur Empörung der Konservativen in manchen Eifelorten sogar preußische Fahnen verbrannten. Der redegewandte Baur wurde auf Versammlungen unzufriedener Eifler aus Adenau und Umgebung zum „Volkspräsidenten“ gewählt und agitierte gegen die preußische Obrigkeit. Aus den Wahlen am 1. Mai 1848 zur Preußischen Nationalversammlung, die eine neue preußische Verfassung entwerfen sollte, ging Baur siegreich hervor und wurde als Abgeordneter nach Berlin geschickt. Im Vorfeld der Wahl waren die Anhänger der Demokraten oft wenig zimperlich vorgegangen. Das damals populäre Mittel, mit lärmender „Katzenmusik“ den politischen Gegner einzuschüchtern, wurde auch in Adenau angewandt, worauf der namhafte US-Historiker Jonathan Sperber hinwies. Die Stimmung der Eifler Bevölkerung war ohnehin schon lange gereizt; vereinzelt schreckte man sogar vor Attacken auf Geistliche nicht zurück. Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren bedrückend, der Prozentsatz der Auswanderer gerade in der Vulkaneifel extrem hoch.

Das schnelle Scheitern der Nationalversammlung beendete keineswegs Baurs politische Laufbahn. 1849 wurde er in das Preußische Abgeordnetenhaus gewählt, in dem er – bis 1867 mehrfach wiedergewählt – zu einem Hauptfürsprecher der Eifel wurde. Ein Höhepunkt in Baurs politischem Leben war seine Rede in der Generaldebatte vom 29. März 1865 über Bau und Finanzierung von Eifel-Eisenbahnen. Obwohl nicht in bester körperlicher Verfassung („Schon seit einiger Zeit bin ich unwohl“), setzte sich Baur leidenschaftlich für den Bahnbau ein. Seine Rede wurde zu einem weit – bis in die Römerzeit – ausgreifenden Plädoyer für die Eifel und ihre Bewohner. Aus dem antipreußischen Revolutionär von 1848 war inzwischen ein staatstreuer Politiker geworden war, der nur zu gut wusste, wie sehr seine Heimatregion auf Hilfe aus Berlin angewiesen war. Baur stellte seine Eifler Landsleute als einen „gemüthlichen und biederen Menschenschlag“ dar und erinnerte daran, dass einstmals „gerade Fabrikate aus der Eifel sich einen Europäischen Ruf“ erworben hätten. Dieser Ruf habe sehr gelitten: „Lange galt unser Eifelland als eine in keiner Beziehung einer Beachtung werthe Wüste“. Durch bessere Verkehrserschließung und konsequente Modernisierung könne sich dies aber wieder ändern. Obwohl Baur in seinem Optimismus durch Handelsminister  von Itzenplitz bestärkt wurde, ging seine Forderung „Stimmen Sie heute für die Eifelbahn“ beinahe im Dickicht der Detailfragen unter. Von Rückschlägen ließ sich der begeisterte Reiter und Jäger allerdings nicht abschrecken. Bis zu seinem Tod am 1. Mai 1874 fühlte er sich seiner Herzensaufgabe, die Lebensverhältnisse der Eifelbevölkerung zu verbessern, verpflichtet.

Zur Zeit der Weimarer Republik kam es zu einer nicht alltäglichen Konstellation: Während in Bottrop mit Dr. Erich Baur ein Enkel von Nikola Baur das Amt des Oberbürgermeisters bekleidete, stand an der Spitze Münsters dessen Schwager Dr. Georg Sperlich, Ehemann von Pauline Baur. Zu den zahlreichen weiteren Nachfahren Nikola Baurs gehört der renommierte Kölner Jurist Dr. Jürgen Baur, der 1988 eine Nachfahrentafel seines verdienstvollen Vorfahren veröffentlichte.  Verfasser: Gregor Brand

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