Nikolaus Leyen SJ

– Volksmissionar und Autor aus Kues

198_leyen_32_14Wie lange brennen und schmoren Sünder in der Hölle? Nach traditioneller katholischer Lehre: ewig. Für den im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges wirkenden Jesuitenpater Nikolaus Leyen war eine solche Aussage viel zu blass. Mit barocker Bildhaftigkeit versuchte er zu verdeutlichen, was Ewigkeit bedeutet: nicht nur hunderttausende Stunden, nicht nur so viele Jahre, wie es Sterne am Himmel, Sandkörner am Meer und alle Haare aller Menschen zusammen gibt: Nein, ewige Höllenstrafe geht sogar über diese unendlichen Zahlen hinaus, warnte und predigte er: Das Höllenfeuer erlischt nie.

Der 1574 in Kues geborene Nikolaus versuchte auf seine Weise, solch fürchterlichem Unheil zu entgehen: durch Entsagung, unaufhörliches Beten und gute Taten. In der Klosterschule St. Maximin zu Trier unterrichtete er seine Mitbrüder in der Heiligen Schrift und führte zugleich ein von Armut und Askese geprägtes Leben. Er war mit dem anspruchslosesten Essen zufrieden und verrichtete freiwillig niedrigste Arbeiten. Um seines Seelenheils willen quälte er seinen Körper und legte sich eine extrem strenge Lebensführung auf.

Ob Nikolaus Leyen mit dem ungleich berühmteren Kardinal und Philosophen Nicolaus Cusanus (1401-1464) näher verwandt war, ist nicht bekannt. Aber schon durch den gemeinsamen Vornamen und gleichen Geburtsort ergab sich eine besondere Verbindung. Wie sein weltberühmter Landsmann nannte sich auch Nikolaus Leyen „Nicolaus Cusanus“; in der Literatur findet man öfters den Zusatz: „der andere Nicolaus Cusanus“. Nach dem Theologiestudium in Trier (Bakkalaureat 1596) trat Leyen vermutlich 1601 in den Jesuitenorden ein. Sein Wirkungskreis als Priester und Dozent lag zunächst im Trierer Raum, ehe er 1614 an das Jesuitenkolleg in Luxemburg versetzt wurde. Auch dort unterrichtete er und war zusätzlich in den Dörfern der Umgebung seelsorgerisch tätig.

Als bedeutender Volksmissionar der Gegenreformation dehnte er sein Wirkungsfeld bis zur Nordeifel und nach Lothringen aus. Der sehr verdienstvolle Kueser Heimathistoriker Franz Schmitt berichtet, dass sein Landsmann bei seinen Fußmärschen seine asketische und harte Lebensweise beibehielt. Die Nahrung war weiterhin äußerst einfach, was wohl bedeutete, dass er kaum Fleisch aß und stattdessen mit den Speisen der Tagelöhner vorliebnahm. Vor allem aber widersetzte er sich dem berüchtigten Hauptlaster seiner deutschen Landsleute – dem Alkohol. Eindringlich warnte Pater Nikolaus vor der Trunkenheit, die er als „allerschädligste Sünde“ überhaupt ansah. Nikolaus, der sich bei seinen Predigten und Schriften immer wieder auf die Kirchenväter bezog, zitierte den heiligen Augustinus: „Die Trunkenheit ist ein Ursprung der Laster, ein Wurzel der Sünden und ein Mutter allen Übels“. Bei seinen Touren nächtigte der Volksmissionar auf Strohlagern in Scheunen und Bauernhütten. Im Winter gehörte es zu seinen Bußübungen, keine Handschuhe zu benutzen und auch sonst ließ er sich von keinen Wetterunbilden abschrecken.

Historische Bedeutung erlangte dieser andere Nikolaus Cusanus durch sein Hauptwerk, die „Christliche Zucht-Schul“. In diesem Katechismus, der zusammen mit Zusätzen rund 800 Druckseiten umfasst, unterbreitete und erläuterte Nikolaus in volkstümlicher Sprache die Lehren der katholischen Kirche und gab detaillierte Anweisungen zur Lebensführung. Das Werk entwickelte sich zu einem „west- und mitteleuropäischen Bestseller“ (M. Persch/B. Schneider), der nach seiner Erstveröffentlichung 1626 immer wieder neu aufgelegt wurde und weithin zum Hauptbuch katholischer Volksunterweisung wurde. Der bibelkundige Jesuit aus Kues erwies sich darin nach dem Urteil des Pfarrers und Volkskundlers Dr. Nikolaus Kyll (1904-1973) als „ein gut studierter und belesener Mann“.

Kyll sah in der „Christlichen Zucht-Schul“ zudem eine erstrangige volkskundliche Quelle für Lebensweisen und Volksbräuche des westtrierischen Raumes; von den Klapperjungen bis zur Schiffelwirtschaft erwähnte Cusanus nebenbei immer wieder bemerkenswerte Eigentümlichkeiten. Überhaupt griff er anschaulich alle möglichen Fragen privatester Lebensführung, etwa von Eheleuten, auf. Überall sah er dabei Todsünden lauern – z.B. wenn eine Frau ihre „eheliche Pflicht halsstarrig abschlägt“; Todsünde war nicht zuletzt auch jede Form von Empfängnisverhütung. Großen Raum nimmt in dem barocken Lebensführungsbuch die Hexenthematik ein. „Der andere Cusanus“ schätzte die Schriften des Eifler Hexentheoretikers Peter Binsfeld und hatte keinen Zweifel am Wirken des Teufels. Dennoch mahnte er zur Zurückhaltung bei Hexenprozessen und verurteilte heftig das im Volk verbreitete Denunziationsunwesen. Insgesamt bietet seine „Christliche Zucht-Schul“ einen nicht selten erschreckenden Einblick in eine hierzulande fremd gewordene Glaubens- und Lebenswelt. Pater Nikolaus Leyen, der gegen sich selbst streng, gegenüber anderen jedoch liebenswürdig und hilfsbereit war, starb 1636 in Luxemburg an der Pest, die er sich bei Pflege von Pestkranken zugezogen hatte.
Verfasser: Gregor Brand

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