Paul Aler

– Dichter, Philologe und Philosoph aus St. Vith

305_jesuitenemblem_38_16Körperlich schmächtig, geistig aber ein Herkules – so wurde der 1727 verstorbene Jesuit Paul Aler kurz nach seinem Tod charakterisiert. Dieses Lob seiner intellektuellen Leistungsfähigkeit entsprang nicht bloß einer wohlwollenden Würdigung aus traurigem Anlass. Eine Betrachtung seines Lebenswerks nötigt auch heute noch Respekt ab, und es ist erfreulich, dass man sich wieder verstärkt mit dem nur körperlich kleinen Dichter und Denker befasst. Neben einer Abhandlung seines Landsmanns Wolfgang Jenniges ist dabei besonders die Darstellung Alers in der Dissertation von Frank Pohle hervorzuheben. Für Pohle ist Paul Aler „der bedeutendste rheinische Jesuitendramatiker des frühen 18. Jahrhunderts“. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Jesuitendrama damals eine enorme Rolle im katholischen Kulturleben spielte und jesuitische Theateraufführungen oft Tausende von Besuchern anzogen. 

Paul Aler wurde 1656 in St. Vith geboren, das noch schwer unter den Folgen des 30-jährigen Kriegs litt. Schon früh kam er in Kontakt mit dem Jesuitenorden, der damals eine kulturelle und politische Großmacht in Europa war. Aler erhielt seine schulische Ausbildung am Kölner Dreikönigsgymnasium, das von Jesuiten geführt wurde. Wenige Tage vor seinem 20. Geburtstag schloss er sich selbst dem Jesuitenorden an. Nach Studien an der Trierer Universität kehrte er 1679 als Magister nach Köln zurück, wo er bald darauf als Professor für Humaniora und Philosophie am Dreikönigsgymnasium lehren durfte. In den folgenden Jahrzehnten wurde er – ab 1703 als Regens – zu einer dominierenden Persönlichkeit dieser elitären Bildungseinrichtung. So achtbar seine berufliche Position auch war – es waren seine Schriften, die Alers historische Bedeutsamkeit begründeten. Schon in jungen Jahren war er erstmals literarisch hervorgetreten. Man geht davon aus, dass sich hinter dem anonymen Jesuiten, der 1680 die Kölner Ausgabe des Werks „Gradus ad Parnassum“ veröffentlichte, bereits der junge Aler verbarg. Vielleicht glaubte er, dass es der Autorität des Werkes abträglich wäre, wenn man wüsste, wie jung der hochgelehrte Autor in Wirklichkeit erst war. Erst später taucht Alers Name ausdrücklich auf der Titelseite des Werks auf, das als Lehrbuch zur Dichtkunst höchst erfolgreich war und früh in andere Sprachen übersetzt wurde.

Paul Aler war als Autor auf ganz unterschiedlichen Gebieten tätig. Als Dramatiker verfasste er über 20 Theaterstücke, wobei er in diese allmählich so viele musikalische Elemente einbaute, dass man sie geradezu als „kleine geistliche Opern“ (F. Pohle) betrachten kann. Alers Tragödien, die die Zuschauer oft emotional stark aufwühlten, waren, wie bei dieser Gattung damals üblich, in lateinischer Sprache verfasst. Der Jesuit aus der Westeifel schlug neue Wege ein, indem er öfters deutsche Passagen einfügte und sogar ein Werk in Deutsch verfasste. Die von Aler innovativ betriebene „verstärkte Integration des Deutschen als literarische Kunstsprache“ (F. Pohle) gefiel freilich nicht jedem und natürlich blieb auch diesem Autor Kritik nicht erspart. Als Kölner Gymnasialprofessor war Aler in einige langwierige Streitigkeiten verstrickt, bei denen auch die Dauerkonkurrenz seiner Schule zum Gymnasium Laurentianum eine Rolle spielte. Ausgangspunkt war der eskalierende Streit um die Länge einer Silbe in einem lateinischen Vers. Dies reizt einerseits zum Schmunzeln, kann aber auch als Ausdruck einer Zeit gesehen werden, in der humanistische Bildung einen unvergleichlich höheren Stellenwert hatte als heute. Aber selbst unter den Gebildeten damals dürfte es nicht viele gegeben haben, die in der Lage waren, sich mit Alers geistigem Schaffen insgesamt sachgerecht zu befassen. Seine Lehrbücher zur Dichtkunst, Orthographie und anderen Themen waren zwar auf Verständlichkeit angelegt, aber nur wenige Menschen waren gelehrt genug, um etwa sein über 1.000 Seiten starkes lateinisches Mammutwerk „Philosophia tripartita“ angemessen beurteilen zu können. Paul Aler setzte sich darin auf der Basis immenser Belesenheit mit den zeitlos großen Alten der Philosophie – wie Aristoteles und Thomas von Aquin – auseinander. Aber ebenso diskutierte er Denker wie die Jesuiten M. Wietrowski (1660-1757) oder führende spanische Barockphilosophen wie F. Suárez, R. de Arriaga und P. Hurtado de Mendoza. Überblickt man Fülle und Stoff der Schriften von Aler, so drängt sich der Eindruck phänomenaler Arbeitskraft auf.

1713 wechselte Aler an die Universität Trier, wo er nun einige Jahre blieb. Nach einem Intermezzo in Münstereifel war er ab 1721 Studienpräfekt in Aachen und Jülich. Seine literarische Produktivität endete erst 1725, als ihn ein Schlaganfall linksseitig lähmte. Nach zweijähriger Bettlägerigkeit verschied Paul Aler 70-jährig in Düren. Wenige Monate später zerstörte ein Feuer das Theater am Kölner Gymnasium, dessen Ausstattung wesentlich auf Aler zurückging. Bei der Aufführung seiner Stücke hatte er einst nicht nur aufwändige Bühnenbilder geschaffen, sondern wohl auch Regie geführt. Seine Tragödien wurden noch einige Jahrzehnte lang aufgeführt, viele seiner anderen Schriften sind bis heute noch kaum erforscht. Ω

Verfasser: Gregor Brand

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