Pitt Kreuzberg

„Das Schlimmste ist, dass man nur allzu gern den lebenden Künstler übersieht, weil der ‚tote‘ unter Umständen billiger ist. Was nützt mir ein Anerkanntwerden nach hundert Jahren!“ Als der 1888 in Ahrweiler geborene Maler Pitt Kreuzberg diesen Wunsch nach Anerkennung aussprach, lebte er mit seiner Frau Helene „Trudel“ (geb. Boosen) und den beiden Kindern in kargen Verhältnissen in Schalkenmehren. Es wäre jedoch grundfalsch, diesen Künstler, der unter den teils spöttischen, teils ehrfürchtig neugierigen Blicken der Landbevölkerung die Dauner Maarlandschaft durchstreifte, als besonders ruhmbegierig anzusehen. Ganz im Gegenteil: So recht es ihm sicher gewesen wäre, den Unterhalt für seine Familie auf festeren Boden stellen zu können, so bewusst hatte er sich gegen äußeren Glanz entschieden.

Als Pitt Kreuzberg 1913 nach Schalkenmehren zog, war ihm vollkommen klar, wie weit er sich damit von den Zentren der Kunst entfernte und wie schwierig es durch ein Leben in der Abgelegenheit der bäuerlichen Eifel sein würde, überregionale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aber Kreuzberg war „der Eifel verfallen“ (Peter Kremer). Bis an sein Lebensende im Jahr 1966 malte der in einem Ehrengrab am Totenmaar beigesetzte Künstler mit staunenswerter Schöpferkraft immer wieder Menschen und Motive der Eifel. Kreuzberg hatte gegen die Kennzeichnung als „Maler der Eifel“ nichts einzuwenden, wohingegen ihm die Bezeichnung als „Eifelmaler“ zu eng erschien. Kenner seiner Malerei und seiner Person geben ihm Recht: Werk und geistiger Horizont Pitt Kreuzbergs reichten weit über seine Eifelheimat hinaus, so sehr er von dieser auch fasziniert war.

Pitt (eigentlich Peter) Kreuzberg wurde in eine der maßgeblichen Familien des Ahrtals hineingeboren. Ursprung dieser Kreuzbergs war die jüdische Familie Seligmann, deren Angehörige im Alten Reich führend im Salzhandel und anderen Handelszweigen agierten. Im Jahr 1763 ließen sich einige dieser Seligmann aus Ahrweiler taufen und führten fortan als Christen den Familiennamen Kreuzberg (auch Kreutzberg, Creutzberg etc.). Von zentraler Bedeutung für das Ahrtal wurde Georg Kreuzberg (1796–1873), der Urgroßvater des Malers. Er entdeckte 1852 die von ihm so genannte Apollinaris-Quelle und setzte höchst erfolgreich deren wirtschaftliche Verwertung in Gang. Um 1870 wurden von dem Mineralwasser mehr als 2 Millionen Füllungen in alle Welt verkauft. Wirtschaftlich wenig erfolgreich war dagegen Pitt Kreuzbergs Vater Leopold, der sich verarmt 1909 selbst das Leben nahm. Sein Sohn studierte nach dem Abitur in Brühl an der Düsseldorfer Kunstakademie, später wechselte er zur Kunstakademie München. Obwohl mit der zeitgenössischen Kunstszene bestens vertraut, schloss er sich keiner Richtung an. Dies führte dazu, dass Kritiker sich schwer taten, diesen Künstler im Jahrhundert der Kunstrichtungen öffentlichkeitswirksam zu etikettieren. Es blieb ihnen oft kaum anderes übrig, als die kaum zu definierende Individualität des Eifler Einzelgängers herauszustellen. „Der wahrhafte Künstler ist an keine Richtung gebunden“, war Kreuzbergs Überzeugung. Er malte überwiegend gegenständlich, nicht selten expressiv, mal „mit erdhafter Kraft“ und „schwerem Schollenatem“ (wie es Peter Kremer 1938 zeittypisch ausdrückte), dann wieder mit sich auflösenden Formen und ausgesprochen vergeistigt. Der tief religiöse Kreuzberg griff häufig auf christliche Symbolik zurück, machte aber auch kein Hehl aus seiner Sympathie für die anthroposophische Geisteswelt Rudolf Steiners.

Persönlich hatte Kreuzberg, den das Leid der Welt – etwa der Horror der Atombomben – zutiefst aufwühlen konnte, immer wieder schwere Jahre zu überstehen. Aus dem ersten Weltkrieg kehrte er mit schwerer Infektion in die Stille der Eifel zurück. 1944 erlitt seine Frau nach der Bombardierung Dauns einen völligen Zusammenbruch und blieb bis zu ihrem Tod am Heiligen Abend 1958 auf die Betreuung durch ihren Mann angewiesen. Kreuzberg selbst erholte sich 1949 von einem Schlaganfall und blieb in der Lage, sich künstlerisch permanent zu verändern und weiter zu entwickeln. Fast 100 Jahre nach seiner ersten Ausstellung in Düsseldorf (1914) ist sein Werk keineswegs vergessen. Betrachtet man die Anzahl neuerer Veröffentlichungen über ihn, so drängt sich der erfreuliche Eindruck auf, dass der Wertschätzung dieses Einzelgängers noch eine erstaunliche Zukunft bevorstehen könnte.
 

Verfasser: Gregor Brand
 

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