Raymond Etteldorf

Amerikanischer Erzbischof und Nuntius – Enkel eines Auswanderers aus Schwarzenborn

In der hochsommerlichen Hitze der Prärie erblickte Raymond Philip Etteldorf im August 1911 in Ossian, einem im US-Bundesstaat Iowa gelegenen Bauerndorf, das Licht der Welt. Er war das sechste Kind des Farmers Andrew Etteldorf (1857–1930) und dessen Ehefrau Regina Wagner (1876–1968). Sein Großvater Philipp Etteldorf (1827–1916) aus Schwarzenborn war noch in der Südwesteifel zur Welt gekommen, ebenso dessen aus Herforst stammende Ehefrau Maria Billen (1827–1899); nach ihrer Emigration in die USA wurden sie zu Stammeltern einer ausgedehnten Nachkommenschaft. Der bedeutende US-Kinderarzt James Nicolaus Etteldorf (1909–1997) war ein Vetter Raymonds.
Trotz der geringen Einwohnerzahl von rund 750 meist deutschstämmigen Bewohnern brachte Ossian erstaunlicherweise eine weitere prominente Persönlichkeit hervor: den 1890 dort geborenen Schwergewichtsboxer Al Palzer („The Great White Hope“). Man kann sich gut vorstellen, dass dessen Karriere für Gesprächsstoff auch bei den Etteldorfs sorgte, zumal das Leben des boxerischen Naturtalents („The Giant of Iowa“) tragisch endete, als er 27-jährig von seinem betrunkenen Vater erschossen wurde.

Raymond Etteldorf selbst war in diesem Alter bereits Priester; er hatte die Priesterweihe im Dezember 1937 in Rom erhalten. Seine frühen Priesterjahre verbrachte er in seinem Heimatbistum, der Erzdiözese von Dubuque; dort versah er seinen Priesterdienst an der Saint Joseph‘s Prairie Church. Als Herausgeber der wöchentlichen Bistumszeitung „Witness“ wurde sein Name vielen Katholiken des Mittleren Westens vertraut. In den fünfziger Jahren zog es Etteldorf von der amerikanischen Prärie zurück in die Ewige Stadt. In Rom trat er in den Dienst der Kongregation für die orientalischen Kirchen. Diese vatikanische Zentralbehörde befasst sich mit den Beziehungen der Kurie zu denjenigen katholischen Kirchen des Orients, die ostkirchlichen Traditionen folgen. Etteldorf bereiste mehrere Länder in der brisanten Region, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen. Im Anschluss veröffentlichte er ein vielbeachtetes Werk, in dem er die Situation der Christen in Ägypten, Irak, Iran, Israel, Libanon und Syrien analysierte. Dieses Buch „The Catholic Church in the Middle East” (1959) wurde in mehrere Weltsprachen übersetzt und bildete für viele interessierte katholische Priester und Laien eine wichtige Grundlage für ihr Wissen um die schwierige Situation in jenen auch seinerzeit schon umkämpften Gebieten. Damals sahen sich Christen nicht nur durch den Gegensatz zum Islam gefährdet, sondern auch wegen starker marxistisch-atheistischer Bewegungen. In einer Studie über Geist und Seele Griechenlands („The Soul of Greece“, 1963) zeigte sich Etteldorf erneut als kritischer Analytiker. Der in diesem Bereich längst zum Experten gewordene Etteldorf hatte größten Respekt vor der Standfestigkeit der orientalischen Kirchen. Was speziell Griechenland betraf, so hob er hervor, dass es den christlich-orthodoxen Griechen gelang, sich trotz mehrhundertjähriger brutaler Diskriminierung während der osmanischen Herrschaft zu behaupten.

Im Oktober 1964 wurde der kurienerfahrene Etteldorf Generalsekretär der Kongregation für die Verbreitung des Glaubens (Congregatio de Propaganda Fide, seit 1967: Kongregation für die Evangelisierung der Völker), also der für Fragen der Missionierung zuständigen vatikanischen Zentralbehörde. 1967 wechselte er in die Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten, ehe er im Dezember 1968 zum Titularerzbischof ernannt wurde. Die feierliche Bischofsweihe durch Papst Paul VI. erfolgte 1969 am Fest der Heiligen Drei Könige. Der neue Erzbischof wurde mit der Leitung der vatikanischen Vertretung in Neuseeland beauftragt. Nach fünfjähriger Amtszeit im friedlichen Inselstaat wurde Etteldorf 1974 zum Pro-Nuntius in Äthiopien ernannt. Damit kam er in ein von Umsturz und Staatsterror erschüttertes Land. 1974 war die uralte Monarchie Äthiopiens mit ihrem letzten Kaiser Haile Selassie gestürzt worden, bald darauf etablierte sich unter Oberst Mengistu Haile Mariam eine sozialistisch-marxistische Diktatur. Ihrer Gewaltherrschaft fielen Hunderttausende zum Opfer. Etteldorfs schwierige Amtszeit in Äthiopien endete im Oktober 1982. Seine letzten beiden Berufsjahre verbrachte er als Offizial im vatikanischen Außenministerium.

Auch wenn der äußere Werdegang des Erzbischofs von administrativen und diplomatischen Aufgaben geprägt war, so kam doch nicht zuletzt in seinen Veröffentlichungen auch seine stark spirituell ausgerichtete Grundhaltung zum Vorschein. Er verfasste Gedichte zum Thema des Wiederkunft Christi („The End and the Beginning: Vision of the Parousia“, 1979) und schätzte an Papst Johannes XXIII. vor allem dessen Demut, seine alle Menschen umfassende Nächstenliebe und die heiligmäßige Einfügung in den Willen Gottes. In einem im Juni 1963 publizierten Artikel würdigte Etteldorf den kurz zuvor verstorbenen Konzilspapst als Heiligen und griff damit dessen offizieller Heiligsprechung um ein halbes Jahrhundert voraus. Erzbischof Monsignore Raymond Etteldorf starb am 15. März 1986 und wurde in der Kathedrale St. Raphael in Dubuque beigesetzt.

Verfasser: Gregor Brand

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