Rudolf Caracciola

Rennsportlegende aus Remagen

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Rudolf Caracciola

Einer der eindrucksvollsten Rennfahrer aller Zeiten, erfolgreichster deutscher Rennsportler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Geschwindigkeitsweltrekordler, Sieger in fast 150 internationalen Automobilrennen, Silberpfeil-Triumphator, Heros des Nürburgrings und „Regenkönig“ – das sind nur einige der Stichworte, die bis heute mit dem mythenumwobenen Automobil-Rennsportler Rudolf „Karratsch“ Caracciola verbunden werden.Zur Zeit von Rudolfs Geburt im Jahr 1901 waren die Caracciolas schon seit rund 250 Jahren im Raum Osteifel-Mittelrhein ansässig; in ihrer ursprünglich neapolitanischen Heimat hatten sie zum Hochadel gehört. Großvater Otto Caracciola, ein gebürtiger Andernacher, erbaute in Remagen das Hotel Fürstenberg und zählte durch vielfältige kaufmännische und politische Aktivitäten zu den großen Hoteliers seiner Zeit. Eines seiner insgesamt 19 Kinder aus zwei Ehen war der Remagener Hotelbesitzer und Weingroßhändler Georg Caracciola (1866-1915), aus dessen Ehe mit der Aachenerin Mathilde Preutz (1867-1937) der weltberühmte Rennfahrer hervorging. Georg Caracciola, obwohl selbst motorsportbegeistert, hätte es gern gesehen, dass sein Sohn die Kaufmannstradition fortsetzte.

Aber damit biss er bei Rudi auf Granit: „In meinem Leben hatte ich keine andere Passion als Rennen zu fahren, den Bruchteil einer Sekunde schneller zu sein als der andere“, erinnerte sich „Karratsch“ später. Trotz von Lehrern registrierter hoher Intelligenz war er nach der Mittleren Reife zu keinem weiteren Schulbesuch zu bewegen. Der Familienrat fügte sich, ließ ihn 15-jährig Führerschein machen und verschaffte ihm Anstellungen bei Autofirmen. Zuerst in Köln, dann beim Aachener Automobilbauer Fafnir. Für Fafnir fuhr Carracciola auch seine ersten Rennen. Als er zur weiteren Ausbildung nach Dresden wechselte, wurde Daimler-Benz auf seine Fahrkünste aufmerksam und Caracciola als Werksfahrer für das Unternehmer engagiert – der Beginn einer jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte.

Besonders berühmt machten ihn sein Sieg 1927 beim Eröffnungsrennen des Nürburg-Rings und sein Triumph beim Langstreckenrennen Mille Miglia, als es dem Remagener mit seinem Mercedes SSKL als erstem Ausländer gelang, dieses strapaziöse und gefahrvolle Rennen durch Norditalien zu gewinnen. 1952 startete er noch einmal bei diesem Rennen und wurde Vierter – eine grandiose Leistung: „Man muss sich nur vorstellen: Ein Mann, 51 Jahre alt, mit einer schweren Beinverletzung, fährt fast 13 Stunden lang mit einem Schnitt von 123 km/h auf öffentlichen Straßen eine Strecke von 1600 km ohne Ablösung und ohne Pause!“ (Jörg Enger). Man kann nur ahnen, welche extreme physische und psychische Leistungsfähigkeit solchen sportlichen Erfolgen zugrundelag. Diese Leistungsfähigkeit stellte Caracciola nicht zuletzt in den dreißiger Jahren immer wieder unter Beweis. So errang er dreimal den  Europameistertitel (1935, 1937, 1938) – quasi die inoffizielle Weltmeisterschaft – und stellte auf der Reichsautobahn Frankfurt-Darmstadt 1938 mit 432,7 km/h einen bis heute unübertroffenen Geschwindigkeitsrekord auf öffentlicher Straße auf.

Dabei waren die dreißiger Jahre für Caracciola alles andere als eine einzige Siegesstrecke. Als Folge der Weltwirtschaftskrise zog sich Daimler-Benz zeitweise  aus dem Rennbetrieb zurück; Alfa Romeo wurde vorübergehend für Caracciola die Marke seiner Wahl. 1933 verletzte er sich beim Training schwer, musste über ein halbes Jahr Gips tragen und behielt ein um 7 cm verkürztes linkes Bein, das ihm beim Fahren stets große Schmerzen bereitete. Hinzu kam im Februar 1934 ein schwerer Schicksalsschlag, als seine Frau Charlotte bei einem Lawinenunglück in der Schweiz starb. Umso unglaublicher erschien es Fans und Experten, dass er noch im gleichen Jahr neue Rekorde aufstellte. Als Daimler-Benz wieder in den Rennbetrieb einstieg, begann für Caracciola als Fahrer eines Mercedes-„Silberpfeils“ eine neue Glanzzeit, die auch wegen stärkster Konkurrenz anderer deutscher Fahrer – Bernd Rosemeyer etwa, Manfred von Brauchitsch  oder Hermann Lang – das Rennsportpublikum begeisterte.

Diese Ära endete, als 1939 durch den deutschen Angriff auf Polen der Zweite Weltkrieg ausgelöst wurde. Caracciola hatte in jenem Jahr erneut das Rennen auf dem Nürburgring gewonnen, nun zog er sich mit seiner zweiten Frau Alice Hoffmann in die Schweiz zurück. Als er nach dem Krieg die schweizerische Staatsbürgerschaft beantragte, untersuchten die Schweizer Behörden seine Haltung zum NS-Staat. Caracciola erhielt schließlich die Schweizer Staatsbürgerschaft, weil man zum Ergebnis kam, dass er sich der NS-Vereinnahmung zwar keineswegs widersetzt hatte, aber im Grunde ein politikferner Mensch war, dessen Interesse einzig dem Rennsport galt. Als Neuschweizer errang „Karratsch“ weitere Erfolge, die jedoch erneut von schweren Unfällen und Verletzungen überschattet wurden. Nach seinem letzten Rennen in Bern 1952 blieb der Held der Geschwindigkeit mehrere Jahre lang auf einen Rollstuhl angewiesen. Rudolf Caracciola starb 1959 und fand seine letzte Ruhestätte in seiner Tessiner Wahlheimat. Verfasser: Gregor Brand

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