Stefan Leuer

Eifel und Architektur: Das ist eine ganz spezielle Verbindung. Nicht nur gehen zwei der weltweit berühmtesten Gebäude – der Eiffelturm und das Empire State Building – auf Kinder der Eifel zurück (G. Eiffel, J. J. Raskob), sondern die Eifel hat mit der Architekturlegende Ludwig Mies van der Rohe, dessen Vorfahren aus Blankenheim und Monschau stammen, sogar eines der wichtigsten Architekturgenies des 20. Jahrhunderts hervorgebracht. Darüber hinaus wäre etwa der große O. M. Ungers aus Kaisersesch zu nennen – und Stefan Leuer, der mit seinen Bauten das Bild der jungen Bundesrepublik beträchtlich mitgestaltete.

Der Lebensweg des 1913 in Bad Neuenahr geborenen Leuer scheint bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs recht unspektakulär verlaufen zu sein, wobei diese Jahre allerdings biographisch noch wenig erforscht sind. Leuer war Schüler des Realgymnasiums Ahrweiler und machte dort 1933, als die NS-Herrschaft in Deutschland begann, Abitur. Es ist jedoch wenig wahrscheinlich, dass der Katholik Leuer anschließend sein Architekturstudium an der TH Aachen deswegen begann, weil Architektur zu den Lieblingsinteressen des neuen Reichskanzlers Hitler gehörte. Sowohl Leuers  hervorragende Abschlussnote („Sehr gut“) bei der Diplom-Hauptprüfung Ende 1937 als auch sein späterer Werdegang deuten jedenfalls darauf hin, dass der Eifler das für ihn Richtige wählte. Nach dem Studium und während der Kriegsjahre arbeitete der dienstverpflichtete Jungarchitekt beim Reichsautobahnbau. Die entscheidende berufliche Weichenstellung erfolgte nach dem Krieg, als der Architekt Professor Hans Schwippert den Eifler als Wissenschaftlichen Assistenten 1946 an seinen Lehrstuhl in Aachen berief. Leuer arbeitete mit dem hoch angesehenen Schwippert, der zum „Architekten des Wiederaufbaus“ wurde, sehr erfolgreich zusammen, zuerst im universitären Rahmen, dann freiberuflich. Die Gestaltung des Bundeshauses in Bonn – also des Gebäudes des Bundestags – sind mit ihren Namen ebenso verbunden wie das Palais Schaumburg, von dem aus die Bundeskanzler von Adenauer bis Schmidt die Republik regierten. An beiden Projekten wirkte Leuer als Chefmitarbeiter Schwipperts entscheidend mit. Es ist daher nur konsequent, dass er in Veröffentlichungen zu diesen Gebäuden mit Schwippert in einem Atemzug genannt wird. Die produktive Zusammenarbeit der beiden Meisterarchitekten führte in den fünfziger Jahren zu viel beachteten Bauwerken wie dem Hauptgebäude des Deutschen Roten Kreuzes in Bonn oder dem Verwaltungsgebäude der Provinzialversicherung in Düsseldorf. Auch wenn man heute den ästhetischen Wert dieser Gebäude teilweise anders einschätzt als zu ihrer Entstehungszeit, so muss man anerkennen, dass die Bauten von Schwippert/Leuer nicht nur den nüchtern-sachlichen Stil der westdeutschen Aufbaujahre widerspiegeln, sondern ihn prägend mitgestalteten. Die Schwippert/Leuer-Bauten setzten sich bewusst ab vom pathetischen Stil der NS-Zeit. Im Lebenswerk Leuers wurde der Gegensatz zur NS-Zeit noch deutlicher im weiteren Schwerpunkt seines Schaffens: dem Kirchenbau. Mit zahlreichen Bauten erwarb sich der Eifler den Ruf eines führenden rheinischen Kirchenbauarchitekten. Mit der im Juni 1953 eingeweihten Kirche St. Paulus schuf er den ersten Kirchenneubau Bonns nach dem Krieg. Die von ihm zur Innenausstattung herangezogenen Künstler – wie Ludwig Schaffrath – waren Traditionsbewussten zwar ein Dorn im Auge, aber letztlich fand Leuer dauerhafte Anerkennung als moderner Kirchenarchitekt. Dazu trug 1954 auch seine Berufung an die Kölner Werkschulen bei, wo er Sakralbau lehrte; 1971 wurde er Professor an der FH Köln. Zwischen 1954 und 1969 entwarf Leuer im Durchschnitt pro Jahr eine Kirche. Dass der Prophet – in diesem Fall der Architekt – im eigenen Land nichts gilt, kann man von dem Neuen-ahrer wahrlich nicht behaupten. Die Kirchengemeinde St. Pius in seiner Heimatstadt beauftragte ihn 1963 mit der Errichtung des Pfarrzentrums und auch die Errichtung des markanten Aussichtsturms auf dem Neuenahrer Berg (der „Lange Köbes“) wurde dem großen Sohn der Stadt anvertraut.

Die erwähnten Beispiele sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem vielseitigen Werk des 1979 verstorbenen Baumeisters, dessen Einfluss sich durch seine Schüler noch ausdehnte. Nicht nur durch Bundeshaus und Bonner Kanzlersitz wird der Name dieses Eiflers mit der westdeutschen Architektur des 20. Jahrhunderts dauerhaft verbunden bleiben.

 Verfasser: Gregor Brand
 

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